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Flüchtlinge "Syrer bleiben nicht in Genthin"

120 Flüchtlinge leben gegenwärtig in Genthin. Die meisten von ihnen sind vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen. Ein Thema, das auch die Genthiner Senioren beschäftigt, die sich in ihrer Sitzung vom Integrationsbeauftragten Anton Gujo dazu informieren ließen.

Von Kristin Schulze 18.04.2015, 01:21

Genthin l Anton Gujo kümmert sich seit 2011 um Aussiedler und Flüchtlinge. Er ist der Integrationsbeauftragte des Jerichower Landes. Seit in Syrien der Bürgerkrieg ausgebrochen ist, flüchten immer mehr Menschen vor Bomben und Kämpfen. Am Dienstag informierte Gujo die Genthiner Stadtsenioren, die zu ihrer Sitzung im Rathaus zusammen gekommen waren, über den Stand der Dinge.

Erfahrungen
In den 90er Jahren kamen hauptsächlich Spätaussiedler nach Genthin. Mit Flüchtlingen hat man wenig Erfahrungen. Seit November 2014 kommen vermehrt Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern, darauf musste der Landkreis sich einstellen.

Was tut der Landkreis?
Bei der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) hat der Kreis Wohnungen angemietet. 120 Flüchtlinge finden hier Platz. In einer Dreiraumwohnung leben bis zu sechs Flüchtlinge. Zur Zeit sind alle Plätze belegt. Neue Bewohner können nur einziehen, wenn andere ausziehen. Pro Monat werden dem Jerichower Land etwa 40 neue Flüchtlinge zugeteilt.

Anerkennung
Nur 34 von 120 Flüchtlingen haben bisher den offiziellen Flüchtlingsstatus. Darüber entscheidet das Bundesamt. Das kann laut Gujo ein paar Monate dauern. Erst mit offizieller Anerkennung dürfen die Flüchtlinge Genthin verlassen und sich frei in Deutschland bewegen. Auch haben sie dann erst Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Was kommt danach?
Nur 3 von den 34 anerkannten Flüchtlingen haben sich dafür entschieden, in Genthin zu bleiben. Den Rest treibt es in andere Teile Deutschlands.

Deutschkurs
Der Landkreis organisiert einen Deutschkurs. Zustande ist der allerdings noch nicht gekommen. Problem sei laut Gujo, dass sich bisher nur drei Flüchtlinge dafür entschieden haben, dauerhaft in Genthin zu bleiben. Die Flüchtlinge, die noch keinen offiziellen Status haben, sind bisher auf inoffizielle Hilfe angewiesen. (Im Integrationstreff und der Bibliothek organisieren Ehrenamtler Deutschkurse, auch die Kirchengemeinde engagiert sich.) Anton Gujo sagt: "Wir sind zuversichtlich, im Sommer mit einem Kurs starten zu können." Dafür werden mindestens 15 Teilnehmer benötigt. Gujo lobte das Engagement der Genthiner, auch das Morus-Haus und die Sportvereine hob er hervor.

Warum kommen nur Männer?
Man sehe nur junge Männer, keine Frauen, keine Familien. "Warum?", wollte Heinz Köppe von den Stadtsenioren wissen. Anton Gujo klärte auf: "Die Männer sind risikobereiter. Die Flucht ist sehr gefährlich. Das Familienoberhaupt geht also das Risiko ein. Und holt die Familie nach, wenn er das sichere Ziel erreicht hat." Gabriele Thie von der Stadtverwaltung bestätigte das: "Mittlerweile sind fünf syrische Kinder an der Uhlandschule angemeldet."

Was passiert jetzt?
Um die Flüchtlinge zu integrieren, wird momentan ein Integrationslotse gesucht. "Wir haben bereits jemanden gefunden, es steht zu 90 Prozent fest, dass er es macht", sagte Gujo. Der Lotse ist für die Vermittlung zwischen den Ehrenamtlern und den Flüchtlingen zuständig und fungiert als Dolmetscher.

Außerdem soll zeitnah ein Fahrradtraining auf die Beine gestellt werden. "Natürlich können die Syrer Rad fahren, aber sie kennen unsere Verkehrsregeln nicht", sagte Gujo.

Ortschaften
Ob auch geplant sei, Flüchtlinge in den Ortschaften unterzubringen, wollte Tucheims Ortsbürgermeister Karl-Heinz Steinel wissen. Anton Gujo verneinte das. "Wir konzentrieren uns auf die Städte Genthin und Burg." Hier gäbe es die bessere Infrastruktur und Integrationsmöglichkeiten.

Beratung
Eine offizielle Beratungsstelle befindet sich nur in Burg. Zwar gäbe es auch zwei Sozialbetreuer und die Mitarbeiter des Integrationstreffs vor Ort. Tiefgründige Beratungen, zum Beispiel zum Thema Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Deutschland, seien aber nur von dafür qualifiziertem Personal vorzunehmen. Dieses sitzt laut Gujo in Burg. Bei Bedarf würden diese Mitarbeiter aber auch nach Genthin kommen.

Syrer
Viele der Syrer seien sehr gut ausgebildet. "Es kommen Akademiker, Schriftsteller, Künstler, Zellenforscher...", sagte Gujo. Nun gelte es, diesen Leuten Perspektiven in Genthin aufzuzeigen, damit die Stadt mehr wird als eine "Durchlaufstation".

Informationspolitik
Die schlechte Informationspolitik kritisierte Heinz Köppe. "Ich hätte mir eine große Veranstaltung im Stadtkulturhaus gewünscht, bei der aufgeklärt wird, wann wie viele Menschen aus welchem Grund kommen." Dem widersprach Karla Hahm. "Ich fühle mich genügend informiert. Wenn man sich für das Thema interessiert, hat man in der Zeitung ausreichend Informationen gefunden." Anton Gujo sagte, dass im Rahmen der interkulturellen Woche noch mehr Informationsarbeit geleistet werden soll.

Gesucht
Gesucht werden vor allem Paten, die den Flüchtlingen den Alltag in Genthin näherbringen.

Wer Interesse hat, kann sich im Integrationstreff bei Cornelia Otto unter 0162 /87 36 317 melden.