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Wirtschaftsstandort Neuansiedlung nicht mehr Maß der Dinge

Gefühlt hat sich in den vergangenen Jahren wenig in Sachen Firmenansiedlungen getan. Die Stadt Osterwieck hat in ihren Rahmenbedingungen keine Vorteile gegenüber der "Konkurrenz" in Ilsenburg oder Wernigerode.

Von Mario Heinicke 09.08.2015, 22:32

Stadt Osterwieck l "Uns fehlt ein Ankerunternehmen, um das sich Zulieferer bilden. Das ist ein Problem", sagt Wirtschaftsförderer Peter Eisemann. Stattdessen seien die Osterwiecker Betriebe meist selbst Zulieferer, zum großen Teil im Automotivbereich.

Auf den ersten Blick ist die Osterwiecker Lage eigentlich gut. Die Autobahn 395 und die B6n sind nur zehn Kilometer entfernt. Geht es jedoch um das Industriegebiet Hoppenstedter Straße, ist die schlechte Zufahrt über die Landesstraße, die schon seit Jahren ausgebaut sein sollte, ein Hemmnis. Zudem sind im Industriegebiet nur noch zwei Splitterflächen mit insgesamt 1,5 Hektar frei. Eine Erweiterung Richtung Hoppenstedt wäre bis zum Stummühlenweg möglich, aber wegen des Überschwemmungsgebietes nur oberhalb des alten Bahndamms.

Vier Unternehmen arbeiten bisher im Industriegebiet. Die Lackfabrik habe zuletzt viel in ihre Anlagen investiert. "Das stärkt den Standort", so Eisemann Der Oberflächenbeschichtungsbetrieb habe durch Verkauf einen neuen Eigentümer. Auch Treppenbauer und Arsenfabrik würden normal produzieren.

Städte wie Wernigerode, Ilsenburg und geplant auch in Abbenrode hätten deutlich größere freie Industrieflächen zur Verfügung und somit ganz andere Spielräume, erklärt Eisemann. Auch mit den Grundstückskosten könne Osterwieck nicht unbedingt punkten.

Anfragen kommen aus verschiedenen Quellen

Trotzdem gibt es nach wie vor Anfragen nach Firmenansiedlungen. Die Landesmarketinggesellschaft, Kammern, Landkreis und eigene Netzwerke leiten Anfragen weiter. Und die Stadt geht mit ihren freien Flächen - die vor allem in Gewerbegebieten vorhanden sind - seit einigen Monaten in die Internetwerbung. Mit einem ersten Teilerfolg. "Mit einem Investor bleiben wir im Gespräch", sagt der Wirtschaftsförderer. Er hat aber noch eine Aussage seines Vorgängers im Hinterkopf, nach der sich auf zehn Anfragen vielleicht eine Ansiedlung ergibt.

Auf mehreren Dörfern tat sich etwas

Eisemann ist nicht nur Wirtschaftsförderer für die Kernstadt, sondern für die ganze Einheitsgemeinde. Und so verweist er auf einen Landtechnikbetrieb, der in Berßel eine Niederlassung eröffnet hat. Oder einen für die Industrie tätigen Metallbaubetrieb, der jetzt von Ilsenburg nach Lüttgenrode gezogen ist.

Ein großes Problem konnte in Rohrsheim gelöst werden. Ein Forstbetrieb, bisher im Außenbereich tätig und daher von der Schließung bedroht, konnte in eine Halle am Ortsrand umziehen. Bei einem Unternehmen aus Bühne konnten formale Fehler aus dessen Gründungszeit nachträglich behoben werden. In beiden Fällen lobt Eisemann die gute Zusammenarbeit mit dem Landkreis Harz.

Diese Bilanz zeigt, es geht bei der Arbeit des Wirtschaftsförderers nicht vordringlich um neue Unternehmen, sondern vielmehr um die Unterstützung der bereits ansässigen Firmen. So will sich ein Verpackungsdrucker in Osterwieck erweitern, ebenso hat ein Unternehmen in Hessen Expansionswünsche geäußert.

Generell versucht Eisemann Firmen Wege im Behördendschungel zu ebnen, wenn es um Genehmigungen, Rechtliches und Finanzierungen geht. "Für jedes Problem kenne ich einen Ansprechpartner oder finde ihn."

Was nicht auf den ersten Blick gesehen wird, seien die Investitionen der Unternehmen in neue Anlagen und Maschinen. "An der Bevölkerung geht das vorbei, ist aber ein wichtiger Schritt für den Erhalt von Firmen."

Bezogen auf die aktuelle EU-Förderperiode empfiehlt der Wirtschaftsförderer allen investitionswilligen Unternehmen, bis 2019 tätig zu werden. "Danach ist davon auszugehen, dass die Förderquoten nochmals drastisch sinken und der Förderschwerpunkt noch stärker nach Osteuropa verlagert wird." Ohnehin betrage schon jetzt die Förderquote für Investitionen in den neuen Bundesländern nur noch etwa ein Drittel dessen, was Unternehmen in den 1990er Jahren erhielten.

Nicht jeder Erfolg ist von Dauer. Die bisher einzige Ansiedlung auf der Erweiterungsfläche des Osterwiecker Gewerbegebietes Lüttgenröder Straße, ein Holzhackschnitzelbetrieb, stehe schon wieder zum Verkauf. Wirtschaftliche Schwierigkeiten eines Unternehmens legten die eigentlich schon kurz vor dem Baubeginn stehende Erweiterung auf das alte Ziegeleigeländes vorerst auf Eis.

Weitere Gewerbeflächen am Ziegeleiweg geplant

Der Ziegeleiweg ist ein Problem für sich. Auf dem Gelände des früheren Gleitlagerwerks haben sich etliche produzierende Betriebe niedergelassen. Aber die Grundstücksfragen bezüglich der Wegeführungen auf dem Firmengelände selbst sind seit Jahr und Tag ungeklärt. "Eigentlich bräuchte man dort eine Art Flurneuordnungsverfahren."

In ihrem Flächennutzungsplan hat die Stadt festgeschrieben, die Flächen südlich der Straße zwischen altem Gleitlagerwerk und Lüttgenröder Straße als Gewerbegebiet weiterzuentwickeln. Verbunden damit auch der Straßenbau. Immer mehr Lkw poltern über das vorhandene Kleinpflaster, auch zum Leidwesen der Eigenheimbesitzer auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Einzelhandel auf altem Zuckerfabrikgelände

Gute Aussichten gibt es für einen Teil des Gewerbegebietes der ehemaligen Zuckerfabrik. Hier soll neuer Einzelhandel entstehen, verbunden über eine Parkplatzerweiterung mit dem vorhandenen Einkaufszentrum an der Bahnhofstraße. Der Parkplatz selbst ist ein Knackpunkt, der den Wirtschaftsförderer und weitere Mitarbeiter der Verwaltung beschäftigt. Die Fläche befindet sich im Eigentum der Stadt, "ist aber eigentlich keine kommunale Aufgabe", wie er betont. Hier werde überlegt, eine andere Betreiberform zu finden.

Freie Flächen gibt es im Zuckerfabrik-Gewerbegebiet weiterhin. Diese seien verkauft, die Stadt habe aber bei Bedarf Zugriff darauf, sagt Eisemann.

Ein großes Gewerbegebiet gibt es auch in Dardesheim. Nur noch ein Grundstück von etwa einem Hektar Größe steht dort zur Verfügung, das angesichts eines Funkmastes und alter Ställe aber nur schwerer zu vermarkten sein dürfte. Erweiterungsfläche sieht der Flächennutzungsplan noch nach Süden bis zur B79-Umgehungsstraße vor.

Superschnelles Internet für Unternehmen

Auch in die Zuständigkeit des Wirtschaftsförderers fällt die Breitbandversorgung. Durch eine Landesförderung haben nahezu alle Einwohner die Möglichkeit, schnelles Internet mit einer Geschwindigkeit von mindestens zwei Mbit/Sekunde zu ordern. Bei der Förderung waren Hessen, wo es schon relativ schnelles Internet gab, und Osterwieck, das nicht zum ländlichen Raum gezählt wurde, ausgeklammert worden. Daher verfügen mehrere Osterwiecker und Hessener Firmen nicht über die benötigte Internetgeschwindigkeit. "Das muss sich unbedingt ändern". Derzeit schreibt Eisemann Firmen an, ob sie an einem superschnellen Internet mit bis zu 100 Mbit/Sekunde interessiert sind. Kommt es zu einer großen Nachfrage, hofft er, dass die Telekom in Eigenregie das Netz ausbaut. Ansonsten müsste das mit einer Förderung, aber auch einer höheren städtischen Kostenbeteiligung laufen.