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Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt seit 20 Jahren Ort der Bildung und Begegnung Kleines Haus mit großer Geschichte

Von Sabine Scholz 28.02.2015, 02:27

Was mit einem kleinen Büro im Baudezernat begann, hat sich inzwischen zu einer angesehenen Bildungs-, Begegnungs- und Forschungsstätte entwickelt. Die Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt besitzt mittlerweile internationales Renommee.

Halberstadt l "Das haben wir zum Gutteil unserem Museumskaffee Hirsch zu verdanken." Jutta Dick lacht. "Aber", sagt die Direktorin der Moses-Mendelssohn-Akademie (MMA), "es ist wirklich so. Dass die Summer School der Universtät Bordeaux und des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden Hamburg in Halberstadt stattfindet, hat mit unserem Museumskaffee zu tun." Denn bislang, so Dick, fanden die Sommertreffen von Studierenden aus unterschiedlichsten Länder in Sofia oder im Jüdischen Museum Hohenems statt. Doch diesmal geht es Ende August für die rund 20 Studierenden und ihre Lehrer weder nach Bulgarien noch nach Österreich. "Hier ist die Intensität des Miteinanders von Lehrern und Studenten höher, da auch gemeinsam gegessen werden kann." Dass das Haus gute Arbeitsbedingungen bietet und Halberstadt eine wichtige Rolle in der Geschichte der deutschen Juden spielte, war bei der Entscheidung für die Harzkreisstadt natürlich auch maßgeblich.

Als die MMA am 1. März 1995 ihre Arbeit begann, bestand die Akademie aus einem kleinen Büro im Baudezernat der Stadtverwaltung Halberstadt, einem Telefon, Briefbögen und einer abenteuerlustigen Architekturliebhaberin und Literaturwissenschaftlerin aus Essen. Inzwischen sind die Pläne der Moses-Mendelssohn-Stiftung umgesetzt, einst von der jüdischen Gemeinde genutzte Gebäude zu erwerben, zu sanieren und als Ort der Begegnung und Bildung auszubauen.

Lehrerfortbildungen, Vorträge, Schulprojekte, internationale Begegnungen - all das ist inzwischen Alltag in der MMA, die seit November 1998 ihren Sitz im Rosenwinkel 18, der einstigen Klaussynagoge, hat. Das im 18. Jahrhundert als Rabbinerseminar errichtete Haus gehört zu einem ganzen Gebäudekomplex. Neben der Klaussynagoge gehören das einstige Mikwenhaus und das ehemalige Kantorenhaus zu den von der Stiftung erworbenen Gebäuden.

Im Mikwenhaus ist 2001 das Berend-Lehmann-Museum für jüdische Geschichte und Kultur eröffnet worden. "So ein Museum war ursprünglich nicht geplant. "Oft haben wir in Schubladen und Schränken gekramt, um Dinge herauszuholen und zu zeigen. Da lag es nahe, einen Ort zu schaffen, wo man diese Gegenstände dauerhaft präsentieren kann", berichtete Dick.

Dabei hatten die Akteure hier das gleiche Problem wie alle jüdischen Museen. "Wir sind nicht aus einer Sammlung heraus entstanden, sondern haben den Auftrag, das Sammeln zu beginnen, Gegenstände zu retten. So ist zum Beispiel während der NS-Zeit die komplette Innenausstattung der prachtvollen Barocksynagoge in Halberstadt verschwunden. Wir haben kein einziges Objekt davon." Um so dankbarer sei man, dass Aaron Hirsch "uns so viel Vertrauen entgegenbracht und wertvolle Stücke als Dauerleihgabe zur Verfügung" gestellt habe. Bei diesen Sammlungsstücken zeigt sich auch, dass es der Akademie gelungen ist, die 2., 3. und 4. Generation ehemaliger Halberstädter Juden mit einzubinden. "Der Sohn Aaron Hirschs hat sich bereiterklärt, den Leihvertrag mit uns fortzuführen", sagt Dick.

Austausch und Bildung

Die Akademie hält engen Kontakt zu den einstigen Halberstädtern, einen Kontakt, den schon zu frühen DDR-Zeiten Werner Hartmann und Pfarrer Dr. Martin Gabriel geknüpft hatten und auf denen man aufbauen konnte. "Der Verein zur Bewahrung des jüdischen Erbes in Halberstadt hat wichtige Grundlagen geschaffen", sagt Dick.

Inzwischen hat die Akademie ein sogenanntes Enkel-projekt auf den Weg gebracht. Hierbei begegnen sich junge Deutsche und junge Israelis oder Nachfahren ehemaliger Halberstädter aus den USA und Deutschland. So geht der Austausch des Landesgymnasiums für Musik in Wernigerode mit der Akademie für Musik und Tanz im israelischen Mevazeret Zion auf dieses Projekt der MMA zurück.

Eine neue Entwicklung sei, dass inzwischen das Haus mehr und mehr vom jüdischen Publikum beachtet und genutzt werde. "Die Anfangsidee war ja, dass wir uns an das nichtjüdische Publikum wenden, aufklären, Wissen vermitteln und wegkommen von der allein auf die Verfolgung und den Holocaust fokussierten Wahrnehmung der Geschichte deutscher Juden." Entstanden seien gute Kontakte zu den orthodoxen Juden, die die Namenswahl für die Akademie kristiert hatten. War Moses Mendelssohn doch ein Aufklärer, ein Mitbegründer des Reformjudentums. "Mittlerweile sind auch die Orthodoxen sehr einverstanden damit, wie wir hier arbeiten." So hatte jüngst Landesrabbiner Meir Roberg bei seinem Besuch in Halberstadt seine Begleiter gefragt, warum man hier in Halberstadt nicht mehr mache und angeregt, dass junge Gemeindemitglieder die Harzer Kreisstadt besuchen. "Damit gehe man an den Ursprung zurück und trage ein bisschen dazu bei, den Gründungsgedanken zu bewahren. Berend Lehmann hatte bei der Gründung der Klaus "einen Ort der Bildung auf ewig" im Sinn.