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Wirtschafts- und Umweltausschuss verständigt sich auf Vor-Ort-Termin Fällaktion im Fiener wird zum "kleinen Stuttgart 21"

Von Manuela Langner 24.03.2011, 05:35

Zahlreiche Bürger verfolgten am Dienstagabend die Sitzung des Wirtschafts- und Umweltausschusses des Genthiner Stadtrates. Sie interessierten sich vor allem für die Diskussion um das Fällen der Pappeln im Fiener. Eine Unterschriftenliste, an der sich 1332 Bürger beteiligt haben, wurde dem Ausschussvorsitzenden Harry Czeke überreicht.

Genthin/Tucheim. "Ich gehe da emotional ran. Anders geht das gar nicht", sagte Jana Lützow vor dem Wirtschafts- und Umweltausschuss. Eine dicke Mappe mit 1332 Unterschriften hatte sie dabei. Viele Tucheimer und Bürger aus Nachbarorten, aber auch Brandenburger haben ihren Namen und ihre Unterschrift gegeben. Sogar Schulkinder beteiligten sich. "Wie gibt es denn so etwas?", sei eine häufige Reaktion gewesen. Bäume fällen, aber keine neuen anpflanzen? Mit der Vorgehensweise sei keiner zufrieden.

Entgegengenommen wurde die Unterschriftenliste von Harry Czeke (Die Linke). Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Umweltausschusses sitzt zugleich für den Wahlkreis 05 im Landtag und will die Unterschriften in Magdeburg dem Umweltminister übergeben. Das Umweltministerium ist eine der Genehmigungsbehörden für das Fällen von rund 500 Pappeln im Fiener gewesen. Beantragt worden war die Fällaktion vom Förderverein Großtrappenschutz. Die Wegnahme der Pappeln ist aus Sicht des Vereins eine "Maßnahme zur Lebensraumoptimierung der Großtrappen".

"Die Aktion darf nicht fortgesetzt werden!"

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens waren die Stadt Genthin und der Landkreis Jerichower Land 2009 beteiligt worden. Der Tucheimer Ortsbürgermeister Jo- achim Böhl räumte am Dienstagabend ein, dass er 2009 nicht den Ortschafts- beziehungsweise Gemeinderat informiert habe. Die Tragweite des Fällens sei ihm aus den Unterlagen nicht ersichtlich geworden. Der Hinweis auf den Außenbereich und die Festlegung durch die Genehmigungsbehörden haben ihn damals in die Irre geführt.

"Eine Genehmigungsbehörde, die die Bürger nicht mitgenommen hat. Das ist ein kleines Stuttgart 21", sagte Stadtrat Lutz Nitz (Grüne). Er hatte dem Ausschuss vorgeschlagen, den Tucheimer Bürgern Rederecht zu erteilen.

Die Stadt Genthin hat nach Auskunft von Bauamtsleiterin Dagmar Turian inzwischen die Klärung der noch offenen Fragen eingefordert. Kann es Neuanpflanzungen geben, wenn auch keine Ersatzanpflanzungen vorgeschrieben sind? Als Neupflanzen sind beispielsweise Kopfweiden oder Erlen im Gespräch. Wird mit den gefällten Pappeln Geld verdient? Der Erlös müsste der Stadt zugutekommen, schließlich stehen die Pappeln größtenteils auf ihren Flächen. Lutz Nitz verlangte hier ebenfalls eine Klärung. "Über den Preis kann man nicht hinterher verhandeln", kritisierte Karl-Heinz Steinel (CDU), Stadtrat und Ortschaftsrat aus Tucheim. "Die Aktion darf nicht fortgesetzt werden!", forderte er. 240 Bäume und damit etwa die Hälfte seien schon gefällt worden. "Es muss neu gepflanzt werden!"

Die "rabiate Maßnahme" habe die Tucheimer erbost, sagte Wolf Lützow aus dem Fienerdorf. Er sprach zugleich die Bereitschaft der Bürger und Jägerschaft an, beim Nachpflanzen zu helfen.

"Die Großtrappen haben sich an keiner Pappel gestört. Gibt es eine Garantie, dass es in den nächsten Jahren mehr Großtrappen gibt?", fragte Naturfilmer Thomas Wöhling. Er erkundigte sich, ob es für die beim Fällen mitbeschädigten Bäume Ausgleichszahlungen gebe? Die Frage und das mitgelieferte Fotomaterial nahm Harry Czeke auf.

"Gibt es eine Garantie für mehr Großtrappen?"

"Genauso viele Bäume, wie dort standen, müssen da wieder hin", sagte der Ausschussvorsitzende. Ihm sei keine Fäll-aktion bekannt, bei der nicht automatisch Ersatzpflanzungen gefordert werden. Er schlug einen Vor-Ort-Termin mit Vertretern der zuständigen Behörden und dem Förderverein Großtrappenschutz vor. Das Treffen findet am 26. April um 17.30 Uhr in Königsrode statt. Von Dr. Astrid Sutor, Geschäftsführerin des Vereins, lag die Zusage zur Teilnahme schon vor.

Allerdings wies Dagmar Turian auch darauf hin, dass Pappeln - wie die im Fiener - mit 55 bis 60 Jahren ihren Endzustand erreicht haben. Die Stadt hätte aus Verkehrssicherungspflicht unter Umständen auf eigene Kosten tätig werden müssen.