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Briefaffäre steckt weiter im Nebel

Von Regina Urbat und Dennis Lotzmann 27.05.2015, 20:05

In einer persönlichen Erklärung zur Briefaffäre hat Wernigerodes Oberbürgermeister Fehler und Versäumnisse eingeräumt. Peter Gaffert entschuldigt sich bei der bündnisgrünen Fraktionsschefin. Für Sabine Wetzel ist der Ton "freundlicher", doch nicht zufriedenstellend.

Wernigerode l Oberbürgermeister Peter Gaffert bricht sein Schweigen. Zwar nicht im wörtlichen Sinne. Doch immerhin tritt der parteilose Stadtchef zur Briefaffäre und Erklärungsnot um seine eigene Vergangenheit nun nach Wochen erstmals schriftlich an die Öffentlichkeit.

In einer persönlichen Erklärung nimmt der 54-Jährige zunächst Stellung zu seinem Wehrdienst. Diesen habe er im Alter von 19 Jahren im Herbst 1979 in Halle angetreten und bis 1982 in einer Wacheinheit absolviert, "deren Struktur dem Wachregiment des Ministeriums für Staatssicherheit Feliks Dzierzynski gleichzusetzen ist", schreibt Gaffert. Zu seinen Aufgaben hätten insbesondere die Bewachung von Dienstgebäuden und technischen Anlagen der Staatssicherheit sowie von Arbeitseinsätzen bei großen Bauvorhaben wie dem KONSUM-Kaufhaus in der Saalestadt gehört. Gaffert: "Ich war Soldat auf Zeit und habe den Dienst als Unteroffizier regulär nach drei Jahren im Sommer 1982 beendet." Damit seien damals in der DDR für ihn wie für "Hunderttausende junge Männer" die Chancen, den Wunschstudienplatz zu erhalten, gestiegen. "In meinem Fall Forstwirtschaft".

Das Unverständnis, warum Gaffert bislang so ein Geheimnis selbst seinen Wählern gegenüber gemacht hatte, bleibt, zumal er in seiner Erklärung beteuert, dass er aus jeglichen Stasi-Überprüfungen sauber herausgekommen sei. Ob bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst des Landes oder im Berufungsverfahren in das Beamtenverhältnis. Zumindest bedauert der Oberbürgermeister, diese detaillierten Informationen aus seinem Privatleben vor mehr als 35 Jahren "nicht ungefragt und früher öffentlich gemacht zu haben".

Dazu gezwungen wurde Gaffert nun durch die Briefaffäre. Dieser nicht unterschriebene und offensichtlich mit einem gefälschten Absender versehene Brief war adressiert an die Fraktion der Grünen, "z.H. Frau Wetzel" mit der Postanschrift des Rathauses. Thematisiert war in diesem Schreiben Gafferts Vergangenheit beim Stasi-Wachregiment und landete auf dem Tisch des Oberbürgermeisters, der umgehend handelte, ohne die Empfängerin Sabine Wetzel überhaupt zu kontaktieren. Die 50-Jährige war zu diesem Zeitpunkt ahnungslos und mahnte in der Stadtratssitzung am 7. Mai öffentlich einen Verstoß gegen das Postgeheimnis an.

In seiner fast drei Wochen später erfolgten Erklärung spricht Gaffert davon, dass der Brief "im Sekretariat des Stadtrates versehentlich geöffnet" wurde, es sich "um einen bedauerlichen Einzelfall handelt", für den er sich "persönlich und im Namen meiner Stadtverwaltung" nochmals entschuldige.

Aus heutiger Sicht sei es falsch gewesen, alle Frakti-onsvorsitzenden von den in diesem gefälschten Schreiben erhobenen Anschuldigungen an seine Person zu informieren, bevor Sabine Wetzel den Inhalt dieses Briefes vollständig zur Kenntnis nehmen konnte. Der Stadtchef habe vor seiner Abreise in die vietnamesische Partnerstadt Hoi An vermeiden wollen, dass es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung "um meine für DDR-Zeiten nicht untypischen Wehrdienstzeit" während seiner Abwesenheit kommt.

Als Konsequenz habe er im Rathaus "durch Einzelanweisung klargestellt, dass sämtliche Fraktionspost ungeöffnet weiterzuleiten ist". Ausdrücklich und entschieden verwahre sich Gaffert gegen den Vorwurf der langjährigen Verletzung des Postgeheimnisses durch Verwaltungsmitarbeiter. Sollte die Staatsanwaltschaft wegen der Anzeige durch einen früheren Stadtrat tatsächlich Ermittlungen aufnehmen, "so werde ich diese ebenso wie die mir unterstellte Verwaltung unterstützen."

Zuvor hatte Gaffert den Umgang mit der Ratspost im Allgemeinen erklärt und nennt die Ende April im Ratsbüro ausgelöste Briefaffäre einen "bedauerlichen und unbeabsichtigten Einzelfall". Für Sabine Wetzel als Betroffene sind genau diese Erklärungen zu allgemein und "nicht zufriedenstellend". Zwar sei der Ton freundlicher als bisher und zum ersten Mal eine persönliche Entschuldigung erfolgt, "ich sehe jedoch noch zu viele Nebelkerzen aufziehen", sagt die Bündnisgrüne auf Volksstimme-Nachfrage. Sie vermisse die konkrete Erklärung zum Verstoß gegen das Postgeheimnis und kritisiere, dass "keiner die Verantwortung übernehmen will".

Weiteren Erklärungsbedarf sehen auch andere Fraktionen. "Der Weg vom Öffnen, Lesen und Bewerten des Briefes bis hin zum Handeln ist noch unklar", sagte Thomas Schatz (Linke). Er sprach von einer "Tippel-Tappel-Tour", auch wenn er weiter vom Einzelfall Sabine Wetzel überzeugt sei.

Stadtratspräsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU) hält an eine "öffentliche und präzisere Erklärung" fest, "weil die Verletzung der Ratspost den ganzen Stadtrat betrifft". Er plädiere für die öffentliche Beantwortung des im Mai-Stadtrat vorgelegten 11-Punkte-Fragenkatalogs der Grünen/Piraten-Fraktion zur Briefaffäre, "möglichst am 11. Juni".

Übereinstimmend sehen die Fraktionen Gafferts Presseerklärung als ersten Schritt, obwohl "diese hätte früher kommen müssen", so Roland Richter. Der Pressesprecher für CDU/Haus&Grund weiter: "Der Imageschaden ist im Nachgang schwer zu korrigieren."

Zufrieden zeigte sich die SPD-Fraktion, einzig: "Der Oberbürgermeister hätte, ohne mit der Wimper zu zucken, von Anfang an zu seiner Wehrdienstzeit Stellung beziehen sollen", sagte Rainer Schulze.