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Gedanken einer Frau, die lange Jahre einen neuen Job suchte und nun Altersrentnerin ist Erst mit Arbeit ist Menschenwürde gegeben

Von Sabine Scholz 04.08.2012, 05:16

In Rente zu gehen, genießen viele Menschen in der Region. Für manche ist es der Schlusspunkt nach langjähriger Arbeitslosigkeit, So auch für Monika Bergknecht aus Halberstadt. Doch sie hat sich ganz eigene Gedanken zu diesem Wechsel gemacht.

Halberstadt l Fröhlich, zugewandt, schnell redend - so begegnet man Monika Bergknecht. Die Halberstädterin ist seit Kurzem Altersrentnerin. 14 Jahre lang hat sie zuvor versucht, einen Job zu finden. "Manchmal bin ich fast verzweifelt", sagt sie leise. Aber sie habe sich nicht aufgegeben, auch wenn es schwerfiel. "Ich frage mich nur, wie die nächsten Generationen klarkommen wollen, wenn sie schon jetzt keine Möglichkeit haben, Rücklagen zu bilden", sagt die gelernte Industriekauffrau, die viele Jahre in der Halberstädter Würstchenfabrik tätig war. Als Lohnbuchhalterin, im Absatz. Später wechselte sie zum Meliorationsbau, wo sie das Organisieren von Festen lernte. "Noch heute erinnern sich viele Kollegen und deren Kinder an unsere Kinderweihnachtsfeiern", erzählt sie lachend. Mit Menschen etwas zu unternehmen, zu organisieren, da zu sein für andere, das liegt der fröhlichen Frau, die nach der Scheidung ihren Sohn allein erzog. "Schon von daher war es wichtig, Arbeit zu haben", sagt sie. "So wichtig Liebe ist, aber man muss Kindern auch materiell ein paar Dinge ermöglichen."

1984 wechselt sie in die Volksbank. Dort kam 1998 die Entlassung. "Es hat viele getroffen, die wie ich keine gelernten Bankaufleute waren."

Zu ihrem Rentenbeginn hat sie folgendes verfasst:

"Ich habe es geschafft, jetzt bin ich Rentner! Arbeitslos zu werden, ist ein schmerzender Einschnitt in das Privatleben. Nichts ist mehr so wie vorher. Damit umzugehen, musste ich erst lernen.

Dieser Lernprozess war hart, wäre aber durch eine gut durchdachte Arbeitsmarktpolitik vermeidbar gewesen. Alles, was der Gesetzgeber von einem erwartet und vor allem, was ich von mir selbst abfordern wollte und musste, habe ich rückblickend unternommen. Weiterbildung, ABM, Seniorenbetreuung, Bewerbungen, Arbeitssuche vor Ort, eigene Qualifizierung standen auf der Tagesordnung. Wichtig war für mich, nicht aufzugeben.

Ich hatte mir mal geschworen, nie einen 1-Euro-Job anzunehmen, weil diese Entlohnung moralisch nicht vertretbar ist. Auch hier musste ich umdenken. Da es trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, "richtige Arbeit" zu finden, schloss ich mit mir selbst einen Kompromiss. Mit Unterstützung der ARGE, danach der KoBa, fand ich eine Beschäftigung im Käthe-Kollwitz-Gymnasium (Bibliotheksarbeit) und bis zum 31. März 2012 im Planetarium Halberstadt (Betreuung der Besucher aus Kitas und Schulen). Der Leiter des Planetariums setzte sich dafür ein, dass ein nahtloser Übergang zur Rente möglich wurde, denn die Maßnahme wurde bis 30. Juni verlängert.

Eine Lösung, die Arbeitslosigkeit damit zu beenden, ist aus meiner Erfahrung und Sicht gescheitert oder es ist die Ausnahme. Sie hat mir aber geholfen, besser mit der Situation zurecht zu kommen. Hinzu kommt noch die finanzielle Seite, die viele aufbauende Elemente ganz einfach nicht mehr möglich machten. Selbst der Kampf um meine Wohnung blieb mir nicht erspart und hat Spuren hinterlassen, konnte aber geregelt werden.

Im Interesse der qualifizierten und hoch motivierten Arbeitssuchenden hätte die ehemalige ARGE und KoBa vorausschauende Arbeitsmarktpolitik betreiben müssen. Perspektivlosigkeit kann aus meiner Sicht nur durch Politik und Wirtschaft beseitigt werden. Gemeinsam Arbeitsplätze schaffen, aber nicht um jeden Preis! Gute Arbeit (es ist genug vorhanden), gute Bezahlung, zufriedene und motivierte Menschen, Steuereinnahmen für den Staat, damit wichtig Dinge abgefedert werden können. Erst wenn die Menschen ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten können und müssen, ist die Würde des Menschen unantastbar!

Das wird auch eine wesentliche Aufgabe unserer Folgegeneration werden. Davon wird auch die Höhe der künftigen Renten abhängen.

Ich verabschiede mich aus dem \'aktiven Berufsleben\' und gehe in die Altersrente. Danke sage ich dem Leiter des Halberstädter Planetariums, Klaus Huch. Er hat die Initiative ergriffen und so gemeinsam mit der KoBa diese Lösung im Interesse aller gefunden. Alles Gute für diese Einrichtung, die viele Besucher hatte. Sie sind mir ans Herz gewachsen und werden mir sicher fehlen.

Was kann ich unseren Kindern auf den Weg geben? In der Schule des Lebens lernt man niemals aus! Es wird Höhen, aber auch Tiefen geben. Sie zu meistern, ist eine schöne, wenn auch harte Arbeit an und mit sich selbst. Viel Erfolg!"