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  7. Karneval Jerichow: Motzen mischt die Schule auf

Von A wie Aufklärungsunterricht bis Z wie Zensurenwürfeln -alles wird tüchtig auf die Schippe genommen. Von Sigrun Tausche Karneval Jerichow: Motzen mischt die Schule auf

26.02.2015, 01:21

Einen Blick hinter die Türen der "Gesamtschule Motzen" durften die Gäste des Karnevals in Jerichow werfen und sich dabei köstlich amüsieren. Von Einschulung bis Abiball, von Elternversammlung bis Klassentreffen, vom Kiffen an der Bushaltestelle bis zum "Spicken" bei der Prüfung war alles dabei.

Jerichow/Mangelsdorf l Es soll ja Schulen geben, da ist der Alltag schon der reinste Karneval. Zumindest hin und wieder haben die Lehrer wohl überall das Gefühl. Potenzial für ein ganzes Karnevalsprogramm bietet das Thema Schule jedenfalls genug, das haben die "Motzener" jetzt bewiesen.

Freilich: Manche nicht mehr ganz so jungen Gäste hätten hin und wieder ein Wörterbuch brauchen können, aber auch das war Absicht. Kräftig zugespitzt wurde von der "Jugendsprache" Gebrauch gemacht, was in der gemeinsamen "Bütt" von Tim Lach und Geena Stobbe alias "Erkan" und Jaqueline" gipfelte. Da war am Ende sogar der türkische Immigrant sattelfester in der deutschen Sprache als die "echte" Deutsche...

Eröffnet wurde das Programm aber - wie es sich gehört bei diesem Thema - mit der Einschulung und der ersten Unterrichtsstunde - wo die "Meute" zeigt, dass bereits Erstklässler es faustdick hinter den Ohren haben. Als Lehrerin "Fräulein Mottenmeier" alias Jutta Merkla daraufhin eine Elternversammlung einberuft, wird es auch nicht besser - wie die Kinder, so die Eltern... oder umgekehrt. Da packt die eine Mami erstmal den Kuchen aus, die andere will lieber einen "Gefühlskreis" bilden, die "Business-Mami" macht Druck, weil sie noch eine "Video-Frühstückskonferenz mit den amerikanischen Geschäftspartnern" hat, der "Trainer"-Papa will Einzelheiten zum Sportfest wissen, das aber ausfällt, weil "die Gelder alle in den Bau des Topfmarkts geflossen sind..."

Dass der Wechsel aus der Grundschule in die 5. Klasse mitunter mehr mit Zufall als mit einer für die Kinder wirklich geeigneten Schullaufbahnempfehlung zu tun hat, zeigte die nächste Szene: "Egal, ob Gymnasium, Hauptschule oder Waldorfschule, wir kriegen euch schon irgendwo unter", sagte "Direktorin" Anika Taut den Schülern und spielte mit ihnen "1, 2 oder 3" analog der Sendung im Kinderfernsehen, "damit alle eine faire Chance haben..."

Und dann warten Schüler jeder Schulform gemeinsam an der Bushaltestelle. Mit ihrem "AOK-Shopper" kommt eine Oma dazu - eine Paraderolle für Katrin Engelke, die hier mal wieder zur Höchstform auflief. Eine Hauptschülerin: "Wat`n, Oma, Morgenspaziergang oder hat Aldi mal wieder Sonderangebote?" Oma: "Schnauze, ich muss zur Frühschicht!" "Eine Gymnasiastin: "Soll ich Ihnen bei der Treppe behilflich sein?" Oma: "Halt`s Maul, ich bin noch top fit!" und hilft mit Asthma-Spray und Tabletten nach. Zum "Runterspülen" lehnt sie Wasser und Tee ab und greift zum "Pfeffi", und der Joint von "Heinz" schmeckt ihr auch prächtig...

Köstlich ist die Szene mit dem Sexualkundeunterricht. "Justine" alias Anika Taut kommt zu spät zur Stunde - und dass es bei ihr ohnehin zu spät ist, merkt auch der Lehrer: Sie hat einen dicken Babybauch - und der ist echt! Anika Taut wird tatsächlich schon sehr bald Mutti, was hier herrlich ins Programm eingebaut wurde. Köstlich die Aufklärungsversuche des Lehrers (für alle anderen): Da mussten Plaste-Bananen oder das Gleichnis von Bienchen und Blümchen herhalten, und weil "Toni" es immer noch nicht begreift, soll er es sich zu Hause von seiner Freundin erklären lassen. Die Pointe: "Toni" verlässt händchenhaltend mit "Steve" die Bühne...

Bei den Pausenhofgesprächen gab`s dann nochmal geballte "Jugendkultur", um dann beim Computerkurs die Erwachsenen hochzunehmen, die in Sachen PC und Internet etwas "zurückgeblieben" sind. Das I-Tüpfelchen setzte dem noch Victoria Gronka auf, die als Sächsin auftrat und den Dialekt herrlich drauf hatte.

Nächste Szene: Zensurenkonferenz. "...Erkan müsste ja für seine Leistung eine Fünf bekommen." "Nee, das geht nicht. Sein Vater, der Döner-Ali, wollte doch die Lasur für den Klietznicker Aussichtsturm spenden!" "Dann dürfen wir Kai-Uwe aber auch keine Fünf in Deutsch geben, sonst bekommen wir kein Mittagessen mehr geliefert..."

Und man einigte sich darauf, wie gewohnt die Noten lieber auszuwürfeln.

Schwelgen in Schulerinnerungen war beim Klassentreffen angesagt - und Angeben: "Mein Haus, mein Auto, meine Frau..." "...Naja, ich hatte ein Autohaus, das ist abgebrannt. Mein Hotel ist auch abgebrannt. Und meine Frau ist weggerannt..." Insider wissen, wer gemeint ist. Auch Ex-Landrat Finzelberg tauchte auf, und Millionärsfrau "Carmen" und "Angie". Für einen Ausflug zur "Feuerzangenbowle" sorgte der Lehrer im Ruhestand alias Henry Bliemeister, der das Klassentreffen mit der "alkoholischen Gärung" etwas auflockern wollte.

Chaotisch ging es dann auch bei der Abschlussprüfung zu, bei der nicht nur die Themenwahl ein Glücksspiel war, sondern auch, welcher Lehrer Aufsicht hat. Und zum Schluss kommen beim "Abiball" nach und nach alle auf die Bühne.

Auch zwischendurch gibt es flotte Tänze: Die jüngeren Mädels als "Cheerleader", die Männer, die Jugend oder alle zusammen brachten tüchtig Schwung und Stimmung in die Runde. Nach dem "Abiball" mischten sich wie immer sehr schnell Akteure und Gäste auf der Tanzfläche. Von den Gästen hatten sich etliche auch auf das Thema eingestellt und die "Uniformen" ihrer eigenen Schulzeit hervorgeholt: Pionierhalstuch oder FDJ-Bluse.

Allzu sehr von Nostalgie geprägt war das Programm freilich nicht, vom "Klassentreffen" und der Oma an der Bushaltestelle, die sagt: "Ich war früher auch so cool gewesen wie ihr und seht, was aus mir geworden ist. Ich stehe mitten im Leben!" mal abgesehen. Aktuelle Schul- und Jugendkultur wurde auf die Schippe genommen. Die Idee dazu hatte die Jugend der Mangelsdorfer Karnevalsgruppe, und die jungen Leute haben sich diesmal auch ganz aktiv an der Programmgestaltung beteiligt, betont Jutta Merkla. "Sie waren bei jedem Treffen dabei." Solche Texte hätten sich die "Alten" auch kaum ausdenken können. Dazu muss man schon mittendrin sein.

Bei der Dekoration des Saals hat die Karnevalsgruppe des Mangelsdorfer Heimatvereins Unterstützung von der Grundschule Jerichow und von Christiane Lange vom Rathausshop bekommen. Ohne deren Hilfe wäre eine so schöne Gestaltung nicht möglich gewesen, bedankt sich Jutta Merkla im Namen des Vereins.

Weitere Bilder vom "Motzener Karneval" gibt es morgen in der Volksstimme.