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Lehrer wollen für ihre Ziele in die Landeshauptstadt ziehen/Sie fordern Gleichbehandlung Am Mittwoch wird richtig gestreikt

Von Marita Bullmann 06.03.2015, 02:17

170 Lehrerinnen und Lehrer aus dem nördlichen Landkreis Börde sind gestern zum Warnstreik ins Streiklokal nach Haldensleben gekommen. In der nächsten Woche beim ganztägigen Streik, wenn Pädagogen aus dem ganzen Land in Magdeburg für ihre Ziele eintreten wollen, sollen es noch viel mehr sein.

Haldensleben l Dass sie diesmal nicht vorher aufgeben, sondern ihre Ziele durchsetzen, das hält Eva Gerth durchaus für möglich. Die stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist gestern Nachmittag, als die Streikversammlung im Schützenhaus zu Ende geht, dennoch optimistisch. Am nächsten Mittwoch, 11. März, wird in den Schulen im ganzen Land ganztägig gestreikt. In Magdeburg wollen die Pädagogen gemeinsam ihre Stimme erheben. Dann kommt es auf das Ergebnis der dritten und letzten Verhandlungsrunde an, die für den 16./17. März in Potsdam anberaumt ist. "Dann müssen wir uns vielleicht fragen, nehmen wir ein schlechtes Tarifergebnis hin oder kämpfen wir das durch", sagt Eva Gerth. "Da macht ihr uns Mut, nochmal loszugehen", wandte sie sich an die Frauen und Männer im Haldensleber Schützenhaus.

"Weil sie jetzt auch noch an unsere Rente wollen."

2011 und 2013 hatten sich die Lehrer mit einigen Zugeständnissen zufrieden gegeben, doch für sie steht viel auf dem Spiel, das wissen alle im Streiklokal. Sie sind gekommen, "weil die langen Griffel jetzt auch noch an unsere Rente wollen", formuliert es Marie-Luise Kohn aus dem Haldensleber Sekundarschulzentrum. Und sie haben genug von der "Ungleichstellung", ergänzt Sigrid Juraschek. "Wir machen dieselbe Arbeit wie die verbeamteten Lehrer und bekommen wesentlich weniger Geld."

Antje Roemer hat es wie mehrere andere Kolleginnen und Kollegen an den langen Tischen im Streiklokal noch extremer getroffen. Sie gehört zu den sogenannten "Nichterfüllern". Diese Bezeichnung gilt für Lehrer, die zu einem bestimmten Stichtag, dem 31. Dezember 1996, nicht als Lehrer tätig waren. Damit erfüllen sie nicht die Voraussetzungen, als Lehrer verbeamtet zu werden und werden noch tiefer eingruppiert, obwohl sie dieselbe Ausbildung haben und denselben Unterricht machen.

"Unser Lehrerkollegium ist überaltert, wir brauchen junge Lehrer", sagen die Pädagogen der Haldensleber Sekundarschule. Ähnlich sehen das die Lehrer der Albert-Niemann-Sekundarschule Erxleben, die am anderen Tisch sitzen. Ihnen kommt es nicht an erster Stelle auf eine Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent an, bekräftigen sie. Sie legen Wert auf ihre Altersversorgung, auf die Neueinstellung von jungen Lehrern und von Lehrern, um die Inklusion durchzusetzen. Es geht ihnen wie auch allen anderen um eine Verbesserung der Situation an den Schulen.

An vielen Schulen fehlen Lehrer. Entweder sie sind von vornherein nicht da oder ein hoher Krankenstand sorgt zu einer weiteren Überlastung der Lehrer. GEW-Kreisvorsitzender Volker Thiele spricht davon, dass es eine Vereinbarung mit dem Landesschulamt gibt, dass Lehrer bis zu 80 Überstunden im Schuljahr machen können, diese Überstunden sollen dann im nächsten Schuljahr wieder ausgeglichen werden. Nur funktioniert das nicht, erklärt er und führt das Beispiel des Gymnasiums Wanzleben an. Das Kollegium schiebt aus dem vorherigen Schuljahr schon 2000 Überstunden vor sich her. Das gehe an die Substanz, sagt der Kreisvorsitzende.

Zu Schuljahresbeginn habe es am Oschersleber Gymnasium nur eine Unterrichtsabsicherung von 93 Prozent gegeben, führt Thiele weiter an und erinnert an den Lehrermangel am Gymnasium Weferlingen, von dem in der Volksstimme berichtet wurde. Zwar habe die Schule daraufhin zwei Lehrer bekommen, doch der Unterricht kann immer noch nicht ausreichend abgesichert werden, so dass beispielsweise in einigen Fächern Klassen zusammengelegt werden müssen.

Eine nicht unerhebliche Belastung bringt die Inklusion den Schulen. Auch das wird angesprochen. Schüler mit erhöhtem Förderbedarf besuchen die Regelschulen, doch die Lehrer können sich nicht ausreichend um sie kümmern. Förderschullehrer hetzen von Schule zu Schule, haben aber viel zu wenig Zeit, um den Schülern die nötig Hilfe geben zu können. "Sie haben nicht das Gefühl, überhaupt etwas zu erreichen in den 3, 4, 5 oder 6 Unterrichtsstunden in der Woche", fasst es Volker Thiele zusammen. "Inklusion kostet Geld. Förderschullehrer müssen an den Schulen bleiben, sonst funktioniert das nicht", sagt er unter großem Beifall im Saal. Und verweist im gleichen Atemzug auf die pädagogischen Mitarbeiter, die genauso gebraucht werden. Damit spricht er die besonderen Probleme in den Grundschulen an.

Noch andere Probleme wie die Anerkennung der tatsächlichen Arbeitszeit und die Abordnungen an andere Schulen kommen auf den Tisch, wenn sie auch bei den jetzt laufenden Tarifverhandlungen nicht zur Sprache kommen, aber sie schüren den Frust. Im Land Sachsen-Anhalt gibt es 3000 bis 4000 Abordnungen und Versetzungen von Lehrern, weiß Eva Gerth. Lehrer sind täglich von einer Schule zur nächsten unterwegs, um den Unterricht abzusichern. Das alles beeinträchtige die Gesundheit der Lehrer, habe eine Studie ergeben, sagt Eva Gerth.

Am nächsten Mittwoch wollen die Lehrer der Landesregierung gegenüber ihren Unmut deutlich machen. Den gestrigen Warnstreik hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) organisiert, aber auch den Philologenverband und den Verband Bildung Erziehung mit einbezogen. Von den 170 Teilnehmern am Warnstreik waren 150 GEW-Mitglieder. Zum Streik am Mittwoch wolle man noch mehr Kollegen, auch Nichtorganisierte, mobilisieren, appellierte Volker Thiele.

"Nur wenn wir unsere Stimme gemeinsam erheben, können wir was erreichen", meint Silvia Tiepelmann aus der Grundschule Barleben und sieht sich dabei in bester Gesellschaft.