1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Aus dem Schüler wurde ein Freund

Horst Schmidt kam aus Südafrika, um seinen ehemaligen Lehrer Rudolf Köppe zu besuchen Aus dem Schüler wurde ein Freund

Von Marita Bullmann 01.07.2014, 03:29

Erinnerungen wurden wach, als Horst Schmidt seinen früheren Lehrer Rudolf Köppe besuchte. Der Weg war lang, denn Horst Schmidt lebt in Südafrika. Seit fast sieben Jahrzehnten verbindet beide eine enge Freundschaft.

Haldensleben l 80 Jahre alt ist der eine, 88 der andere, und sie sagen, sie sind Freunde. Doch als diese Freundschaft begann, war der eine Schüler und der andere Lehrer, und der Jüngere sagt zwar längst Du zum Älteren, aber immer wieder kommt auch "Kanter Köppe" über seine Lippen. Und darin liegt sehr viel Respekt.

Seit Horst Schmidt zu Rudolf Köppe in die Klasse gekommen ist, sind 68 Jahre vergangen, und er konnte ihn auch nur zwei Jahre lang unterrichten. Gerade diesen beiden Jahre aber hätten ihn so sehr geprägt für sein weiteres Leben, dass er jetzt seinen alten Lehrer und Freund noch einmal besucht hat, um ihm zu danken, bekräftigt Horst Schmidt. Rudolf Köppe lebt seit geraumer Zeit in Haldensleben, Horst Schmidt seit 1955 in Parklands in Südafrika. Und wenn auch Rudolf Köppes beruflicher Werdegang in Haldensleben begann, hat sich der Beginn dieser Freundschaft im Jerichower Land zugetragen.

Der Nordgermersleber Rudolf Köppe hat in Haldensleben das Kriegsabitur abgelegt, einen Neulehrerlehrgang besucht und bekam seine erste Lehrerstelle 1946 in Rosian. Der Neulehrer unterrichtete in der 7. und 8. Klasse, meistens ohne Schulbücher. Einer seiner Schüler damals war Horst Schmidt. "Er war der Primus in der Dorfschule, er war in allen Fächern der Beste, er war wissbegierig und hatte immer noch eine Frage oder eine Ergänzung, und er war auch in der Gemeinschaft anerkannt", erinnert sich Rudolf Köppe.

Horst Schmidt stammt eigentlich aus Strinum. Seine Eltern wurden nach dem Krieg enteignet, die Familie musste den Kreis Zerbst verlassen. "Mein Vater war im Westen in der Internierung", erzählt der 80-Jährige. Mit seiner Mutter und Oma kam er dann nach Rosian. Als 1948 seine Großmutter starb, suchte er einen Weg, um zu seinen Eltern nach Göttingen zu kommen. Seine Mutter war inzwischen bereits zu seinem Vater gezogen. "Ich habe erst in der russischen Kommandantur um Erlaubnis gebeten, nach Göttingen reisen zu dürfen, doch der Kommandant hat das abgelehnt", erzählt Horst Schmidt. Danach musste es schnell gehen. Zu Fuß sei er nach Deetz gelaufen, um den Berliner Zug zu erreichen. In einem Dorf in der Nähe von Helmstedt sei er ausgestiegen. Dort habe er eine Frau gefunden, die Flüchtlingen geholfen hat, über die Grenze zu kommen. "Es war Dezember und sehr kalt, als wir in einer Gruppe von 20 bis 25 Leuten über das Feld in Richtung Helmstedt gelaufen sind", erinnert er sich. Und alle sind gut in Helmstedt angekommen.

Horst Schmidt hat drei Jahre bei Carl Zeiss gelernt und wurde dann erstmals in einer Zeiss-Vertretung in Kapstadt eingesetzt. Dort hat er auch seine spätere Frau kennengelernt. Einige Jahre später sei er nach Deutschland zurückgekommen, habe noch Betriebswirtschaft studiert, sei zwei Jahre in Amsterdam gewesen und schließlich wieder nach Südafrika, und zwar nach Johannesburg, versetzt worden. "Bis zur Pensionierung habe ich als Produktmanager für Carl Zeiss in Johannesburg gearbeitet", erzählt Horst Schmidt.

"Wir haben immer aufgepasst, was wir geschrieben haben."

Nach der Pensionierung ist er in Südafrika geblieben. Seine drei Töchter leben dort mit ihren Familien. In der nächsten Woche wird es wieder ein großes Familientreffen im Krüger-Nationalpark geben. Leider ist seine Frau vor kurzem gestorben. Dem Krüger-Park fühlt er sich sehr verbunden, unterstützt den Park auch als Sponsor.

Horst Schmidt hat in all den Jahren den Kontakt zu seinem alten "Kanter" nicht abreißen lassen. Rudolf Köppe spricht von einem regen Briefwechsel. "Aber wir haben immer aufgepasst, was wir geschrieben haben", ergänzt er. "Ich habe eine dicke Stasi-Akte." Mit der Wende wurde auch der Kontakt erleichtert, Horst Schmidt hatte seinen ehemaligen Lehrer schon einmal besucht. Jetzt stellte er sich zum zweiten Mal ein.

Er sei immer parteilos gewesen, erzählt Rudolf Köppe. In Rosian hatte er bis 1950 unterrichtet. In Halle und Mühlhausen hat sich der heute 88-Jährige das weitere Rüstzeug für seine lange Lehrertätigkeit geholt. Bis zur Pensionierung hat er an der Erweiterten Oberschule in Wendgräben unterrichtet - Biologie, Chemie und in den letzten Jahren auch noch Latein.

Rudolf Köppe hatte sich mit der Wende auch im Neuen Forum engagiert, Mitte der 90er Jahre wurde er als Ehrenbürger der Stadt Loburg gewürdigt.

Vor zwei Jahren ist er mit seiner Frau nach Haldensleben gezogen. Hier leben seine Tochter Gabriele Baum und sein Sohn Michael Köppe mit ihren Familien. Er war gern Lehrer. Der Kontakt zu vielen ehemaligen Schülern bis heute spricht dafür, dass er einen guten Draht zu den Schülern hatte. Zu Weihnachten verschickt er bis zu 100 Briefe an ehemalige Schüler, ergänzt seine Tochter Gabriele Baum. Da gibt es zwar einen allgemeinen Text, der bei allen gleich ist, aber zu jedem schreibt er noch ein paar persönliche Sätze.

Horst Schmidt ist einer, zu dem der Kontakt besonders eng ist. Viele Ereignisse aus den zwei Jahren als Lehrer und Schüler sind den beiden älteren Herren noch in Erinnerung. Und immer wieder sprudeln neue Geschichten hervor. Der damalige Schüler wurde von seinem Lehrer und auch vom Pastor Matyzek freundschaftlich aufgenommen. Der Lehrer und der Pastor haben nämlich häufig zusammen musiziert, der Pastor spielte Geige, Rudolf Köppe Klavier. Auch Horst Schmidt interessierte sich für Musik und lernte beim Pastor Geige zu spielen. Leider könne er jetzt nicht mehr viel Klavier spielen, bedauert Rudolf Köppe.

Horst Schmidt ist nach Oberkochem weitergefahren, wo das Zeiss-Unternehmen in dieser Woche ein großes Pensionärstreffen veranstaltet. So konnte der 80-Jährige beides miteinander verbinden. Doch als er sich von seinem ehemaligen "Kanter" verabschiedet, verspricht er, bald wiederzukommen, solange es die Gesundheit noch erlaubt.