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Volksstimme-Leser-Forum zur Wahl Die Politik lebt von Mehrheiten

Von Sabine Scholz 04.03.2011, 05:25

Kritische Worte, nachdenkliche Abgeordnete und zuversichtliche Kandidaten erlebten am Mittwochabend die Volksstimme-Leser, die den Weg zum Wahlgespräch in die Hochschule Harz fanden.

Halberstadt. Professor Armin Willingmann brachte es bei der Begrüßung auf den Punkt: "Es gibt scheinbar wenig Interesse für diese Wahl". Dabei sollten Politik und Wahlen in unserer Gesellschaft einen höheren Stellenwert haben, sagte der Rektor der Hochschule Harz, um gleich kritisch anzumerken, dass auch aus seinem Haus kaum Vertreter erschienen seien. "Und das in einem Fachbereich Verwaltungswissenschaften, der gelebte Politikwissenschaft verkörpert", so Willingmann.

Die Hochschule hatte der Volksstimme dankenswerter Weise den großen Hörsaal für das Leser-Forum zur Verfügung gestellt. Und obwohl viele Plätze leer blieben, wurde es ein interessanter Abend. Die befragten Abgeordneten und Kandidaten vermieden zumeist langes Drumherumreden. Zwar wurden die Fragen von Moderator Tom Koch nicht immer ganz beantwortet, aber auch das trug zur Meinungsbildung der Leser bei.

Die große Frage des Abends lautete: Hat meine Stimme Gewicht? In der Debatte wurde an einigen Punkten deutlich, dass die Wähler in Sachsen-Anhalt mit ihrer Entscheidung sogar in die Bundespolitik eingreifen - weil die Landesregierung im Bundesrat Einfluss auf zahlreiche Gesetze hat.

Auf die konkreten Lebensbedingungen vor Ort habe die Wählerentscheidung ebenso Einfluss, wie sich am Beispiel der Kreisstadt-Entscheidung gezeigt habe. Die starke Linksfraktion habe wesentliche Veränderungen am Landesentwicklungsplan bewirken können, berichtete Dr. Detlef Eckert (Linke). So seien im ländlichen Raum mehr Mittelzentren ausgewiesen worden und Halberstadt und Stendal als Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums. Eckert betonte zugleich, dass viele Entwicklungen den gemeinsamen Anstrengungen der drei Landtagsmitglieder aus dem Wahlkreis 14 zu verdanken seien. Die finanzielle Absicherung der Moses-Mendelssohn-Akademie etwa, oder der Kampf um den Erhalt der Staatsanwaltschaft in Halberstadt sei von ihm ebenso geführt worden wie von Gerhard Miesterfeldt (SPD) und Frauke Weiß (CDU).

Letztere berichtete davon, dass nicht immer alle Wünsche umsetzbar seien. So habe sie sich gegen die Schließung des Gefängnisses gewehrt. "Aber der Ausschuss hat dann anders entschieden und folgte dem Vorschlag des Kabinetts." Es stimme sie immer wieder traurig, wenn das Land Behörden und Verwaltungen aus Halberstadt abziehe. Froh sei sie, dass das ALFF in Halberstadt bleibe und sogar um das Landesamt Wald erweitert werde.

Gerhard Miesterfeldt betonte, dass Politik immer von Mehrheiten lebe und man für Anliegen aus dem Wahlkreis nicht immer die nötigen Mehrheiten finde.

Bei dem Thema, wie man mit einer familienfreundlicheren Politik die Abwanderung stoppen könne, verwies FDP-Kandidat Detlef Ebert darauf, dass das Land bereits gute Angebote bei der Kinderbetreuung mache, aber die jungen Leute weggingen, die künftig für Nachwuchs sorgen könnten. Dass das mit der Entlohnung im Land zusammenhängen könnte, zeigte sich bei einer anderen Frage. Grünen-Kandidat Mathias Fangohr setzt auf einen besseren Betreuungsschlüssel in Kitas und eine stärkere Förderung der Fähigkeiten von Schülern, statt nur die Schwächen zu sehen. Zudem sieht er ein Konzept zum Klimaschutz und die Förderung der Altgebäudesanierung als ein Mittel, um die Attraktivität der Städte und Gemeinden zu erhöhen und so junge Leute zum Bleiben zu bewegen. Carsten Nell (Linke) setzt auf auskömmliche Bezahlung, damit sich junge Leute für das Kinderkriegen entscheiden. Jens Rehmann (ÖDP) kritisierte, dass junge Lehrer an den Schulen fehlten und dass die Selektion für den weiteren Schulweg zu zeitig beginne.

Während sich alle für eine weitere Städtebauförderung aussprachen und auch für den Erhalt von Kultureinrichtungen waren, gingen die Meinungen zum Mindestlohn auseinander. Während CDU und FDP diesen ablehnen, befürworten Linke und Grüne ebenso einen Mindestlohn wie die ÖDP. Rehmann: "Jeder soll von seiner Arbeit leben können." SPD-Mann Miesterfeldt verglich die Mindestlöhne mit dem Gang zum Zahnarzt: Keiner mag es, aber wenn es weh tut, muss man hin. Zum einen gäbe es in einigen Branchen bereits Mindestlöhne, zum anderen sollte das hohe Gut der Tarifautonomie gewahrt bleiben. "Nur wenn Not am Mann ist, sollte der Staat eingreifen."

Was alle Kandidaten einte, war der Wunsch, dass alle Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen sollten. Schließlich habe jede Stimme Gewicht.