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Briefaffäre Vorfall in Wernigerode plötzlich ein Versehen

Kommen Oberbürgermeister Peter Gaffert und die Spitze im Wernigeröder Rathaus in der Briefaffäre mit einem blauen Auge davon? In einem Treffen mit den Fraktionschefs wurden am Mittwochabend versöhnliche Worte angeschlagen.

14.05.2015, 09:49

Wernigerode (dl/ru) l Wie war es wirklich mit dem Brief, der aus der Einwohnerschaft an die bündnisgrüne Stadträtin und Fraktionschefin Sabine Wetzel gerichtet war und im Wernigeröder Rathaus geöffnet worden ist? Nach seiner Rückkehr aus dem Auslandsurlaub hat sich jetzt Haupt- und Rechtsamtsleiter Rüdiger Dorff zu Wort gemeldet. Und Dorff überrascht mit Details, die die Vorgänge in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Demnach sei es keineswegs "gängige und seit Jahren gelebte Praxis" gewesen, Briefe an Stadtratsfraktionen zu öffnen, wie bislang von Rathaussprecher Andreas Meling gegenüber der Volksstimme und von Sozialdezernent Andreas Heinrich im Stadtrat dargestellt worden ist. Im Gegenteil: "Briefe und Post an Stadträte und Fraktionen mit persönlichem Charakter werden üblicherweise ungeöffnet weitergeleitet", versicherte Rüdiger Dorff am Mittwochabend auf Anfrage.

Schadensbegrenzung im Rathaus Wernigerode

Bei dem Schreiben an Sabine Wetzel habe es sich um ein Versehen gehandelt. "Um ein bedauerliches Versehen, für das wir uns bei Frau Wetzel nur entschuldigen können und das auch getan haben", so Dorff nach einer Beratung mit den Fraktionschefs und Oberbürgermeister Peter Gaffert.

In der vom parteilosen Stadtoberhaupt kurzfristig anberaumten Zusammenkunft ging es nach Volksstimme-Informationen vor allem um Schadensbegrenzung. Zum einen in der Briefaffäre, die in Wernigerode die Gemüter beschäftigt. Und zum anderen um Gafferts Vergangenheit als Wehrdienstleistender. Und es ging in beiden Fällen um Informationen, um die Ratsfraktionen aus Verwaltungssicht ins Bild zu setzen.

Nachdem der Brief mit Informationen zu Gafferts Wehrdienstzeit aufgetaucht war, hatte der Kommunalpolitiker am vergangenen Freitag gegenüber der Volksstimme eingeräumt, seinen dreijährigen Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment "Feliks Dzierzynski absolviert zu haben. Er habe dabei von 1979 bis 1982 die Bezirksverwaltung der Staatssicherheit in Halle bewacht. Darüber hinaus habe es keine weiteren Kontakte zur Staatssicherheit gegeben, versichert Gaffert. "Danach bin ich in den Wald gegangen." Später habe er Forstwirtschaft studiert.

Gaffert soll Erklärung abgeben

Tatsächlich gibt es bislang keine Hinweise auf eine weitergehende Verstrickung mit dem DDR-Geheimdienst. Um so mehr wird Gafferts jahrelange Geheimniskrämerei um diese drei Jahre Wehrdienst vielerorts mit Verwunderung registriert. Wenn wirklich nicht mehr war, sollte und müsse man dazu öffentlich stehen, so der Tenor in der Runde mit den Fraktionschefs. Und das erwarten die Stadträte fraktionsübergreifend wohl auch.

"In der Runde gab es Konsens, dass das der Part des OB ist und er offensiv damit umgehen sollte", sagte Sabine Wetzel im Anschluss.

Dem stimmt Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU), der in der Runde nicht dabei war, zu. "Dass man bei dieser Truppe den Wehrdienst geleistet hat, gehört schon in die Öffentlichkeit. Ich war durchaus erschrocken, als ich davon erstmals gehört habe. Und ich erwarte, dass Herr Gaffert sich noch einmal im Stadtrat erklärt", so Albrecht auf Anfrage.

Im Gespräch mit den Fraktionsspitzen sei dieser ganz persönliche Aspekt jedoch Nebensache gewesen, berichten Dorff und Wetzel übereinstimmend. "Die Verletzung des Briefgeheimnisses ist ganz klar das Thema", so die Bündnisgrüne.

Information per Anrufbeantworter

Obwohl beide Punkte Peter Gaffert einerseits wegen der eigenen Vergangenheit und andererseits in seiner Funktion als Verwaltungschef ganz direkt betreffen, zog er es am Mittwochabend vor, seinen Hauptamtsleiter öffentlich Rede und Antwort stehen zu lassen.

Glaubt man Rüdiger Dorff, landete jener Brief im Ratsbüro, wurde dort versehentlich geöffnet und der Inhalt zur Kenntnis genommen. Damit sei dann, wegen der Brisanz der Leiter des OB-Büros - Andreas Meling - konfrontiert worden. Er habe Gaffert und ihn informiert, so der Hauptamtsleiter. "Oberste Prämisse war es anschließend, sofort Frau Wetzel zu informieren."

Das passierte, bestätigt die Stadträtin, per Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter. Es sei wichtig gewesen, einen Gang ihrerseits an die Öffentlichkeit zumindest bis zur Rückkehr von Peter Gaffert von einer Dienstreise nach Vietnam zu verhindern, so Dorff. Und: "Weil wir nicht ausschließen konnten, dass weitere derartige Briefe an die Fraktionschefs unterwegs waren, haben wir sie ebenfalls kontaktiert", so Rüdiger Dorff.

Wetzel nimmt Entschuldigung an

Was dem Ganzen wiederum eine besondere Spitze gab: Bevor Sabine Wetzel ihren Brief in den Händen hielt, hatten zahlreiche Fraktionsspitzen vom Inhalt Kenntnis. Glaubt man Rüdiger Dorff, ist eines klar: Die eigentliche Briefaffäre wurde so mit einem Kommunikationsmissgeschick noch potenziert.

Wie auch immer. Für Sabine Wetzel ist es nach wie vor ein Unding, was da passiert ist. Vor allem, dass nun plötzlich von Einzelfall und Versehen die Rede sei. "Gerade bei einem Brief dieser Brisanz wundert mich das schon sehr", so die Stadträtin.

Gleichwohl will augenscheinlich auch sie die Sache nicht weiter eskalieren lassen: "Ich habe die Entschuldigung von Herrn Dorff erstmal angenommen. Wir warten jetzt ab, wie das Rathaus weiter verfährt."

Dort liege ein Elf-Punkte-Fragenkatalog der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen / Piraten vor. Die Verwaltung habe zugesagt, ihn bis zur Hauptausschusssitzung am 24. Juni zu beantworten. Zudem erwarte sie eine öffentliche Entschuldigung im Stadtrat am 2. Juli. Auch das hat Dorff zugesagt: "Ich werde mich im Stadtrat nochmal entschuldigen", sagte er zur Volksstimme.

Klare Regeln gefordert

"Von all dem machen wir unser weiteres Vorgehen als Fraktion abhängig", kündigt Sabine Wetzel an. Letztlich gehe es um die Frage, ob der Staatsanwalt eingeschaltet werde. "Es geht ja um nicht weniger als die Verletzung von Artikel zehn des Grundgesetzes: Die Verletzung des Postgeheimnisses."

Das sieht auch Stadtratspräsident Albrecht so: "Der schnelle Kontakt und das Gespräch mit den Fraktionschefs war ein richtiger Schritt. Dabei kann es aber nicht bleiben: Die Verwaltung muss sich im Stadtrat erklären, und wir brauchen klare Regeln, damit sich so etwas nicht wiederholen kann.