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Großes Interesse am Besuch des elektronischen Stellwerkes Halberstadt "Kommandanten des Bahnhofs" über die Schulter geschaut

Von Gerald Eggert 24.07.2013, 01:10

"Bahnland Sachsen-Anhalt": Die DB öffnet im Sommer 2013 die Türen zu Instandhaltungswerken, Stellwerken oder Großbaustellen. Zweimal haben Wissbegierige in Halberstadt die Chance genutzt, einen Blick in das Elektronische Stellwerk zu werfen.

Halberstadt l "Die Gelegenheit, eine solch moderne Anlage anzuschauen, bekommt man nicht alle Tage", begründet Olaf Wiedenbach seinen Besuch im elektronischen Stellwerk. Der technisch interessierte Halberstädter, der noch von Hand betriebene Anlagen kennt, wollte wissen, mit welcher Technik Fahrdienstleiter heute den Zugverkehr steuern. "Ich bin beeindruckt, habe viel gesehen, Neues erfahren und alle Fragen beantwortet bekommen", sagt er nach fast drei Stunden und steht mit seinen positiven Eindrücken und dem Lob für die Experten von der Deutschen Bahn nicht allein.

Auf diesem Gebiet habe sich eine enorme Entwicklung vollzogen, staunt Sabine Wetzel aus Berlin. Sie hatte während ihres Urlaubs in Halberstadt von dem Termin erfahren. "Ich habe bei der Eisenbahn gelernt, im RAW und auf einem Stellwerk gearbeitet und mich dann weiter qualifiziert", erzählt sie. "Da wollte ich unbedingt einmal hinter die Kulissen schauen." Was sie gesehen und erfahren habe, sei mit dem von früher nicht zu vergleichen.

"Ich bin beeindruckt, habe viel gesehen, Neues erfahren und alle Fragen beantwortet bekommen."

Olaf Wiedenbach, Besucher

Doch nicht nur die Frauen und Männer, Jugendlichen und Kinder waren begeistert. "Ich bin erstaunt über das enorme Interesse", empfing Jürgen Helling die Besucher am Spätnachmittag. Wie schon beim ersten Termin hieß er über 30 ehemalige Eisenbahner, Eisenbahnfreunde, technisch Interessierte und andere Wissbegierige, die eine solche ihnen normalerweise verschlossene Anlage sehen wollten, willkommen. Mit dieser Resonanz habe niemand gerechnet, betont der Leiter des Regionalnetzes Elbe-Saale (RN ESA).

In mehreren kleinen Gruppen führten Rene Lemm, Bezirksleiter Betrieb, und Wolfgang Hauschke, 1. Bezirksleiter Leit- und Sicherungstechnik, die Wissbegierigen durch das Stellwerk, wo sie die Arbeitsplätze der Fahrdienstleiter und den Technikraum zu sehen und nach detaillierten Erklärungen sehr viele Fragen beantwortet bekamen.

Im elektronischen Stellwerk, das im Zuge des Ausbaus der Strecke Halle - Vienenburg - Hannover und der Anpassung der Infrastruktur des Halberstädter Hauptbahnhofes an die neuen Verkehrsbedürfnisse im Jahr 2007 in Betrieb genommen wurde, sind 18 Mitarbeiter beschäftigt. Im Schichtdienst steuern je drei Fahrdienstleiter hier den Zugverkehr.

Die "Kommandanten des Bahnhofes" sorgen rund um die Uhr für einen pünktlichen, reibungslosen und sicheren Ablauf des Personen- und Gütertransports im Schienenverkehr auf den Streckenabschnitten Halberstadt- Wernigerode - Ilsenburg - Vienenburg, sowie zwischen Güsten und Schönebeck-Salzelmen. Ihnen obliegt eigenverantwortlich die Zulassung der Zugfahrten. Ohne ihre Zustimmung darf keine Fahrt stattfinden.

Die verantwortungsvolle Tätigkeit der Fahrdienstleiter findet so wie in Halberstadt meist im Verborgenen statt und wird daher in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Sie ist im weitesten Sinne mit der Arbeit von Fluglotsen vergleichbar. Es sei kein Job mit Routine, hieß es, jeden Moment müssen sich die Mitarbeiter auf eine neue Situation einstellen. Bei Störungen und kleinen Ausfällen sorgen sie für die Aufrechterhaltung des Zugbetriebes. Technische Einrichtungen sorgen dafür, dass das Stellwerk autark arbeiten kann.

Die von Jürgen Helling betreute Gruppe besuchte auf eigenen Wunsch den Bahnhof und wurde von ihm mit der modernen Signal- und Sicherungstechnik vertraut gemacht.

Mit dem Ausbau der Strecke zwischen Halberstadt, Vienenburg und Güsten - Schönebeck/ Salzelmen wurden 27 zumeist mechanische Stellwerke überflüssig, die noch aus "Kaisers Zeiten" stammten. Statt ihrer stellen nun Computer die insgesamt 59 Weichen und 162 Signale auf dem Abschnitt. Doch nicht überall erfolgt die Steuerung über elektronischen Stellwerke wie in Halberstadt und Sandersleben. Es gebe durchaus noch Mitarbeiter, die alte und neue Technik beherrschen müssen. Doch auch in diesem Bereich sei der Wandel unaufhaltsam.

"Der enorme Zuspruch in Halberstadt könnte Anlass sein, wieder einmal einzuladen."

Jürgen Helling, Leiter Regionalnetz

Auf die Zukunft des alten Stellwerkes im Schatten der neuen Wehrstedter Brücke angesprochen, entgegnete Helling, dass am unter Denkmalschutz stehenden Gebäude schon sehr deutliche Spuren des Verfalls sichtbar sind und es möglich sein könnte, dass es irgendwann eine Genehmigung zum Abriss geben wird.

Während der fast dreistündigen Führungen und Gespräche wurde aber nicht nur über Stellwerke sowie Signal- und Sicherungstechnik gesprochen. Zur Debatte standen neben der Geschichte der Eisenbahn in der Region und Investitionsvorhaben der DB AG im Ostharznetz unter anderem DB-Geschäftsfelder und Verantwortlichkeiten bis hin zur Berufsausbildung.

Die Idee von Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG für Sachsen-Anhalt, Türen zu öffnen und Eisenbahninteressierten Einblicke in die faszinierenden Abläufe der verschiedenen Standorte zu ermöglichen, kam nicht nur bei den Bürgern gut an. "Der enorme Zuspruch in Halberstadt könnte Anlass sein, wieder einmal einzuladen. Ein Besuch von Schülern im elektronischen Stellwerk wäre eine gute Möglichkeit, junge Leute zu interessieren und mit der Berufsausbildung bei der DB vertraut zu machen", sagt Jürgen Helling und denkt in die Zukunft.