1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Ein Spätzünder als Lebensretter

Nach Jahrtausenden der Seefahrt wurde am 30. Januar 1790 das erste Rettungsboot der Welt getestet Ein Spätzünder als Lebensretter

Von André Ziegenmeyer 30.01.2014, 02:24

Manche Ideen brauchen eben länger: Seit Jahrtausenden fahren Menschen zur See. Doch das erste Rettungsboot wurde erst heute vor 224 Jahren getestet. In Haldensleben sind mittlerweile gleich mehrere im Einsatz.

Haldensleben l Es war an einem Sonnabend, als das Boot "The Original" nahe der nordenglischen Stadt South Shields zu Wasser gelassen wurde. Mit kräftigen Ruderschlägen steuerte die Mannschaft das kleine Gefährt hinaus auf den Tyne-Fluss und schrieb damit Geschichte. Ebenso wie der dazugehörige Bootsbauer Henry Francis Greathead - zumindest formal. Denn eigentlich hatte sein Landsmann Lionel Lukin bereits fünf Jahre zuvor das Patent für ein Rettungsboot eingereicht. Trotzdem setzte Greathead vor dem englischen Parlament durch, dass er der Erste gewesen sei. Dass es überhaupt so lange dauerte, bis jemand Interesse an Rettungsbooten zeigte, lag unter anderem am Strandrecht. Das folgt einem einfachen Grundsatz: Wer es findet, dem gehört\'s - egal ob angespülte Schiffsladung oder ganze Wracks. Einzige Bedingung: Von der ursprünglichen Besatzung darf keiner mehr am Leben sein. Denn der könnte eigene Ansprüche anmelden.

Bis ins Mittelalter hinein neigten Küstenbewohner zu einer pragmatischen Auslegung des Strandrechts. Bei der Zahl der Überlebenden konnte man schließlich nachhelfen. Zur Not entzündete man auch falsche Signalfeuer oder löschte die, die schon da waren.

Aber das ist Vergangenheit. Heute sind Rettungsboote weit verbreitet. In Haldensleben gibt es gleich mehrere davon. Zum Beispiel bei der Wasserwacht des DRK-Kreisverbandes Börde. Mit ihren Rettungsschwimmern ist sie schon lange in der Region aktiv. Seit letztem Jahr stellt der Landkreis Börde der Wasserwacht aber auch drei Boote zur Verfügung. Jedes besitzt andere Eigenschaften und ist damit für verschiedene Einsätze besonders gut geeignet.

"Beim Hochwasser 2013 waren wir mit 32 Mann aktiv", erklärt Leiter Hannes Klaus. Nicht zuletzt halfen die Wasserretter bei der Evakuierung von Mensch und Tier aus überfluteten Gebieten. Außerdem schichteten sie Sandsäcke vom Wasser aus auf. Grundsätzlich ist die Wasserwacht aus Haldensleben für alle Gewässer der Umgebung zuständig. Zusammen mit der Wasserwacht Magdeburg kümmert sie sich auch um den Jersleber See. Außerdem arbeiten die Haldensleber Rettungsschwimmer eng mit ihren Kollegen aus Oschersleben zusammen. Trainiert wird jeden Montag ab 17.45 Uhr im Rolli-Bad. Neugierige ab sieben Jahren sind dabei gern gesehen. Sie können sich auch unter hannes.klaus@drk-boerde.de melden.

Auch zur Ausstattung der Haldensleber Feuerwehr gehört ein Boot. Damit retteten die Kameraden unter anderem ein Reh aus dem Mittellandkanal. Im vergangenen Oktober half das Boot bei der Bergung eines Baumes, der quer über der Ohre lag. Sonst führt das Schlauchboot allerdings ein eher ruhiges Dasein. Zum Glück - wie Wehrleiter Frank Juhl betont: "Wir nutzen es hauptsächlich zu Übungszwecken. Aber wir nehmen das Boot immer mit, wenn ein Einsatz am Wasser stattfindet." Dank eines Eisschlittens kann es auch zur Rettung eingebrochener Personen dienen. Dann gleitet es auf einem Metallrahmen zur Unfallstelle. Sollte das Boot ebenfalls einbrechen, ist die Mannschaft trotzdem in Sicherheit. Zusätzlich gibt es einen speziellen Eisrettungsanzug, der vor Unterkühlung schützt. "Bisher war ein solcher Einsatz aber noch nicht nötig", so Juhl.

Soweit er sich erinnern könne, habe die Haldensleber Wehr immer ein Schlauchboot gehabt. Früher war das sogar Vorschrift. "Durch den Mittellandkanal, die umliegenden Flüsse oder zum Beispiel den Süplinger Canyon ist es auch heute mehr als sinnvoll", so Frank Juhl. Das aktuelle Boot gehört zum Typ RTB-1 und wurde im Dezember 2010 angeschafft. Die meiste Zeit über lagert es luftleer und sorgfältig verpackt im Feuerwehrgerätehaus - zusammen mit Anker, Paddeln, Rettungsring und weiterem Zubehör. Doch die geruhsame Unterbringung sollte nicht täuschen: Auf diese Weise ist das Boot gut zu transportieren. "Und dank einer Schnellaufblaseinrichtung ist es in 30 Sekunden einsatzbereit", betont der stellvertretende Wehrleiter Michael Schumann.