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25 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe Ein- bis zweimal jährlich helfen Genthiner in Retschiza

Von Simone Pötschke 27.04.2011, 06:31

Die Katastrophe von Tschernobyl jährte sich gestern zum 25. Mal. Für den Elternkreis "Tschernobyl-Hilfe" Genthin ist bis auf den heutigen Tag Hilfe für die Unglücksregion an der Tagesordnung.

Genthin. Helmut Wilke aus Genthin blättert in einem großen Ordner, in dem zahllose Fotos und veröffentlichte Zeitungsbeiträge aufbewahrt werden. Sie dokumentieren das einzigartige Engagement, das der Elternkreis, seit seiner Gründung 2002, geleistet hat.

Gestern vor 25 Jahren ereignete sich in Tschernobyl der atomare GAU. Er hat viele Menschen, auch in Genthin und Umgebung, für das Leid der Betroffenen sensibilisiert. Quasi lebenslang hält dies für den Elternkreis an.

Helmut Wilke erzählt ausführlich und ambitioniert, wenn er von den vielen Hilfsaktionen des Elternkreises in Retschiza, einem Ort der Strahlenzone II, speziell für Kinder an zwei Internaten für taubstumme und schwerhörige Kinder berichtet.

Der Elternkreis war über verschiedene Kontakte auf diese Einrichtungen aufmerksam geworden und wich von der bisherigen Praxis, Bekleidung und Nahrungsmittel nach Retschiza zu bringen, bewusst ab. "Ich glaube heute, dass dies eine richtige Entscheidung war, Hilfe muss man in Bahnen bringen", sagt der Altenplathower.

16 humanitäre Einsätze hat der Elternkreis seit 2002 unmittelbar vor Ort geleistet. "Ohne Hilfe von außen", sagt Helmut Wilke in genauer Kenntnis der Situation in Retschiza, "würden viele Kinder in eine aussichtslose Zukunft entlassen werden."

Als die Mitglieder des Elternkreises Kontakt zur Spezialschule für taubstumme und schwerhörige Kinder in Retschiza aufnahmen, hatten nur zwölf von 120 Kindern ein eigenes Hörgerät. 2007, zwischenzeitlich hat es eine Zusammenführung mit einer weiteren Schule gegeben, waren alle 240 Schüler erfasst und größtenteils beidseitig mit Hörgeräten versorgt.

Hilfe aus Genthin ist in Retschiza dank der Mitglieder des Elternkreises fest etabliert. Jährlich starten die Genthiner ein- bis zweimal in Richtung Retschiza, um Hörgeräte anzupassen, zu reparieren oder auszutauschen. Der Elternkreis, dem mit dem Akustiker-Ehepaar Ralf Erik und Steffi Haase zwei Profis zur Seite stehen, hat Hilfe zur Selbsthilfe geleistet. "Inzwischen werden in den Schulen Audiogramme geschrieben und Abdrücke genommen", berichtet Helmut Wilke.

Das besondere Augenmerk des Elternkreises liegt inzwischen auch darauf, die Kinder in Retschiza recht früh zu erfassen.

Die Hilfe für Retschiza, das schildert Helmut Wilke, habe er stets aber auch als eine persönliche Bereicherung empfunden. Kontakte sind über Jahre gewachsen. Ein Ferienkind, das seit 1994 Gast seiner Familie gewesen war, ist im Alter von 27 Jahren an einem Tumor verstorben. "Jetzt stehen wir seiner Frau und seinen beiden Kindern zur Seite. Nikit und Diana sind elf und neun Jahre alt. Sie werden im Juli zwei Wochen bei Oma und Opa in Altenplathow zu Gast sein", berichtet Helmut Wilke.

Ein anderes Ferienkind, Oxana, hat inzwischen Architektur studiert, und wird im Juli nunmehr zum zweiten Mal, jetzt mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn, und ihrem Mann ihrer Genthinter Gastmutter Kerstin Brandt einen Gegenbesuch abstatten.