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24 Stunden in Halberstadt / Norbert Schneevoigt stellt die Halberstädter Volksstimme zu Täglich 80 Kilometer mit dem Rad auf Tour

Von Sabine Scholz 26.06.2013, 03:21

"24 Stunden Halberstadt" zeigt 24 spannende Geschichten aus der Domstadt. Über 40 000 Menschen leben, arbeiten, spielen und lernen hier. Die Volksstimme begleitet einige von ihnen. Folge 21: von 3 bis 4 Uhr mit einem Zeitungszusteller unterwegs.

Halberstadt l Die Stadt schläft noch. Hinter einigen Fenstern flackert bläulich-fahles Fernseherlicht, aus einem Kinderzimmer ist das Nachtlicht zu sehen. Ein Marder hastet über die Straße, eine Katze springt über einen Zaun. Norbert Schneevoigt tritt in die Pedale. Eben hat er sein Fahrrad mit den festmontierten Körben für die erste Tour des Tages beladen. Vom Abladepunkt in der Südstraße geht es in die Harzstraße. Seit vier Jahren ist der 57-Jährige nun als Zusteller tätig, auch die Halberstädter Volksstimme trägt er aus, bei Wind und Wetter, bei Schnee und Regen, bei Eis und Sturm. "Regen ist das Schlimmste", sagt er, "wenn es so richtig pladdert, das ist furchtbar. Ansonsten macht mir das Wetter nichts aus." Bei Regen wird oft auch die Zeitung nass, allen Imprägnierversuchen und Plastikfolien zum Trotz - man muss die Taschen und Folien ja aufmachen, um die Zeitung in die Briefkästen und Röhren zu stecken.

Dass die Rotkehlchen den nahenden Tag ankündigen, nimmt er kaum wahr. Konzentriert macht er seine Arbeit, greift in die Körbe, steckt die Briefe in die Kästen. Einer ist so voll, da kann er nicht zustellen. Bei anderen fehlen die Namen - auch diese Briefe gehen retour. "Ich kann doch nicht wissen, wer in den Häusern hier wohnt", sagt er. Aus dem Effeff spult er ab, wo es langgeht in Runde eins: "Harzstraße, Minslebener und Langensteiner Straße, Johannistor, Justus-von-Liebig-Siedlung, Nachbars Wiesenweg, Derenburger Straße, Silstedter Straße, Wernigeröder Straße, Wasserturm, Sperlingsberg, Bergstraße." Anderthalb Stunden etwa dauert die Runde per Fahrrad, zu Fuß wäre er drei Stunden unterwegs, sagt er.

An manchen Grundstücken kann er auf dem Rad sitzen bleiben, bei anderen muss er absteigen, um an die Kästen und Röhren zu kommen. Zum Glück bricht langsam die Dämmerung an, es ist sehr dunkel auf den Wegen, kaum eine Straßenlampe erhellt die teilweise sehr huckligen, unebenen Wege. Heute stehen keine Pfützen auf den Straßen, behindert kein Schnee die Zustellung. Im Winter sind die Grundstückszufahrten oft nicht geräumt, dann muss er durch den Schnee stapfen. Besonders aber ärgert ihn, wenn Abholtermin für die Gelben Säcke ist und manche Anwohner ihre Säcke ordentlich über den Zaun hängen - genau über den Briefkasten. "Da fängt man dann an zu wühlen. Rücksicht ist wohl nicht mehr gefragt heute, denn selbst auf die Hinweiszettel von uns wird nicht reagiert - beim nächsten Abholtermin hängen die Säcke exakt wieder überm Briefkasten. Und wie das so ist, ausgerechnet dann ist immer Post zuzustellen", sagt der Halberstädter.

In einer der Straßen wartet schon eine ältere Frau. "Oma Duda", sagt er. Egal, wie spät es wird, sie wartet. Ein kleinen Schwätzchen, einen guten Gruß gibt es immer. Nur das Mini-Schnapsfläschchen, das er manchmal angeboten bekommt, lehnt er ab. Beim Schwätzchen ist kurz Zeit für ein Rauchpause, dann geht es weiter. An endlosen Zäunen entlang. "An manchen Tagen warten einige Kunden schon ungeduldig, weil sie die Zeitung mit auf die Arbeit nehmen wollen. Aber nicht immer kann ich so früh sein wie heute", sagt er, "manchmal verzögert sich die Anlieferung, dann kommen wir nicht vor halb vier los." Zustellfrist ist bis 6 Uhr, am Sonnabend bis 6.30 Uhr. Aber die Anwohner haben sich an den zeitigen Liefertermin gewöhnt.

Der Himmel hat sich inzwischen ganz zugezogen, ein kalter Wind pfeift durch die Straßen. Die Vögel haben ihr Morgenkonzert begonnen, er muss weiter. Wenn er seine Runde fertig hat, macht er Vertretungsrunden für kranke Kollegen oder solche, die im Urlaub sind. Seit elf Wochen ist er in den Straßen Über der Schlagmühle und Im Wassergrund unterwegs, an der Braunschweiger Straße, oft auch am Bahnhof. "80 Kilometer sind es im Schnitt jeden Tag, die ich mit dem Rad unterwegs bin", sagt er, packt die nächste Volksstimme in einen Briefkasten und radelt in den heller werdenden Morgen, um seine Kisten für Runde 2 zu füllen.

Morgen lesen Sie Folge 22 der Serie "24 Stunden in Halberstadt": von 4 bis 5 Uhr bei der Halberstädter Bäcker und Konditoren GmbH.