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Die Deutsche Bahn öffnet ihr elektronisches Stellwerk in der Domstadt für Besucher Halberstadt stellt die Weichen

Von Jörn Wegner 30.08.2014, 03:14

Unauffällig sind die Gebäude am Rande des Halberstädter Bahnhofs. Doch hinter ihren Mauern verbirgt sich das Herzstück der Bahntechnik in und um Halberstadt. Vom dortigen elektronischen Stellwerk aus werden die Weichen und Signale in der Region gesteuert.

Halberstadt l Eisenbahn-Stellwerke thronten einst in turmartigen Gebäuden über den Gleisanlagen. Dort bedienten uniformierte Beamte Schalter und schwere Hebel, mit denen sie Signale und Weichen für die ein- und ausfahrenden Züge stellten.

In Halberstadt, wie in den meisten heutigen Stellwerken, sind diese Zeiten Geschichte. Am Mittwochabend haben Mitarbeiter der Deutschen Bahn Besucher durch das Stellwerk am Halberstädter Hauptbahnhof geführt. Statt an Hebeln und Schaltern sitzen dort die Fahrdienstleiter vor Bildschirmen, auf denen farbige Linien, Zahlen und Symbole blinken. Die Schaltung der Weichen und Signale erfolgt weitgehend automatisch. Wo früher Hebel umgelegt werden mussten, erledigen das heute elektronische Signalgeber, die beim Überfahren durch einen Zug aktiviert werden, oder der Mausklick des Fahrdienstleiters.

Von Halberstadt aus werden Gleise, Signale und Weichen zwischen Vienenburg und Staßfurt gesteuert. Drei Mitarbeiter überwachen vor ihren Monitoren das in drei Abschnitte eingeteilte Gebiet. Sie geben den Zugführern die Fahrerlaubnis, überprüfen, ob die Züge korrekt einen Gleisabschnitt durchfahren haben und versuchen bei Verspätungen den Bahnverkehr wieder in den Fahrplan einzutakten. "Ein vierter Arbeitsplatz ist geplant", sagt Uwe Meyer, der Bezirksleiter für den Betrieb der DB Regio. Auf diesem soll die Strecke zwischen Halberstadt und Magdeburg überwacht werden. Noch manuell gestellte Strecken, wie der Abzweig nach Blankenburg, werden nicht von Halberstadt aus gesteuert.

Dass der Bahnverkehr heute elektronisch gesteuert wird, habe viele Vorteile. "Wenn alles planmäßig läuft, kann der Fahrdienstleiter nichts mehr falsch machen", sagt Uwe Meyer. Bei Störungen würde die Technik reagieren und notfalls sogar den gesamten Zugverkehr zum Erliegen bringen. Nach dem Zugunfall bei Hordorf, bei dem 2011 nach einem Zusammenstoß eines Personen- mit einem Güterzug zehn Menschen starben, seien auch die Nebenstrecken mit sogenannten PZB-Magneten ausgestattet worden. Diese "Punktförmige Zugbeeinflussung" ist in der Lage, Züge zwangsweise zu bremsen, wenn sie zu schnell sind oder Haltesignale überfahren haben.

"Wenn ein Kabel geklaut wird, ist alles tot."

Uwe Meyer, Betriebs-Bezirksleiter

Große Probleme habe den Eisenbahnern lange Zeit der Kabeldiebstahl bereitet, sagt Meyer. "Wenn ein Kabel geklaut wird, ist alles tot." Entfernt ein Dieb nur das Teilstück eines Kupferkabels, wirkt sich diese Unterbrechung auf das gesamte Netz im Bereich aus und legt es lahm. Seit die Kabel allerdings mit künstlicher DNA markiert werden, die in der Lage ist, die Täter eindeutig zu überführen, und die Polizei Hubschrauber mit Nachtsichtgeräten gegen die Diebe einsetzt, seien die Diebstähle merklich zurückgegangen, so Meyer.

Die Rechner der modernen Stellwerke werden vom Steuerungsraum aus mit Daten versorgt. Während im Dienstraum der Fahrdienstleiter Ruhe herrscht und nur die farbigen Gleispläne blinken, dröhnen im Steuerungsraum die Großrechner. "Hier steht alles unter Strom", sagt Wolfgang Hauschke. Der Diplom-Ingenieur für Eisenbahnsicherheitstechnik hat sein Reich zwischen mannshohen Schränken, in denen die Daten von Weichen und Signalen, von Schranken und Bahnhöfen zusammenlaufen. Ein Zentralrechner verarbeitet die Informationen und gibt sie an die Fahrdienstleiter nebenan weiter. "Jeder Rechner hat einen redundanten Rechner", erklärt Hauschke. Im Falle einer Störung ersetzt dieser den Hauptrechner. Im Wechsel werden Haupt- und Nebenrechner betrieben, damit ihre Funktionsfähigkeit jederzeit überprüft werden kann.

An einer Wand des Steuerungsraumes stapeln sich um die hundert Batterien. Sie sollen bei einem Stromausfall die Sekunden bis zum Anlaufen des Notstromaggregats überbrücken, erklärt Hauschke. Überhaupt verbraucht das Stellwerk sehr viel Energie. Allein die Wärme, die die Großrechner erzeugen ist so stark, dass sie dauerhaft von einer Klimaanlage gekühlt werden müssen. "Zuhause möchte ich das nicht betreiben, ich wäre wohl in kürzester Zeit bankrott", sagt Hauschke.

"Wir suchen händeringend Auszubildende."

Uwe Meyer, Betriebs-Bezirksleiter

Wenn die Räume des Stellwerks auch mit modernster Technik vollgestopft sind, die Suche nach Personal gestaltet sich schwierig, sagt Uwe Meyer. "Wir suchen händeringend Auszubildende." Die würden hauptsächlich an mechanischen Stellwerken ausgebildet werden. Mittlerweile gehört aber eine Zusatzqualifikation für elektronische Stellwerke zum Standard. Wer über diese verfüge, habe sehr gute Karriereaussichten, so Meyer.