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Politiker über Wahlbeteiligungen 25 Jahre nach letzter DDR-Kommunalwahl: Politiker diskutieren über Wähler

"Von der Demo zur Demokratie" lautete der Titel eines Podiumgesprächs
am gestrigen Mittwoch in der Hochschule Harz. Geladen waren
Kommunalpolitiker und Wissenschaftler, die sich mit der Frage
beschäftigen sollten, wie es 25 Jahre nach den ersten und letzten freien
Kommunalwahlen in der DDR mit der Demokratie bestellt ist.

Von Jörn Wegner 07.05.2015, 03:21

Halberstadt l Uhrzeit der Veranstaltung und die zahlreichen schweren Limousinen vor dem Hochschulgebäude machten deutlich, an wen sich die Debatte offenbar richtete. Um 10.30 Uhr vormittags dürfte der durchschnittliche berufstätige Harzer keine Chance gehabt haben, der Diskussion beizuwohnen, warum gerade er immer seltener zur Kommunalwahl geht. Umso mehr Kommunal- und Landespolitiker hatten sich allerdings eingefunden, die dafür sorgten, dass der Vorlesungssaal wenigstens zu einem Viertel gefüllt war.

Grußworte leiteten die Veranstaltung ein. Hier blieb Armin Willingmann, Rektor der Hochschule Harz und SPD-Stadtrat in Wernigerode, im Gedächtnis. Zwei Drittel der Harzer Hochschulabsolventen würden in der Verwaltung in Sachsen-Anhalt angestellt, sagte er. Nach drei Jahren sei allerdings nur noch ein Bruchteil übrig, der Rest habe sich in andere Bundesländer aufgemacht. Willingmann kritisierte in diesem Zusammenhang die Anwerbeprogramme des Landes. "Warum halten wir nicht diejenigen, die schon hier sind?", fragte er in die Runde der anwesenden Politiker und erntete höflichen Applaus.

Sozialwissenschaftler Christian Rademacher brachte das Licht der Statistik ins Dunkel der Entwicklung der Wahlen nach 1990. Die neue DDR-Wahlordnung, die zum Beispiel das Bündeln und Aufteilen von Stimmen erlaubte, sei ein Vorbild in Sachen Demokratie für die alten Länder gewesen, sagte Rademacher. Und trotzdem sei die Beteiligungsquote bei Kommunalwahlen im Osten von 75 Prozent 1990 auf die heutigen niedrigen Werte eingebrochen.

Und nun komme auch noch eine "Finanz- und Schuldenkrise der Kommunen" hinzu. Doch nicht nur beim Wählen hielten sich die Ostdeutschen zurück, sondern auch in der aktiven Politik: Nur 5,5 Prozent der Sachsen-Anhalter seien regelmäßig politisch aktiv, sagte Rademacher.

Das folgende Podium der Kommunalpolitiker ließ Fragestellungen, die aus solchen Daten entstehen, aus. Demokratie bedeutet Teilnahme an Wahlen, so ließe sich der Tenor zusammenfassen. Annette Sprung-Scheffler, Dozentin für Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Harz, wolle junge Menschen dazu bringen, dass Wählen selbstverständlich werde.

Christian Rademacher versuchte einige Tipps in die Diskussion einzubringen, etwa Wahlen mit Volksfesten zu verbinden und das Wort "Wahllokal" wörtlich zu nehmen und in Cafés und Kneipen wählen zu lassen. Diese wie ein Einwurf aus dem Publikum zum Thema Online-Wahlen in Estland, blieben wenig beachtet. Auch, dass eine funktionierende Demokratie mehr bieten müsste, als regelmäßig zur Wahl zu gehen, blieb genauso unbeachtet wie die Zahlen von Christian Brachmann, wonach politische Parteien kaum noch auf Vertrauen in der Bevölkerung zählen können.

Die Diskussion endete mit einem Empfang in den Fluren der Hochschule.