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Käthe-Kollwitz-Gymnasium besucht am Theatertag das Anhaltische Theater Dessau Satirische Abrechnung mit Landeskulturpolitik

Von Gerald Eggert 14.03.2015, 01:18

Seit 1992 gehört der Theatertag zu den jährlichen Höhepunkten am Käthe-Kollwitz-Gymnasium. Im Wechsel werden das Nordharzer Städtebundtheater und Spielstätten großer Städte besucht. 700 Schülerinnen und Schüler sahen im Anhaltischen Theater Dessau "The Beggar´s Opera / Polly".

Halberstadt l Ein Besuch in Dessau lohnt sich. Denn die drittgrößte Stadt Sachsen-Anhalts hat einiges zu bieten. Sehenswertes, Hörenswertes, Erlebenswertes. Auf dem Programm der Halberstädter Schüler standen deshalb gruppenweise Besuche im Umweltbundesamt, im Museum für Stadtgeschichte, im Schloss Mosigkau und im Bauhaus sowie in den nahegelegenen Meisterhäusern. Einige Schüler und ihre erwachsenen Begleiter nahmen an einer Führung durch das Anhaltische Theater teil, wohin ihnen am Nachmittag alle Gruppen folgten.

Auf Besichtigungstour durch das Bauhaus, dem Wahrzeichen der Stadt und UNESCO-Weltkulturerbe, waren vor allem Schülerinnen und Schüler aus den 12. Klassen unterwegs. Beim Rundgang durch die 1926 nach Plänen von Walter Gropius errichteten Gebäude zur Nutzung als Kunst-, Design- und Architekturschule erfuhren sie viel über die Idee des Bauhauses und dessen Geschichte sowie über die einstigen und heutigen Nutzer. Außerdem bekamen sie an Beispielen Produktdesign und Architektur erläutert und besichtigten sonst nicht zugängliche, historische Räume, darunter Aula und Mensa, den historischen Gymnastikraum, das ehemalige Direktorenzimmer und ein früheres Studentenzimmer.

Zum Schluss widmeten sich die jungen Besucher den in der Nähe von Walter Gropius als Unterkunft für die Meister des Bauhauses errichteten Meisterhäuser. In jenem Doppelhaus, das früher László Moholy-Nagy und Lyonel Feininger bewohnten, bekamen sie einen Einblick in die Wohn- und Arbeitswelt der bekannten Bauhausmeister.

Intendant begrüsst Publikum persönlich

Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des gemeinsamen Theaterbesuches. Für Intendanten André Bücker, der das Publikum herzlich willkommen hieß, sind die Theatertage des Gymnasiums nicht unbekannt. War er doch 2005 bis 2008 Intendant des Nordharzer Städtebundtheaters und einer der Gründungssprecher des Kulturrates Halberstadt. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist er Generalintendant am Anhaltischen Theater in Dessau. Das Stück, welches die Halberstädter als letzte Aufführung zu sehen bekamen, war die von ihm inszenierte "The Beggar´s Opera/Polly". Dafür ernteten er und seine Theatertruppe seit der Premiere im Februar 2014 viel Beifall und Zustimmung vom Publikum, von Theaterbesuchern und Theatermachern weit über Dessaus Stadtgrenzen hinaus. Dafür bekam Bücker aber auch kritische Worte zu hören und reichlich Politikerschelte aus Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. Letztendlich wurde seine Stelle neu ausgeschrieben, er bewarb sich nicht und wird Dessau verlassen.

Warum, das sollten die Besucher in den folgenden Stunden erleben. Bücker als ein scharfer Kritiker der Kürzungen im Kulturbereich in Sachsen-Anhalt, hat nämlich in seiner Fassung der 1728 uraufgeführten The Beggar`s Opera" von John Gay und Christoph Pepusch, welche Kurt Weill und Bertolt Brecht 200 Jahre später als Grundlage für ihre Dreigroschenoper" diente, die aktuelle Spar- und sogenannte Kulturpolitik des Landes verarbeitet, Dabei bekamen er und Dramaturg Andreas Hillger textlich sogar beste Vorlagen von den Politikern geliefert. Viele Passagen basieren auf Originalaussagen der Entscheidungsträger bei Land und Kommune.

Schauspiel, Ballett und Puppentheater erhalten

Die Umsetzung ist sehr gelungen. Während die Erwachsenen und die älteren Schüler sehr gut Verbindungen zwischen dem Geschehen auf der Bühne und der Wirklichkeit herstellen konnten, fiel das den jüngeren sicher nicht so leicht. Doch sie genossen dafür die mehr als dreistündige Schauspielerei als solche, die nach der Pause in "Polly" mit einem farbenfrohen Kostümrausch, "schiffbrüchigen Mädchen", Piraten und Indianern sowie personenreichen Aktionen alle begeisterte.

Inzwischen haben einige Künstler dem Theater den Rücken gekehrt, für die letzte Aufführung kamen sie extra als Gäste zurück auf die Bühne.

Schauspiel, Ballett und Puppentheater werden nun doch nicht abgewickelt, das Mehrspartentheater bleibt erhalten. "Meine Kollegen vor, auf und hinter der Bühne haben nicht nur deutlich gemacht, dass wir für dieses Theater einstehen und die Stadt auf dieses Theater nicht verzichten kann", hatte Schauspieler Gerald Fiedler am Beginn der Vorstellung gesagt, "wir haben auf zehn Prozent unserer Gage verzichtet. Wir werden zwar weniger, aber wir verschwinden nicht." So hat sich zuletzt der Kampf André Bückers und der Einsatz aller Theatermitarbeiter gelohnt.