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Von Sitten und Gebräuchen zwischen Weihnachten und Silvester Am Heiligen Abend beginnen die 12 Heiligen Nächte

Von Klaus Börner 24.12.2011, 04:24

Genthin l Ältere Bürger werden durch Erzählungen ihrer Großeltern wissen, dass die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr als die 12 Heiligen Nächte mit viel Mummenschanz, abergläubischen Ritualen, Hexereien und besonderem Essen und Trinken sowie Feiern begangen wurden. Noch im vorigen Jahrhundert gedachte man mit vielen Sitten und Gebräuchen zu Weihnachten/Neujahr dieser geheimnisvollen Zeit. Einige dieser Bräuche sind uns bis heute bewusst oder unbewusst erhalten geblieben, auf die mit diesem Beitrag noch einmal hingewiesen werden soll.

Die 12 heiligen Nächte, die am 24. Dezember (Heiligabend) begannen und am 6. Januar (Dreikönigstag) enden, sind heidnischen Ursprungs und reichen in unserer Region bis in das sechste Jahrhundert vor Christi (Slawenzeit) zurück. Sie wurden damals auch als Wintersonnenwende gefeiert und sind auch als Rauhnächte bekannt. Infolge der Christianisierung im späten Mittelalter wurden sie mit dem christlichen Brauchtum vermischt. An Stelle der vorchristlichen überirdischen Götter trat die Geburt Christi. Das Geburtsdatum Christi war allerdings nicht genau bekannt. Erst im Jahre 354 setzte die römische Kirche den 25. Dezember für die Geburt Christi fest und ließ die Menschen die Geburt Christi mit ihren Symbolen, dem Sieg des Lichtes über die Finsternis, den Beginn eines neuen Jahres feiern. Man beobachtete schon damals, dass die höher steigende Sonne und die länger werdenden Tage eine Wende in den Witterungsbedingungen einleiten (Ende der Winterzeit). Es war zeitlich ein Sieg über die Dunkelheit. Nur eine Erklärung für den Witterungswandel hatten die Menschen damals nicht und glaubten an überirdische Kräfte, die nach ihren Vorstellungen in dieser Zeit durch die Lüfte jagten und Ausschau nach den Lebensgewohnheiten der Menschen hielten. Das war vor allem im norddeutschen Raum, wozu auch unsere Region gehörte, der Dämonengott Wodan, der mit seiner Gemahlin Freya und seinen Helferinnen durch die Lande zog und darauf achtete, dass die von ihm festgelegten Lebensgewohnheiten der Menschen eingehalten werden. In der Mark Brandenburg und dem Jerichower Land war es vor allem die sagenumworbene Frau Harke, die als Helferin die Götterrolle übernommen hatte, um den hiesigen Menschen den Segen für das neue Jahr zu spenden, aber auch Ausschau nach den fleißigen Menschen hielt, sie lobte oder tadelte.

Als Dämonenfrau ist Frau Harke mehrfach in Sagen, auf Honigkuchenmodeln sowie anderen Symbolen der Weihnachtszeit dokumentiert. Der nach ihr benannte Frau Harke-Berg bei Kamern, nördlich des Jerichower Landes (heute Landkreis Stendal), dokumentiert ihren Handlungsort im Jerichower Land, der in vielen Sagen und Geschichten nachgewiesen ist.

Über einzelne Sitten und Gebräuche im 19. Jahrhundert in den Zwölften haben uns die Ethnografen A. Kuhn (1840), W. Schwarz (1914) sowie W. Sens (1930) nach eigenen Befragungen informiert, über die aus Platzmangel nicht ausführlich berichtet werden kann. Nach ihren Schilderungen achtete beispielsweise der Landmann während dieser Zeit besonders auf das Wetter, denn jeder Tag in den Zwölften sollte in Bezug auf die Witterung einen Monat des folgenden Jahres entsprechen. Auch die Arbeit musste in diesen Tagen ruhen bzw. eingestellt werden. Vor allem durfte in dieser Zeit kein Rad in Bewegung sein. Das betraf vor allem die damals noch zahlreich arbeitenden Spinnerinnen in unserer Region. Ihre Spinnwocken mussten im alten Jahr abgesponnen sein, ansonsten wurden die Frauen und Mägde von Frau Harke hart bestraft.

Ferner verboten die Bräuche das Waschen und Aufhängen von Wäsche, wenn in der Familie niemand sterben sollte, denn jedes weiße Laken bedeutete ein Leichentuch. Auch in Bezug auf das Essen gab es Regeln, die zu beachten waren. So durfte man nicht alle Früchte vom alten Jahr essen. Das waren insbesondere Hülsenfrüchte, weil sonst danach Mensch und Tier erkrankten.

Als Nahrung wurde alles bevorzugt, was zu dieser Zeit noch grün war. Das war insbesondere der Grünkohl. Auch Rotkohl gehörte dazu, der die Gesundheit stärkte. Als Festtagsbraten kamen die bekannte Gans oder selbst gehaltene und geschlachtete Hasen auf den Tisch. Auch der Karpfen mit viel Rogen gehörte dazu, weil dieser den reichen Geldsegen in der Familie verkörpern sollte. Am Heiligabend und Silvesterabend gab es statt Bockwurst Heringsalat, da dieser zum Trinken anregen sollte. Als Getränk stand vor allem Rotwein auf dem Speiseplan, der Blut spenden sollte. "Der immergrüne Weihnachtsbaum sowie die hell leuchtenden Kerzen, die Symbole der Hoffnung, schmückten am Heiligabend alle Wohnungen der hiesigen Bewohner", so der Heimatforscher W. Sens.

Die Backwarenerzeugnisse zur Weihnachtszeit sollen viel Mohn enthalten, weil auch diese dann Geldreichtum symbolisieren.

Ein Volksbrauch im Jerichower Land war das Bleigießen sowie die Hexerei und die Wahrsagerei, die nach einem Bericht des Heimatforschers Walter Sens um 1930 in unserer Region noch relativ hoch war.

"Ganz unfreiwillig", so Sens, "wurde ich Zeuge einer betroffenen Bewohnerin in Tucheim, die nach einer Behandlung durch eine Wahrsagerin als verhext abgestempelt wurde, von der alle Krankheiten der Nachbarn und der Haustiere ausgingen.

Auch unsere Urgroßeltern liebten die Geselligkeit und verbrachten das Weihnachts- und Neujahrsfest in Gaststätten oder auf Tanzsälen, die früher gut besucht waren. Walter Sens, der vor über 80 Jahren in Tucheim an einer Silvesterveranstaltung teilgenommen hatte, berichtet 1930 folgendes: "Es war ein Silvesterball in idealer Form, der nur durch das nächtliche Geläut der Dorfkirche unterbrochen wurde und den wichtigsten Augenblick verkündete, denn danach stiegen alle auf die Stühle und Tische und sprangen symbolisch in das neue Jahr. Danach stießen die Burschen mit ihren Mädchen sowie anderen Dorfbewohnern ebenfalls auf das neue Jahr an.

Im Anschluss ging es im Galopp, vermummt und tutend durch die Straßen." Am Neujahrstag wurden Verwandte und Bekannte besucht und Glückwünsche zum Jahreswechsel überbracht, ein Brauch, der noch heute praktiziert wird. Heute ist am Silvesterabend einzig ein pyrotechnisches Spektakel von Bedeutung. Nur wenige wissen, dass mit dem Feuerwerk und lautem Knall früher die bösen Geister des alten Jahres vertrieben und der Beginn des neuen Jahres symbolisiert werden sollte.