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Gäste aus Tansania in Flechtingen "Bruder Jakob" in Kisuaheli und Deutsch

Flechtinger Kinderstübchen, Grundschule und Gymnasium in Weferlingen
hatten in dieser Woche Besuch aus Tansania. Die Schulen haben bereits
Kontakte zu Schulen in der Region Arusha. Und die Kita will jetzt einer
Vorschule helfen.

20.06.2014, 01:21

Flechtingen/Weferlingen l "Stell dir vor Mama, in Afrika sind 100 Kinder in einem Raum", erzählt der fünfjährige Alexander ganz aufgeregt seiner Mutter, als sie ihn im Flechtinger Kinderstübchen abholt. Die Knirpse in der Kindertagesstätte hatten Besuch aus Tansania. Der Böddenseller Eckard Krause hatte mit weiteren Helfern Anna, Patrick und Baraka Mshana aus Tansania eingeladen und zeigte ihnen Einrichtungen in seiner Heimat. Die Afrikaner, die zum ersten Mal ihr Heimatland verlassen konnten, kamen in eine völlig neue Welt.

Wenn auch die Gäste aus dem fernen Afrika bis auf bitte und danke kein Deutsch konnten, gab es keine Sprachpro- bleme, ganz besonders, als die Mädchen und Jungen ihren Kindergartensong und ein paar andere Lieder anstimmten. Anna Mshana, die Jahrzehnte als Lehrerin in einer Vorschule und Grundschule gearbeitet hat, sang Kinderlieder in Kisuaheli. Die Mädchen und Jungen hörten gebannt zu. Und plötzlich leuchteten ihre Augen auf, denn das kurze Lied, das Anna mit ihrem Mann und Sohn sang, kannten sie und schon sangen sie mit ihren Erzieherinnen "Bruder Jakob..."

Nur wenige Minuten dauerte ein Film, den Eckard Krause in Nambala aufgenommen hatte. Er zeigt die Vorschule, in die die Kinder in Tansania im Alter von 5 und 6 Jahren gehen. Dicht gedrängt standen die Kinder in den Bankreihen, sangen und bewegten sich dazu im Rhythmus. Bis zu 100 Kinder lernen in einem Raum, erzählte Eckard Krause. Unvorstellbar für die Knirpse in der modernen geräumigen Tagesstätte in Flechtingen.

Die Kinder sahen auch, wie die kleinen Tansanier vor dem Flachbau schaukelten. Ein Gerüst mit zwei Schaukeln, einziges Spielgerät für 100 Kinder. Das Geschenk aus Deutschland ist beliebt und etwas völlig Neues für die Kinder, die in der Nähe des Kilimandscharo leben, erzählte Annika Schulze, die sich wie Eckard Krause um das Hilfsprojekt kümmert und schon mehrmals einige Monate in Tansania gelebt hat, um die Verhältnisse genau kennenzulernen. Anna Mshana sah sich sehr interessiert alle Spielgeräte auf dem Gelände der Kita und in der benachbarten Freizeitanlage an. Ein Hüpfetier mit Spiralfuß wäre ihr großer Wunsch für die Kinder in ihrer Heimat.

Aber gebraucht wird dort eigentlich alles. Auch das Lernspielzeug, mit dem die Kinder beispielsweise zählen oder Buchstaben kennenlernen, hatte es der Lehrerin angetan. Noch als die Gäste aus Tansania in der Kita zu Gast waren, überlegte Kita-Leiterin Steffi Hornack mit ihren Kolleginnen, wie sie helfen können. Vielleicht eine Aktion starten, um den Erlös für Spiel- und Lernmaterial zu spenden?

100 Kinder in einem Raum in der Vorschule in Nambala

Auch die Zweitklässler in der Grundschule Weferlingen sahen den kleinen Film über die Vorschule in Nambala. Die Grundschule hat 2008 einen Patenschaftsvertrag mit der Grundschule in Nganana abgeschlossen und schon Spenden geschickt. Jetzt haben die Kinder noch eine Patenschaft über ein Waisenkind übernommen. Die sechsjährige Tamali lebt in einem Internat, ihre schwerkranke Mutter kann sich nicht um sie kümmern. Schüler und Lehrer hatten für Tamali einen Ranzen gekauft und mit allem Nötigen gefüllt. Tamali soll nun in den nächsten Jahren weiter unterstützt werden.

Wie die Weferlinger der Patenschule in Nganana helfen können, besprach Schulleiterin Sabine Nieber mit den Gästen. In der Grundschule müsste eigentlich jedes Kind wie in Deutschland vier bis fünf Schulbücher haben, doch es gibt nur höchstens ein Buch, das sich vier Kinder teilen, erzählte Anna Mshana. Die Eltern müssten zwar keine Schulgebühren, aber die Schul- uniform und die Schulbücher bezahlen. Das fällt den meisten schwer.

Zudem müssen sie auch Essbares in die Schule bringen, denn Mittagessen kann nur von dem gekocht werden, was gerade da ist. Für viele ist das die einzige richtige Mahlzeit am Tag. Dabei haben die Kinder Schulwege bis sechs Kilometer zurückzulegen, und zwar zu Fuß durch unwegsames Gelände. Die Mädchen und Jungen aus den Weferlinger Nachbardörfern haben ähnlich lange Schulwege, doch sie können mit dem Bus fahren, stellen sie glücklich fest, als sie die Gäste mit ihren Fragen löchern.

Der kleine Film über die Vorschule lief auch für die Elftklässler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums in Weferlingen. Zuvor aber zeigte ihnen Eckard Krause das moderne Gebäude, das mit ihrer Hilfe gebaut werden konnte. Das Haus soll nicht nur für den Unterricht, sondern auch für die Lehrerausbildung und als Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft genutzt werden. In diesen Monaten sollen die Restarbeiten erledigt werden, dann kommen auch zwei Computer und ein Kopierer hinein. Dafür ist die Spende vom Weihnachtsmarkt des Gymnasiums 2013 vorgesehen. Seit 2007 hat das Gymnasium in jedem zweiten Jahr für das Nambala-Hilfsprojekt gespendet, im Wechsel mit einem sozialen Projekt in Deutschland.

Baraka Mshana erzählte den Elftklässlern eine gute Stunde lang in Englisch von seiner Arbeit. Der 34-Jährige ist Streetworker, kümmert sich hauptsächlich um Aids-Kranke, und ist auch der Chairman der Hilfsorganisation Fri-Sucode, die dort mit deutscher Hilfe gegründet wurde. Ebenfalls in Englisch fragten die jungen Leute nach vielen Details. Und sie applaudierten begeistert, als diese besondere Unterrichtsstunde zu Ende war.

Infos auf www.nambala-help.de. Spenden können überwiesen werden auf das Konto von Misereor 101010 bei der Pax-Bank, BLZ 37060193, Zweck: W30435 Nursey Tengeru