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Zu wenig Ärzte auf dem Land: Versorgungsassistentin soll die Lücke schließen Hausbesuch mit "Sandramobil"

Von Sigrun Tausche und Kristin Schulze 22.12.2014, 01:16

Kommt der Patient nicht zum Arzt, muss der Arzt zum Patienten. Oder die Krankenschwester. Diese Aufgabe übernimmt in Genthin und Jerichow Sandra Müller. Unterwegs ist sie im "Sandramobil".

Genthin/Jerichow l Wer kennt das nicht? Auf einen Arzttermin wartet man lange bis ewig und wer im Wartezimmer Platz nimmt, sollte Geduld mitbringen. Wer wünscht sich da nicht eine "Schwester Agnes" herbei? Die engagierte Gemeindeschwester aus dem DEFA-Film der 70-er Jahre kam nämlich zu ihren Patienten nach Hause.

In Zeiten unzureichender ärztlicher Versorgung auf dem Lande gibt es nun Bemühungen, nach ihrem Vorbild Versorgungslücken zumindest teilweise zu schließen. In Jerichow und Genthin ist Sandra Müller in ihrem "Sandramobil" auf den Spuren von Schwester Agnes unterwegs. Sie ist für die Patienten von Dr. Jörg Schulze und Dr. Carola Lüke tätig. Schulze ist Facharzt für innere Medizin und Inhaber einer Praxis auf dem Gelände des Fachkrankenhauses Jerichow, die er gemeinsam mit Carola Lüke betreibt.

Sandra Müller ist ausgebildete Rettungsassistentin. Seit 2000 arbeitete sie in Stendal im Rettungsdienst, dann wechselte sie in die Jerichower Praxis.

Ein Jahrzehnt Berufserfahrung hatte sie aber geprägt. Nach Hause zu den Patienten gehen und vor Ort zu helfen, das wollte sie auch weiterhin. Der zweiten Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten folgte die Schulung zur "Verah". Das steht für Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis. Wer sich Verah nennen will, muss einige Hürden meistern: Ein Kompaktkurs mit 200 Unterrichtsstunden steht auf dem Programm. Sandra Müller absolvierte ihn in Leipzig. Außerdem machte sie Praktika, zum Beispiel in der Apotheke und in der Pflege. Zum Abschluss waren noch Hausarbeit und Prüfung fällig. "Aufgrund steigender Anforderungen an die hausärztliche Praxis - eine Folge demografischen Wandels und der Zunahme chronischer Krankheiten - sieht der Deutsche Hausärzteverband die Notwendigkeit einer Qualifikationsoffensive," heißt es auf der Internetseite von Verah. Und: "Verah ist eine Qualifizierungsoffensive für die Medizinische Fachangestellte in der Hausarztpraxis. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Hausarztpraxis als Ort der Versorgung zu stärken, die Berufszufriedenheit der Medizinischen Fachangestellten zu steigern und die Hausärzte durch hochqualifizierte Unterstützungsleistungen zu entlasten."

Was darf die Verah beziehungsweise Sandra Müller bei einem Hausbesuch machen? Dr. Jörg Schulze zählt auf: "Blutdruck messen, Zuckerkontrollen, Medikamenten-Management, Termin-Koordination für Facharzt- oder Therapiebesuche, Wundkontrolle, Überwachung des Impfmanagements, die Qualifizierung der Patienten und ihrer Angehörigen, um selbst zum Beispiel Blutzucker messen zu können oder sich zu spritzen, und auch die Koordination mit Krankenkassen und Pflegediensten." All das seien Aufgaben der Verah.

Dabei gehe es in erster Linie um die Betreuung chronisch kranker Patienten über 65 Jahre oder auch von jüngeren Patienten, die zeitweise die Praxis nicht besuchen können, zum Beispiel nach Operationen. Voraussetzung für die Tätigkeiten von Sandra Müller sei, dass es Patienten von Dr. Schulze oder Dr. Lüke sind. Manchmal hätten die Patienten allerdings falsche Erwartungen an die Verah. Schulze betont: "Es werden keine haushaltsnahen Leistungen erbracht." Sandra Müller werde also nicht für die Patienten einkaufen gehen oder den Hund Gassi führen.

Unterwegs ist Sandra Müller seit vergangener Woche nicht mehr in ihrem privaten Auto, sondern im "Sandramobil". Weil die Krankenkassen das Verah-Programm mittlerweile fördern, konnte der rote Flitzer angeschafft werden. Im Mazda immer an Bord: Der Notfallkoffer und ein Laptop. "Ich bin direkt mit der Praxis vernetzt", erklärt Sandra Müller. So könne der Arzt mit Hilfe von Bildern und Beschreibungen auch einen Blick auf den Patienten werfen.