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Betreiber stellten ihre Vorhaben für Kinderdorf und betreutes Wohnen am Weddendorfer Lehmweg im Stadtrat vor "Wir wollen keinen Gefängnisblock bauen"

Von Julia Schneider 19.03.2015, 02:21

Großen Besucherandrang hat es bei der jüngsten Stadtratssitzung von Oebisfelde-Weferlingen gegeben. Etliche Anwohner des Lehmweges waren erschienen, um mehr über ein geplantes Kinderdorf und eine Seniorenwohnanlage zu erfahren, die in ihrem Baugebiet errichtet werden sollen. Zu Wort kamen die Vorhabenträger jedoch nicht gänzlich.

Oebisfelde-Weferlingen l Mit Spannung erwarteten nicht nur die Anwohner des Lehmweges, sondern auch die eingeladenen Gäste des Stadtrates am Dienstagabend die Tagesordnungspunkte 6.2 und 6.3. Die Gremienmitglieder hatten ihren Besuchern Rederecht eingeräumt, denn es galt, endlich Licht ins Dunkel um die Bauvorhaben am Weddendorfer Lehmweg zu bringen. Angereist waren Barbara Scholz aus Barwedel im Landkreis Gifhorn die die Projektentwicklung für eine betreute Seniorenwohnanlage abwickelt sowie Elke Peter-Syma aus Delligsen im Landkreis Holzminden, die ein Kinderdorf am Lehmweg bauen möchte. Mit ihnen waren Diplomingenieur Michael Labahn und Architektin Lorna Labahn aus Stralsund gekommen, die mit ihrem Planungsbüro beide Wohnanlagen entwerfen.

Zunächst hatten die beiden Planer das Wort. "Ich habe ein Baumassenmodell erstellt, das aufzeigt, wie die neue Baumasse sich in das Gelände einfügt", erklärte Lorna Labahn und versuchte anhand anschaulicher Grafiken, mögliche Bedenken der Anwohner auszuräumen. So erläuterte sie unter anderem, dass die neu konzipierten Gebäude nicht höher werden würden als die schon bestehenden Eigenheime am Lehmweg. Zudem würden, so zeigte auch eine Grafik, die neuen Häuser im Frühjahr und im Sommer kaum Schatten auf die Eigenheime der Weddendorfer werfen. Schon während die Architektin sprach, redeten anwesende Bürger dazwischen und erklärten, sie ließen sich nicht für dumm verkaufen. So könne es den Anwohnern zufolge nicht sein, dass ihre eigenen Häuser in der Grafik höher dargestellt sind, als die geplanten zwei-und dreistöckigen Gebäude. Weil die Anwohner bei der Anhörung per Gesetz kein Rederecht hatten, wurden sie jedoch zur Ruhe ermahnt. Einige Stadträte stellten sich aber die gleichen Fragen. So wollte Sven Groneberg (SPD) wissen, wie ein dreigeschossiges Gebäude mit Flachdach ähnlich hoch sein kann, wie ein einstöckiges Einfamilienhaus. "Ich habe mit Standardmaßen gerechnet", erläuterte Lorna Labahn. Die Architektin habe anhand der Luftaufnahmen ihre Schlüsse über die Häuser gezogen und acht bis neun Meter Höhe für die Wohnhäuser mit Dachgeschossen und Spitzdächern gerechnet. Mit jeweils einem Erdgeschoss von rund 3,50 Metern sowie einem zweiten und gegebenenfalls dritten Geschoss mit 3 Metern seien die neuen Gebäude demnach nicht erheblich höher als die bereits bestehenden.

Diese Antwort brachte neue Fragen ins Spiel. So wollte Volker Marquardt (CDU) gern wissen, wie flexibel Barbara Scholz und ihr Planerteam in der Gestaltung der Gebäude sind. "Würden sie mit den Häusern auch in die Breite gehen?", fragte der Stadtrat und erinnerte an ein Seniorenheim in Weferlingen, das ebenfalls einstöckig ist und trotzdem gewinnbringend betrieben wird. "Wir sind natürlich bereit, eine zweigeschossige Bauweise zu prüfen. Aber noch mehr in die Breite gehen können wir nicht", äußerte sich Barbara Scholz. "Ich müsste am Ende die Mitarbeiterinnen hin-und her scheuchen, sie sollen vernünftig arbeiten und keinen Marathon laufen." Am rentabelsten wäre jedoch eine dreigeschossige Bauweise, stellte Barbara Scholz klar. Alles andere sei für sie verhandelbar. "Wir sind gerne bereit, offener und lockerer zu bauen, die Natur mehr einzubeziehen und Grünflächen anzulegen", sagte die Vorhabenträgerin. "Wir wollen schließlich keinen Gefängnisblock bauen und die alten Leute einsperren, sondern hübsche Häuser für sie bauen."

Öffentlichkeit soll erst in genauerer Bauplanung einbezogen werden

Bei der Frage nach dem Investor, der beide Vorhaben finanziert, zeigte sich Barbara Scholz hingegen weniger auskunftsfreudig. So wolle der Investor erst mit dem eigentlichen Bauantrag in Erscheinung treten. "Die Finanzierung ist uns aber fest zugesagt. Es ist eine deutsche, sehr bekannte Stiftung, die für die gesamten Kosten aufkommen möchte", erklärte Barbara Scholz. Die Investitionsgesellschaft wolle die Finanzierung in Kooperation mit einer Projektgesellschaft übernehmen. Mit dieser Antwort wollten sich viele Stadträte nicht ganz zufrieden geben. Martin Krems-Möbbeck (SPD) richtete die Frage an die Stadtverwaltung, ob der Investor der Stadt genau bekannt ist auf seine Solvenz geprüft wird. Schon auf gesetzlicher Ebene gebe es genaue Vorgaben, die das Vorhaben regeln und prüfen, der Vorhabenträger sei also bereits bekannt und werde auch überprüft, antwortete Bauamtsleiter Uwe Dietz.

Jörg Lauenroth-Mago (Bündnis 90/Grüne) richtete sich unterdessen an Barbara Scholz und fragte, ob es nicht sinnvoll wäre, die Öffentlichkeit mit in die Planung der Anlage einzubeziehen. "Wir haben das auf jeden Fall vor, wenn wir in die genauere Bauplanung gehen", entgegnete diese unter Protest der Bürger, die die Meinung äußerten, sie hätten schon längst mit einbezogen werden sollen.

Keinen leichten Start hatte auch Elke Peter-Syma, die angereist war, um Auskunft über das Kinderdorf zu geben. Die Pädagogin hatte eine Präsentation ausgearbeitet, die zunächst sie als Person und dann ihr Konzept vorstellen sollte. Viele Fakten konnte sie jedoch nicht auf den Tisch bringen, denn schon nach wenigen Sätzen beschwerten sich Stadträte sowie Bürger über die ausschweifenden Erläuterungen der Niedersächsin. "Ihr Lebenslauf interessiert hier nicht. Wir haben auch noch andere Punkte auf der Tagesordnung", mahnte Kerstin Dörfel (CDU) zur Eile.

So erklärte Elke Peters-Syma auf Nachfrage von Einheitsgemeindebürgermeisterin Silke Wolf nur grob, wie das Leben der Kinder und Jugendlichen in Weddendorf aussehen sollte. "Ich stelle mir einen Austausch zwischen den Senioren und dem Kinderdorf vor. Es soll ein ganz einfaches Miteinander werden", erklärte die Vorhabenträgerin und redete von gemeinsamen Veranstaltungen, Kochen, Vorlesen und gegenseitiger Hilfe. Auf die Frage von Volker Marquardt, ob eine Bedarfsplanung vorgenommen wurde, konnte Elke Peters-Syma lediglich mit einem "Jein" antworten. So stütze sie sich vor allem auf bundesweite Erhebungen, die belegen dass Kinder und Jugendliche sowie junge Mütter auf Einrichtungen wie das geplante Kinderdorf angewiesen sind.

Nach allem, was sie gehört hatten, genehmigten die Stadträte letzlich eine Änderung des Bebauungsplanes zugunsten der Vorhaben. Allerdings legten sie dafür Bedingungen fest. So formulierte Kerstin Dörfel die Zusätze, dass die Gebäude höchstens zweigeschossig sein dürfen, sie Flachdächer besitzen müssen und so weit wie möglich von der Straße entfernt gebaut werden sollen. Mehrheitlich wurde dieser Beschluss in beiden Fällen angenommen. Lesen Sie in einer der nächsten Ausgaben, wie die Vorhabenträger sich die Bauvorhaben vorstellen.