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Ampelabschaltung in Halberstadt Abteilungsleiter zeigt Stadtrat an

Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung Halberstadt hat einen Abgeordneten
des Stadtrates wegen Beleidigung angezeigt. Auslöser ist die Diskussion
um die Abschaltung einer Fußgängerampel in der Kühlinger Straße. Der
Abgeordnete forderte, den Auditbericht eines Verkehrsexperten als
Entscheidungsgrundlage mit zu nutzen - nicht nur die Einschätzung des
Abteilungsleiters Straßen- und Tiefbau.

Von Jörg Endries 21.01.2015, 02:06

Halberstadt l Die heftige Debatte zwischen Stadtverwaltung und Stadtrat Halberstadt um das Für und Wider der Abschaltung einer Fußgänger-Ampel in der Kühlinger Straße in der Kreisstadt hat womöglich ein rechtliches Nachspiel. Während einer Tagung des Ordnungsausschusses des Stadtrates war es zwischen Manfred Wegener, Abteilungsleiter Straßen- und Tiefbau der Stadtverwaltung, und Stadtrat Jens Rehmann (ÖDP) zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. Manfred Wegener hat den Abgeordneten jetzt wegen Beleidigung angezeigt.

Was war geschehen? Für die ÖDP-Stadtratsfraktion ist der Abbau der Ampel in der Kühlinger Straße vor etwa drei Jahren ein Schnellschuss, bei dem die Sicherheitsaspekte der Fußgänger nur ungenügend berücksichtigt worden seien, kritisierte Jens Rehmann während der Ordnungsausschuss-Tagung im Oktober vergangenen Jahres. Die Fraktion fühlte sich nach dem tödlichen Unfall einer 89-jährigen Frau, die nach der Ampeldemontage am Übergang in der Kühlinger Straße von einem Pkw angefahren worden war, bestätigt. Daraufhin forderte die ÖDP, dass die Verwaltung auf Grundlage eines Fachgutachtens Lösungsmöglichkeiten für eine sichere FußgängerQuerung erarbeiten soll.

Manfred Wegener sagte, dass die Verkehrsbelastung in der Kühlinger Straße mit etwa 10 000 Fahrzeugen am Tag einen Ampelaufbau nicht rechtfertigen würde. Auch Beobachtungen der Polizei würden dies bestätigen.

Darauf Jens Rehmann: "Wir haben ausdrücklich gefordert, die Meinung von den im Antrag benannten Fachleuten einzuholen. Sie, Herr Wegener, zähle ich nicht dazu." Der ÖDP-Stadtrat forderte, den vorliegenden Auditbericht des zertifizierten Verkehrsexperten Michael Wendt als Entscheidungsgrundlage zu nutzen. Für Jens Rehmann eine "ganz normale Kritik", für den Verwaltungsangestellten scheinbar eine Ohrfeige, für die er Konsequenzen fordert.

"Mich traf es wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als ich vor einigen Tagen von der Polizei eine Vorladung erhalten habe", war Jens Rehmann über die Anzeige erstaunt. Das sei das erste Mal, dass ein Angestellter der Stadtverwaltung Halberstadt einen Abgeordneten angezeigt hat, weil er anderer Meinung ist und die Verwaltung kritisiert. Jens Rehmann: "Ich habe niemanden beleidigt, sondern meine Meinung gesagt, und diese ist nun einmal eine andere als die von Herrn Wegener. Außerdem habe ich nur festgestellt, dass Herr Wegener kein Verkehrssicherheitsexperte ist. Dafür gibt es vom Land berufene Fachleute." Rehmann versteht nicht, warum Wegeners Dienstherr, Halberstadts Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke), die Anzeige nicht verhindert hat.

Auf Volksstimme-Nachfrage bestätigt Andreas Henke, von der Beleidigungs-Anzeige Kenntnis zu haben. Er fügt hinzu, diese "nicht unterstützt" zu haben. "Da es sich hier um eine privatrechtliche Angelegenheit eines Mitarbeiters handelt und nicht um eine Anzeige der Stadt Halberstadt, werde ich dies nicht öffentlich kommentieren", sagt der Verwaltungschef.

In Auswertung der Ausschusssitzung habe es ein Schlichtungsgespräch gegeben. Andreas Henke zum Ergebnis: "Der Konflikt zwischen beiden konnte nicht gelöst werden." Auf die Frage, was für ein Signal von der Anzeige ausgehen soll, sagte der Oberbürgermeister: "Das muss man Herrn Wegener fragen." Der Abteilungsleiter wollte sich dazu gegenüber der Volksstimme jedoch nicht äußern.

Jens Rehmann befürchtet nun, dass von dieser Anzeige ein fatales Zeichen ausgehen könnte. "Will man den Abgeordneten einen Maulkorb verpassen, wenn sie eine andere Meinung als die Verwaltung vertreten?"

"Selbstverständlich nicht!", entgegnet der Oberbürgermeister. "Das ist nicht das Niveau, auf dem Stadtrat und Verwaltung kommunizieren sollten. Dennoch sollte unterschieden werden zwischen Kritik in der Sache, die immer hilfreich ist, und Wertung einer Person und ihrer Leistung. Da ist subjektives Empfingen nicht immer dienlich."

Unklar ist, wie die Staatsanwaltschaft mit der Anzeige verfahren wird. Bisher liege sie dort noch nicht auf dem Tisch, wie Oberstaatsanwältin Eva Vogel gestern sagte. Für Rehmann steht fest: "Ich werde mich nicht öffentlich bei Herrn Wegener entschuldigen. Dazu besteht kein Anlass."