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Briefaffäre und Stasi Wernigeröder Oberbürgermeister Gaffert stärker unter Druck

Von Dennis Lotzmann und Regina Urbat 23.05.2015, 01:24

Wernigerode l In der Wernigeröder Briefaffäre wächst der Druck auf Oberbürgermeister Peter Gaffert. In den Ratsfraktionen wird offenbar die Forderung, dass sich das parteilose Stadtoberhaupt zur Briefaffäre und zur eigenen Vergangenheit umfassend erklären möge, lauter. In besagtem Brief, der via Ratsbüro an die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Grüne/Piraten unterwegs war und im Rathaus, wie es hieß, versehentlich geöffnet worden ist, wird Gafferts Vergangenheit beim Stasi-Wachregiment thematisiert. Gaffert selbst kündigte am Freitag auf Volksstimme-Anfrage an, sich in den kommenden Tagen "abschließend äußern" zu wollen.

Offenbar steigt der Druck auf Gaffert auch wegen einer Strafanzeige, die ein Ex-Stadtrat gegen ihn und andere Verantwortliche im Rathaus wegen möglicher Verletzung des Briefgeheimnisses erstattet hat.

Doch nicht nur in dieser Hinsicht gibt es Kritik. Auch in der Bürgerschaft ist Unmut zu vernehmen. Jutta Meier ist empört, dass Gaffert seine dreijährige Vergangenheit beim Stasi-Wachregiment "Feliks Dzierzynski" bis heute verschwiegen habe. "Für mich ist das alles ein Unding", so die Wernigeröderin, die für die CDU im Stadtrat sitzt, sich nun aber nur persönlich zu Wort melde: "Was halten die Wernigeröder jetzt noch von ihrem Oberbürgermeister, nachdem zwei schwerwiegende Fakten über ihn bekannt geworden sind?", fragt sie. Mit Blick auf Gafferts Vergangenheit beim Wachregiment und dem Öffnen des Briefes in dem von Gaffert geleiteten Rathaus habe sie persönlich eine klare Meinung: "Das sind Fakten, die nicht toleriert werden dürfen."

Bestärkt sehe sie sich durch das Taktieren von Gaffert: Er habe diesen Punkt nicht nur in der Biografie verschwiegen, sondern auf Nachfrage "mehrfach bewusst die Öffentlichkeit belogen", erinnert Jutta Meier.

Damit spielt sie offenbar nicht nur auf Gafferts Herumdrucksen in diesem Punkt an, sondern vor allem auf Lügen, von denen beispielsweise bei der Mitteldeutschen Zeitung die Rede ist: Dort hieß es, Gaffert habe vor der Wahl am 12. April auf Anfrage nur einen dreijährigen Dienst bei Nachrichteneinheiten schriftlich eingeräumt. Eine Behauptung, die das wiedergewählte Stadtoberhaupt Anfang Mai, als jener Brief an die Stadtratsfraktion publik wurde, revidieren musste: Er habe, bestätigte er zeitgleich auch gegenüber der Volksstimme, beim Wachregiment "Feliks Dzierzynski" gedient und die Stasi-Bezirksverwaltung in Halle bewacht.

Zuvor hatte Gaffert auch beim Wahlforum der Volksstimme die Chance, klar und offen zu seiner Vergangenheit zu stehen, ungenutzt gelassen. Auf eine entsprechende Frage, antwortete er ausweichend.

Ein Verhalten, das für Jutta Meier inakzeptabel ist: "Er wurde nicht gezwungen, dort zu dienen. Aber wegen des Wunsch-Studiums, wohl auch besserer Bezahlung, vieler anderer Vorteile und Annehmlichkeiten, die ein normaler Wehrdienstleistender nicht hatte, hat sich Herr Gaffert für die sogenannten Rotkehlchen entschieden", schreibt sie und mutmaßt: "Vielleicht waren es ja auch politisch-ideologische Motive, die ihn dazu veranlasst haben?"

Die offenen Fragen und der Klärungsbedarf rund um die Vergangenheit bei Mielkes Truppe und das Öffnen jenes Briefes sorgen mittlerweile auch Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU): Er habe gegenüber der Verwaltungsspitze im Rathaus vorgeschlagen, die Stadträte sowie Medienvertreter zusammenzuholen und Oberbürgermeister Gaffert in dieser Runde die Möglichkeit zu geben, sich allumfassend zu erklären. "Ich halte eine solche zeitnahe Runde für sinnvoll und richtig und fände es falsch, wenn mit so einem klärenden Gespräch bis zur nächsten Ratssitzung Anfang Juli gewartet würde."