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Hitzige Debatte im Osterwiecker Hauptausschuss über das Sparprogramm der Stadt Beim Geld hört die Freundschaft auf

Von Mario Heinicke 19.02.2014, 02:21

Von ihrem Ziel, den Haushaltsplan Anfang März im Stadtrat zu beschließen, muss sich Osterwiecks Bürgermeisterin Ingeborg Wagenführ (Buko) verabschieden. Der Haupt- und Finanzausschuss versagte ihr die Zustimmung zum Sparprogramm.

Stadt Osterwieck l "Die Atmosphäre ist unheimlich gereizt", stellte Dirk Heinemann (SPD) am Ende der fast dreistündigen Sitzung des elfköpfigen Gremiums fest und appellierte, die teils heftigen Äußerungen zuvor "nicht alle persönlich zu nehmen". Erster Höhepunkt dessen war, als die Bürgermeisterin dem Abgeordneten Ulrich Köhler (Aktiv für Rhoden) vorwarf: "Sie sehen in unserer Arbeit nur das Böse, das Schlechte." Köhler wertete das als "Beleidigung". Gipfel der Sitzung war aber später ein Streit zwischen Köhler und Bauamtsleiter Detlef Schönfeld, nach dem der Rhodener wutschnaubend um ein Haar den Saal verlassen hätte.

Die Stadt Osterwieck ist seit ihrer Gründung 2010 quasi ein Pflegefall. Ihre Ausgaben sind weit höher als die Einnahmen. Auch 2014 wird das wieder so sein. Kämmerin Kristin Kaaden bezifferte den Fehlbetrag auf 1,74 Millionen Euro. Ohne ein Konsolidierungskonzept, das den Weg aus der Finanzmisere aufweist, würde der Haushaltsplan von der Kommunalaufsicht zurückgewiesen. Mit der Folge, dass nicht mal die wenigen Investitionen , die es noch gibt, möglich wären. "Unser Ziel ist es, einen Haushalt vorzulegen, der vom Landkreis akzeptiert wird", erklärte Bürgermeisterin Wagenführ, die auch Vorsitzende des Hauptausschusses ist.

18 Punkte umfasst das von der Stadtverwaltung erarbeitete Sparpapier für 2014:

1. Stellenabbau im Rathaus

Vorgegebenes Ziel für den Personalbestand im Rathaus sind drei Vollbeschäftigte je 1000 Einwohner. 2014 hat die Stadtverwaltung die Vorgabe erfüllt, erreicht einen Wert von 2,9.

2. Stellenabbau im Bauhof

Sorgenkind bleibt der Bauhof. 18 Mitarbeiter stehen dort zu Buche. Ob es wie gefordert weniger werden, hängt nach Aussage der Bürgermeisterin von der geplanten Änderung des Bundesgesetzes zum früheren Renteneintritt ab. Demgegenüber soll das Personal in der Gebäudeverwaltung von neun auf fünf Leute sinken.

3. Feuerwehr

Bevor zur Feuerwehr Ziele und Zahlen festgelegt werden, erfolgt eine Risikoanalyse durch einen externen Gutachter. Kämmerin Kaaden sprach von der Möglichkeit, dass im Ergebnis eventuell Wehren zusammengelegt werden könnten. "Das schlagen Sie sich aus dem Kopf, das geht gar nicht", entgegnete Friedrich Neuhaus (CDU), der lange Wehrleiter in Osterode war. "Das können wir aber nicht ausschließen", betonte Hauptamtsleiter Manfred Riecher. "Dann hören aber die Kameraden auf", befürchtet Wolfgang Göschl (WG Lüttgenrode-Stötterlingen). "In fünf Jahren haben wir dann in unseren Orten gar nichts mehr, das ist eine schlimme Situation." "Der Landkreis verlangt von uns die Risikoanalyse", erklärte Wagenführ.

4. Heimatpflege

Dieses Jahr sollen keinerlei finanzielle Vereinszuschüsse mehr gewährt werden. "Das ist nicht schön, das können sie mir glauben", sagte die Bürgermeisterin. Für Blumensträuße zu Geburtstagen oder Jubiläen soll es aber weiter einen Fonds geben.

5. Dorfgemeinschaftshäuser

Die Nutzungsgebühren für die Dorfgemeinschaftshäuser sollen verdoppelt werden. Dieser Punkt stieß auf heftigen Widerstand im Ausschuss. "Wir haben von Ihnen den Auftrag erhalten, Vorschläge zu unterbreiten", verteidigte sich Wagenführ. "Wir haben nichts zu verschenken." Allerdings zeigte sich, dass es eine Reihe Sonderfälle gibt. Neuhaus betonte, dass in Osterode jeder Nutzer das zahle, was er an Energie verbraucht. "Viele Dorfgemeinschaftshäuser haben aber Zähler mit Mehrfachnutzung oder gar keine Zähler", erklärte die Bürgermeisterin.

"Ich finde das unmöglich, das geht über die Hutschnur", meinte Göschl. "Wer kann es sich denn dann noch leisten, einen Saal zu mieten?" Hauptamtsleiter Riecher erläuterte, dass es nur eine Verdoppelung der Grundgebühr geben solle, die Erhöhung also nicht so drastisch wie befürchtet ausfalle. Er erinnerte daran, dass es gerade diese freiwilligen Leistungen im Haushalt seien, zu deren Senkung die Stadt aufgefordert wurde. "Ich bin doch der Letzte, der etwas nicht gönnt. Aber wir leisten uns Dinge, die wir nicht bezahlen können."

6. Bibliothek

Ab diesem Jahr sollen in der Osterwiecker Stadt- und Schulbibliothek Leihgebühren von einmal jährlich 15 Euro eingeführt werden. "Das wird in anderen Städten auch gemacht", berichtete Wagenführ. "Damit werden die neuen Bücher finanziert."

7. Freibäder

Die Freibäder in Rohrsheim und Zilly werden ab diesem Jahr von Vereinen betrieben. Doch wird im Ergebnis der Sitzung auch über die Zukunft des Hessener Bades nachgedacht. "Ein Bad reicht für die Stadt, das muss ich ganz prinzipiell sagen", erklärte Wolfgang Englert (WG Deersheim). Das Argument der Bürgermeisterin, dass das Bad in Hessen für die Grundschule wichtig sei, fand kein Gehör. Die Grundschule Bühne habe auch kein Bad im Ort.

8. Sportlerheime

Die Vereine sollen 2015 beginnend weniger Geld von der Stadt zur Bewirtschaftung der Sportlerheime erhalten. "Dann muss man vorher erstmal alle auf ein gleiches Niveau bringen", forderte Köhler. "Wer jetzt viel ausgibt, bekommt mehr als der, der schon vorher gespart hat." Wagenführ betonte, dass es sich nicht um die Sportstätten handele, sondern um die Räume, in denen man sich nach dem Training auf ein Bier trifft. "Im Huy wird das schon seit Jahren nicht mehr von der Gemeinde bezuschusst", erklärte Riecher. "Ich bin glücklich, dass wir kein Sportlerheim besitzen", meinte Uwe Reuer (CDU) als Vorsitzender des Sportvereins Eintracht Osterwieck.

9. Kindertagesstätten

Um auf einen Hort-Neubau in Osterwieck verzichten zu können und gleichzeitig die Kitas besser auszulasten, ist es vorgesehen, die Hortkinder in den Kitas ihrer Wohnorte zu betreuen.

10. Friedhöfe

Die Friedhofsgebühren sollen ab 2014 kostendeckend kalkuliert werden. Derzeit wird die Satzung dafür überarbeitet.

11. Gewerbesteuer

Voriges Jahr noch ausgesetzt, soll nun die Gewerbesteuer auf den Hebesatz von 350 Prozent steigen. Ausnahme ist Osterwieck, wo die seit zwei Jahrzehnten gültigen 400 Prozent bleiben. Uwe Reuer regte an, den Betrag einheitlich gleich für alle Orte auf 400 Prozent anzuheben. "Unsere Mittelständler mussten sich auch darauf einstellen. Gleiches Recht für alle." Köhler entgegnete einmal mehr, dass nach dem Einheitsgemeindevertrag bis 2019 eine Steuererhöhung überhaupt nicht möglich wäre. "Wenn dagegen mal einer klagt, bricht alles zusammen." Göschl, selbst Unternehmer, erinnerte daran, dass Lüttgenrode früher mit 300 Prozent Hebesatz zurechtgekommen sei.

12. Niederschlagswasser

In elf Ortsteilen werden für 2014 Gebühren erhoben, in weiteren sieben Ortsteilen erfolgt die Neukalkulation.

13. Straßenbeleuchtung

Schritt für Schritt wird die Straßenbeleuchtung in den Orten auf energiesparende Leuchtmittel umgerüstet. 2013 erfolgte das in Rohrsheim, 2014 wird Zilly folgen.

14. Grabenumlage

Jährlich 190 000 Euro muss die Stadt für die Unterhaltung der Wassergräben an zwei Verbände zahlen. 150 000 Euro will sich die Stadt von den Eigentümern von Äckern, Wald und Wohngrundstücken zurückholen.

15. Entschuldung

Acht Darlehen kommen dieses Jahr innerhalb des Entschuldungsprogramms Stark II zum Tragen. Aktuell hat die Stadt einen Schuldenstand von 14,4 Millionen Euro. Fügt man aber die Kassenkredite zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit hinzu, sind es 23,3 Millionen Euro, was einer Verschuldung von 1990 Euro je Einwohner entspricht.

16. Mandatsreduzierung

Nach den Kommunalwahlen werden ab Sommer einige Ortschaftsräte weniger Mitglieder haben, was Aufwandsentschädigungen spart.

17. Vermarktung von Baugrundstücken

Mit einer professionellen Vermarktung von Baugrundstücken in Deersheim, Dardesheim und Hessen könnten 100 000 Euro Erträge erzielt werden.

18. Energieeffiziente Vorhaben

Brachte der Einbau eines hoch geförderten Blockheizkraftwerkes in die Kita Deersheim eine große Kostenersparnis, wird das für 2014 durch den Bau einer Nahwärmeleitung zur Wasserburg Zilly erwartet.

"Jedes Jahr reden wir uns die Köpfe heiß", stellte Thomas Seltmann (Pro Zilly) fest und schlug vor, jedem Ortsteil ein Budget für seine Ausgaben zu geben. "Dann schlagen wir Pflöcke ein für Geld, das wir nicht haben", entgegnete Hauptamtsleiter Riecher. "2019 läuft der Länderfinanzausgleich aus, dann kommen noch schlimmere Zeiten auf uns zu."

Ulrich Köhler sah keine Eile, den Haushalt noch vor den Kommunalwahlen zu verabschieden. Durch das Sparprogramm würden nur Betriebe und Bürger belastet, schätzte er ein. "Wir sind ein Erhöhungs-Rat." Letztendlich einigte man sich auf eine weitere Sitzung am 13. März. Bis dahin will die Stadtverwaltung ihre Vorschläge überarbeiten.

Aber auch wenn diese alle greifen würden, ist in Sachen Stadtfinanzen noch lange kein Land in Sicht.