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Interessengemeinschaft Weihnachtsmarkt macht öffentlich Front gegen Vergabeentscheidung Neue Töne im Adventsmarkt-Streit

Von Dennis Lotzmann 02.01.2015, 02:21

Der Streit um die Zukunft und die Gestaltung des Weihnachtsmarktes in Halberstadt geht weiter. Jetzt macht eine "Interessengemeinschaft Halberstädter Weihnachtsmarkt" per Zeitungsinserat mobil, um die erfolgte Vergabeentscheidung zu korrigieren. Das Echo ist geteilt.

Halberstadt l Das Bild ist deutlich, die Botschaft klar, das Ziel eindeutig: Mit einem Zeitungsinserat sind am Silvestertag die Vertreter einer "Interessengemeinschaft Halberstädter Weihnachtsmarkt" (IG) in die Öffentlichkeit getreten. Per Annonce und einem plakativ in Szene gesetzten Foto kritisieren sie die drohende Leere des Holzmarktes bei den Weihnachtsmärkten der Jahre 2015 bis 2019, sollte die Stadt an der getroffenen Vergabeentscheidung festhalten. Das Ziel der Übung, mit der Einwohner aufgerufen werden, ihren Protest per E-Mail direkt bei Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) zu formulieren, ist klar: Die Akteure wollen Druck aufbauen, um jene im Kulturausschuss getroffene Vergabeentscheidung zu korrigieren.

Ob dieses Ziel realistisch ist, bleibt abzuwarten. Ausschusschef Jürgen Jüling (Die Linke) zeigte sich am Silvestertag wenig amüsiert über die Aktion und will sich keineswegs treiben lassen: "Zum Zeitungsinserat werde ich mich nicht äußern, ich springe nicht über jeden Stock. Im Übrigen bleibt es dabei: Wir werden im Februar den Weihnachtsmarkt 2014 auswerten und in aller Ruhe entscheiden, wie wir weiter vorgehen."

Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke), der, wie er sagte, ohne sein Wissen zum Adressaten der Proteste werden soll, nahm die Sache derweil sportlich: "Ich finde es gut, wenn sich die Betroffenen artikulieren. Die Stadtentwicklung lebt davon, dass sich die Leute mit ihrer Meinung einbringen."

Um die ungewöhnlich anmutende Aktion einzuordnen, ist ein Blick auf die handelnden Akteure und deren Motivation ebenso wichtig wie auf die aktuelle Entwicklung auf kommunaler Ebene: Im Kulturausschuss ist mit Blick auf das Auslaufen des bisherigen Betreibervertrages mit der Coex GmbH aus Cottbus zum Jahresende 2014 im Oktober über die Vergabe der Marktgestaltung ab 2015 entschieden worden. Dabei gingen drei Interessenten ins Rennen: Der bisherige Betreiber Coex, Veranstalter Andreas Richter, der eng mit Coex zusammenarbeitet, und Jens Ganso aus Halberstadt mit seiner Veranstaltungs-Com GmbH. Ganso, der vor Jahren schon mal in Halberstadt den Hut aufgehabt hatte, machte das Rennen.

Dass er sich aufgrund der Vergabeentscheidung bei den Mitbewerbern nicht nur Freunde machte, ist ein Aspekt. Hinzu kam Gansos Ankündigung, sich ab 2015 auf den Fischmarkt und den Bereich zwischen Rathaus und Rathauspassagen zu konzentrieren und den Holzmarkt künftig auszusparen. Diese Ankündigung wiederum veranlasste Noch-Betreiber Coex schon 2014, überraschend von bislang zwei Plätzen auf einen Marktplatz zu reduzieren und damit für allgemeine Verstimmung zu sorgen.

Am Ende kam es beim Adventsmarkt 2014 zum Eklat, weil es Ganso als künftiger Betreiber vorzog, seine zwei Stände wegen, wie er sagte, schlechter Umsätze eine Woche vor dem regulären Ende abzubauen. Nun wiederum macht besagte Interessengemeinschaft, an der nach eigenen Worten unter anderem Andreas Richter mitwirkt, massiv Front gegen die Vergabeentscheidung zugunsten von Jens Ganso.

Gegenüber der Volksstimme bemühte sich Richter, den Eindruck persönlicher Verquickungen entgegenzutreten: "Hier geht es nicht um mich persönlich, sondern um den Wunsch von Gewerbetreibenden und Händlern, beim Weihnachtsmarkt sowohl Holzmarkt als auch Fischmarkt zu bespielen." Das sei primär, seine bisherigen Bemühungen, als Marktbetreiber selbst den Zuschlag zu bekommen, zweitrangig, versicherte er.

Richtig sei, dass er aktuell an der Gründung jener Interessengemeinschaft mitwirke. Bislang gebe es fünf Gründungsmitglieder - neben Firmen auch Händler. Er selbst sei kein Mitglied und wolle sein künftiges persönliches Engagement auch davon abhängig machen, wohin beim Weihnachtsmarkt die Reise gehe, so Richter zur Volksstimme.

Das wiederum darf wohl als Indiz dafür gewertet werden, dass sich Richter persönlich Hoffnungen macht, sollten Ausschuss oder Stadtrat die zugunsten von Jens Ganso getroffene Vergabeentscheidung, wie nun gefordert, korrigieren.

Bestärkt sehen sich die Akteure der IG Weihnachtsmarkt mit einer Unterschriftenliste, die Händler der Rathauspassagen im Spätsommer zusammentrugen. Zwischen 30. August und 8. September haben sich nach Angaben von Andreas Richter und Markthändler Mario Zinnecker "1000 Bürger der Stadt" und "30 Gewerbetreibende" per Unterschrift für "den Erhalt und die ordentliche Bespielung eines Weihnachtsmarktes im Stadtzentrum, Holz- und Fischmarkt" stark gemacht.

Fakt ist: Die Liste existiert, ob es tatsächlich 1000 Unterschriften sind, ist offen. Rund um die Liste selbst gibt es jedoch einige Fragen und Unklarheiten.

So war deren Existenz lange Zeit öffentlich nicht bekannt. Erst im Dezember sprachen Richter und Zinnecker gegenüber der Volksstimme erstmals davon. Andreas Richter hat sie nach eigenen Angaben in der Vergabesitzung des Kulturausschusses im Oktober an Ausschusschef Jürgen Jüling übergeben: "Ich habe die Liste Herrn Jüling in die Hand gedrückt", so Richter am Silvestertag. Jüling wiederum weiß davon nichts: "Ich kenne diese Unterschriftensammlung nicht." OB Andreas Henke indes kann sich durchaus daran erinnern.

Ganz gleich, welche Wege die Liste genommen hat - mittlerweile ist sie wohl wieder bei den Initiatoren - sieht Jüling nach wie vor keinen Grund für Hektik: "Wir werden in der Ausschusssitzung am 18. Februar den jüngsten Weihnachtsmarkt auswerten und auch die Kritik thematisieren." Sicherlich würden dann - nichtöffentlich - auch Beteiligte wie Jens Ganso zu Wort kommen. "Das wird aber kein Volkstribunal", so Jüling.

Wohin die Reise anschließend gehe und ob die Vergabe an Jens Ganso womöglich noch mal korrigiert wird, sei absolut offen, so der Linkspolitiker. "Ich will den Entscheidungen der Ausschussmitglieder nicht vorweg greifen." Er persönlich sei von Gansos Konzept nach wie vor überzeugt.

Nach Volksstimme-Informationen läuft verwaltungsintern aber wohl schon eine rechtliche Prüfung, inwieweit die Vergabe zugunsten von Ganso noch korrigierbar ist. Auch OB Andreas Henke hatte zuletzt dafür plädiert, die Vergabe angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Weihnachtsmarkt 2014 noch einmal im Ausschuss zu thematisieren. Und: Es gibt zwar die mit sechs zu einer Stimme zugunsten von Ganso beschlossene Vergabe - Henke hat den Vertrag mit Ganso aber bislang noch nicht unterzeichnet.