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Unbekannter beschimpft Simone Schuldt und will ihre Kandidatur zur Bürgermeisterwahl verhindern Anonymes Schriftstück erregt Gemüter

Von Christian Besecke 03.01.2015, 02:14

Wenige Wochen vor der Bürgermeisterwahl in Schwanebeck droht eine Schlammschlacht: In einem anonymen Schreiben wird Simone Schuldt, Kandidatin aus Nienhagen, wüst beschimpft. Auf drastische Weise wird ihr von der Kandidatur abgeraten. Schuldt hat bei der Polizei Strafanzeige gegen unbekannt erstattet.

Nienhagen/Schwanebeck l Wüste Beschimpfungen, die unter die Gürtellinie gehen, und Unterstellungen, die selbst vor der Familie nicht Halt machen: Damit wartet ein anonym verfasster Brief auf, den Simone Schuldt am 31. Dezember gegen 15.30 Uhr in ihrer Post gefunden hat. Ein Schreiber, der selbst nicht den Mut hat, zu seinen mit zahlreichen Rechtschreibfehlern gespickten Sätzen zu stehen, teilt aus. Der unbekannte Schreiber lässt sich in seinen Zeilen über Schuldts Person aus und stellt Vermutungen über ihre Fähigkeiten als eventuelle ehrenamtliche Bürgermeisterin der Stadt Schwanebeck an. Letztendlich mutmaßt er gar über ihren Intelligenzquotienten (IQ) und schiebt persönliche Beleidigungen nach (das Schreiben liegt der Redaktion vollständig vor).

Der erste Schreck hält bei der Nienhagenerin, die seit Sommer 2014 als parteilose Kommunalpolitikerin im Stadtrat Schwanebeck sitzt, nicht lange an. Schuldt, die es gewohnt ist, für ihre Überzeugungen und Visionen zu kämpfen, beschließt, das Schriftstück der Polizei vorzulegen. "Am gestrigen Freitag bin ich zur Polizei nach Halberstadt gefahren und habe Anzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede gegen Unbekannt gestellt", berichtet Schuldt im Gespräch mit der Volksstimme. Sie ist empört. "Mit einem persönlichen verbalen Angriff kann ich leben. Aber am Ende auch meinen Sohn da mit hineinzuziehen, das finde ich a absolut ungehörig", sagt sie.

Erst kürzlich hat die Nienhagenerin ihre Einzelkandidatur für die Bürgermeisterwahl am 22. März öffentlich publik gemacht (die Volksstimme berichtete). "Dieses Machwerk ist garantiert eine Reaktion darauf", ist sie überzeugt. Die Art und Weise habe sie erschreckt. "Wenn es schon jemanden gibt, der mir diese Worte sagen will, dann sollte er den Mut haben, das persönlich zu erledigen oder zumindest seine Zeilen zu unterschreiben", findet sie.

Über den Passus mit dem vermeintlich zu geringen IQ kann sie - auch wegen der vielen Rechtschreibfehler des anonymen Schreibers - eigentlich nur lächeln. Schließlich habe sie eine Berufsausbildung mit Abitur vorzuweisen und zu DDR-Zeiten jeweils ein Ökonomie- und ein Baufachstudium begonnen. "Später habe ich als Feierabendstudium Qualitätsmanagement abgeschlossen und ein Jahr lang in den Abschluss für die Pflegedienstleitung investiert", zählt Simone Schuldt auf. "Da ist dieses Geschreibsel eine bodenlose Frechheit."

Auch ihr Hobby, das in den vergangenen Jahren mit viel Engagement aufgebaute Puppenmuseum, wird mit Häme überschüttet. Die Nienhagenerin weist mit dem Finger auf eine Projektstudie zur Straße der Romanik, in der ihr Puppenmuseum gelistet ist, und schüttelt fassungslos den Kopf.

Schwanebecker Stadträte erklären sich solidarisch

Simone Schuldt ist mit ihrer Empörung nicht allein. Der anonyme Schreiber hat sich auf die Bürgermeisterwahl am 22. März bezogen. Das wiederum bringt Stadträte von Schwanebeck auf die Palme. Fraktionsübergreifend erklären sie der Volksstimme gegenüber ihre Solidarität mit Stadtrats-Kollegin Schuldt.

Lutz Gnade (CDU): "Das hat mit Demokratie und freier Meinungsäußerung nichts zu tun. Jeder Bürger hat das Recht, bei einer Bürgermeisterwahl zu kandidieren. Entscheidend ist das Votum der Wähler. Das Schreiben ist keine Diskussionsgrundlage und in einem Ton verfasst, der sich einfach nicht gehört. So etwas gehört geradewegs in den Papierkorb."

Petra Hein (Die Linke) sieht das ebenso: "Man muss vor dem, was Familie Schuldt schon geleistet hat, den Hut ziehen. Das Puppenmuseum bereichert das kulturelle Angebot in unserer Region. Dafür sollte man der Familie dankbar sein."

Auch Klaus Friedrich Günther (Freie Wähler Nienhagen) äußert sein Missfallen: "Wenn jemand etwas zu sagen hat, dann sollte er es öffentlich tun, damit eine faire Diskussion entstehen kann. Im vorigen Jahr gab es einen ähnlichen Fall von Diffamierung in Nienhagen. Simone Schuldt hat richtig reagiert, indem sie diesen Fall jetzt sofort zu Anzeige gebracht hat."

CDU-Bürgermeisterkandidat Benno Liebner meldet sich sogar aus dem Urlaub zu Wort: "Dieser anonyme Angriff geht überhaupt nicht. Die Vorwürfe sind weit unter der Gürtellinie. Man muss schon staunen, was der Schreiber so alles wissen will. Aber wer weiß, was mich erwartet, wenn ich heute meinen Postkasten öffne."

Schwanebecks Bürgermeisterin Christina Brehmer (Die Linke) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Simone Schuldt blickt derweil schon wieder nach vorn: "Ich habe viele Ideen, will unsere Stadt mitgestalten und ziehe meine Kandidatur ganz sicher nicht zurück."