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Sophia Westphal hat sich für eine Lehre in einem einstigen Männerberuf entschieden Lieber Tischlerlehre als Bürojob

Von Mike Fleske 21.05.2015, 03:16

"Das ist mein Beruf", dachte sich die 20-jährige Sophia Westphal aus Neubrandenburg. Statt eines Studiums in der Großstadt entschied sie sich für eine Tischler-Ausbildung in Genthin.

Genthin l "Ich finde nicht, dass es ungewöhnlich ist, für mich ist das ein typischer Weg", sagt Sophia Westphal. Dabei hat sie doch einen etwas anderen Weg gewählt als ihre Altersgenossen. Nach dem Abitur verbrachte sie ein Jahr als DRK-Helferin in Westafrika. "Ich wollte etwas von der Welt sehen, aber mich auch nützlich machen."

Nach ihrer Rückkehr begann sie nicht etwa ein Studium, sondern eine Ausbildung bei der Tischlerei Ewert in Genthin. "Ich wollte nicht vor dem Computer im Büro sitzen oder mit Zahlen jonglieren, das ist nicht meine Sache", verrät die 20-Jährige. Gestalten wolle sie, mit den Händen arbeiten und am Ende des Tages etwas zum Anfassen geschaffen haben. So wie den Utensilien-Kasten aus Holz, der durch exaktes Berechnen, Messen und Verarbeiten entstanden ist.

Von den Mitarbeitern und den anderen Auszubildenden wird Sophia Westphal geschätzt. Sie geht in ihrem Beruf auf. Berührungsängste kennt sie nicht. Nicht vor der manchmal lauten Arbeit. "Dafür gibt es einen Gehörschutz" und auch nicht vor den riesigen Präzisionsmaschinen in der Werkstatt. "Das kann man lernen", meint sie pragmatisch.

Dabei ist sie derzeit eine Exotin, sowohl an ihrem Arbeitsplatz, als auch in ihrer Berufschulklasse ist die 20-Jährige die einzige weibliche Auszubildende.

Das soll sich vielleicht bald ändern. "Im September soll eine weitere junge Dame mit der Ausbildung beginnen", sagt Peter Ewert. Er findet, dass es die oft noch gebräuchliche Einteilung in Männer- und Frauenberufe kaum noch gibt.

"Man muss als Lehrherr an die Fähigkeiten der Mitarbeiter glauben", sagt er. "Wer eingebunden wird, ist motivierter und entwickelt letztlich auch größere Kompetenzen in seinem Beruf", findet der Inhaber der Tischlerei. Mit selbstständig umgesetzten Projekten werden die Auszubildenden fit für den Beruf gemacht.

"Wer eine Fußbank bauen kann, kann auch einen Tisch bauen", zitiert Peter Ewert mit einem Schmunzeln einen alten Lehrspruch. Doch es ist durchaus etwas Wahres dran. Sophia Westphal ist nach sieben Monaten Ausbildung immer noch zufrieden mit ihrer Berufswahl. Es sei sehr abwechslungsreich. "Die Arbeit beschränkt sich nicht nur auf den Werkstattbereich, wir sind auch viel draußen bei den Kunden", erläutert Ewert.

Im Küchen-, aber besonders auch beim Ladenbau, den beiden Schwerpunkten des Familienunternehmens, seien exakte Zuschnitte nur vor Ort möglich. "Es ist wichtig, dass die Auszubildenden diese Bereiche kennen und den Fachleuten über die Schulter schauen können. Der Tischlerberuf sei heute äußerst umfangreich. Die Arbeit mit dem Computer gehöre genauso dazu, wie die mit den modernen Maschinen zu Sägen, Schleifen und Dübeln. Insgesamt ist es um den Markt für Fachkräfte heute besser bestellt denn je.

Nur müssten die jungen Leute oft erst noch dafür gewonnen werden. Beispielsweise bei den Berufsmessen, die in der Region zahlreich angeboten werden und für die Peter Ewert eine Lanze bricht.

"Man kann nicht nur die Firma präsentieren, sondern kommt direkt in Kontakt mit jungen Leuten." So sehe man, wo die interessen liegen, letztlich wie sie "ticken". Das sei wichtig, um den Kontakt zu jungen Generation nicht zu verlieren.

Eine Generation, zu der Sophia Westphal ganz sicher gehört. Für sie steht bald die Zwischenprüfung und am Ende der Ausbildung die Gesellenprüfung mit Gesellenstück an.

Wie es nach ihrer Ausbildung weitergeht, kann sie im Moment noch nicht sagen. Aber sie weiß: "Man kann mit dem Wissen viel anfangen."