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Unbekannte entwenden Planierraupe und richten großen Schaden an Vandalen verwüsten KZ-Gedenkstätte

Nach dem Anschlag auf die KZ-Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge laufen die Ermittlungen der Staatsschutzabteilung im Polizeirevier Harz auf Hochtouren. Die Ermittler sehen nach den Verwüstungen mit einer gestohlenen Planierraupe zunächst keinen rechtsgerichteten Hintergrund. Nicht nur vor Ort ist das Entsetzen groß.

Von Dennis Lotzmann und Jörg Endries 10.12.2014, 01:17

Halberstadt/Langenstein l Es gibt Momente, in denen die normale Tagesordnung in den Hintergrund rückt. Am gestrigen Dienstag war ein solcher Augenblick. Als Landrat Martin Skiebe von den wilden Zerstörungen in der KZ-Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge erfuhr, griff der CDU-Politiker spontan zum Telefon. "Ich bin erschüttert und verurteile diese Tat an diesem Ort aufs Schärfste." Eine Reaktion, mit der Skiebe nicht allein steht. Auch Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) zeigte sich angesichts der nächtlichen Verwüstungen am Stolleneingang in den Thekenbergen schockiert.

"Völlig losgelöst von der Frage, ob der Tat eine politische Motivation zugrunde liegt oder ob es sich um blanken Vandalismus handelt, ist es in höchster Form eine Verachtung der Opfer des Nationalsozialismus, die in der Stollenanlage großes Leid erfahren mussten. Gleichzeitig ist es ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die sich in der Gedenkstätte um eine angemessene und verantwortungsvolle Kultur des Mahnens und Erinnerns bemühen", sagte der Linkspolitiker.

Entsetzen auch bei der Gedenkstätten-Stiftung des Landes, dem Träger der KZ-Gedenkstätte. "Wir sind schockiert und müssen nun sehen, wie wir die immensen Schäden möglichst rasch beseitigen", so Stiftungssprecher Frank Stucke. Zuvor müssten aber die polizeilichen Ermittlungen abgewartet werden. Und dabei, so Stucke, gehe es auch um die Frage, ob die Tat vor einem rechtsradikalen Hintergrund zu sehen sei.

Davon gingen die Ermittler der Staatsschutzabteilung im Harzrevier bislang jedoch nicht aus, sagte Polizeisprecherin Beatrix Mertens. "Wir ermitteln in alle Richtungen - bislang sprechen alle Erkenntnisse aber eher für Vandalismus." Weil jedoch eine politisch motivierte Tat nicht ausgeschlossen sei, liege der Fall bei den Staatsschützern.

Die Tat selbst scheint beispiellos: In der Nacht zum Dienstag haben die Täter die zwischen Langenstein und Halberstadt abgestellte Planierraupe aufgebrochen und in Betrieb gesetzt. Anschließend fuhren sie laut Polizei rund 1,5 Kilometer über ein Feld zum Stolleneingang der KZ-Gedenkstätte. Auf dem eingezäunten Weg zum Mundloch in den Thekenbergen und unmittelbar vor dem Stolleneingang hinterließen sie eine Spur der Verwüstung.

Die Täter walzten mit der Raupe auf schätzungsweise 500 Metern Zaunfelder nieder und beschädigten das Areal am Eingangsportal. Selbst das massive Stahltor zum rund 120 Meter langen Stollen wurde beschädigt - in den eigentlichen Stollen drangen die Täter jedoch offenbar nicht vor. Überraschenderweise wurden allerdings weder die ausgestellte historische Lore noch die Hinweistafeln, mit denen das Leiden der KZ-Häftlinge dokumentiert wird, zerstört. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Täter tatsächlich ohne rechtsgerichteten Hintergrund agierten.

Die Polizei bezifferte den Sachschaden auf mindestens 50 000 Euro. Eine Summe, die kaum reichen dürfte, denn die gestohlene Raupe wurde nach der Gewaltorgie auf dem Gedenkstättengelände auf einem nahen Feld in Brand gesetzt, um Spuren zu vernichten. Die Feuerwehren aus Langenstein und Halberstadt mussten mit insgesamt zwölf Einsatzkräften ran, um das Feuer zu löschen.

"Ich kann den Schaden bislang nur ganz grob schätzen", sagte Andreas Ebert von Stratie-Bau aus Blankenburg. Das Unternehmen verlegt gegenwärtig zwischen Langenstein und Ströbeck eine neue Trinkwasserleitung. "Den Restwert der Raupe, die noch voll funktionstüchtig war, kann ich kaum beziffern - neu ist so ein Gerät aber nicht unter 150 000 Euro zu haben", so Ebert. Und damit nicht genug: Ende voriger Woche setzten Unbekannte auch die Grabenfräse des beauftragten Subunternehmers in Brand. "Hier dürften mindestens 200 000 Euro zerstört worden sein", schätzt Stratie-Chef Ebert.

Wegen jenes zweiten Brandanschlages ziehen die Ermittler wiederum Parallelen: Es sei denkbar, dass die Täter, die zwischen Donnerstag und Freitag an jener Grabenfräse zuschlugen, mit der sie auch in der Nacht zum Dienstag aktiv waren.

Andreas Ebert indes ist - ungeachtet des aktuellen Falls - einfach nur noch frustriert über die Diebstahlserie auf den Baustellen. "Wir haben in diesem Jahr zwei Radlader im Wert von 40 000 Euro verloren und jetzt die Raupe. Ich weiß nicht, wo das noch enden soll. Wir können nun mal leider nicht alle Maschinen über Nacht von den Baustellen holen", so der Unternehmer. "Und der Diebstahl von Kleintechnik und Diesel ist schon fast ein Regelvorfall, bei denen die Ermittlungen nach wenigen Wochen ohne Ergebnis eingestellt werden."

Hinweise an die Polizei bitte unter Telefon (0 39 41) 67 41 93