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Historiker Mathias Tullner erklärt zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks dessen Bedeutung für die Hohe Börde Bismarckturm erinnert an Kanzler bis jetzt

01.04.2015, 01:20

Zum 200. Mal jährt sich am heutigen Mittwoch der Geburtstag von Otto von Bismarck, dem ersten Kanzler des deutschen Kaiserreichs. Auch in der Hohen Börde erinnern die Bismarckwarte zwischen Irxleben und Niederndodeleben sowie die Bismarckeiche im früheren Schnarsleben (heute Niederndodeleben) an ihn.

HoheBörde (car) l Nach Einschätzung von Prof. Mathias Tullner aus Irxleben, Historiker an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, hat sich das Bismarck-Bild vor allem nach deutschen Einheit von 1989/90 gewandelt.

Wegen seiner repressiven Maßnahmen gegen die Sozialdemokraten aber auch wegen seines "Kulturkampfes" gegen die Katholiken war und ist Bismarck teilweise umstritten. Seine innenpolitischen Auseinandersetzungen hatten schließlich zu seiner Absetzung geführt.

In der DDR, aber auch unter Historikern der alten Bundesrepublik wurde Tullner zufolge eine direkte Verbindung vom "deutschen Sonderfall Bismarck" im Kaiserreich bis zur nationalsozialistischen Diktatur gezogen. Tullner erklärt, Bismarck habe seinen Kritikern zufolge den Charakter der Deutschen verdorben und ihre Anfälligkeit für den starken Mann im Staate mitbegründet. Deshalb sei er in die undemokratische Ecke gestellt worden. Diese Irritationen leben bis heute fort. "Aber selbst führende Sozialdemokraten wie der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reinhard Höppner teilten dieses einseitige Bild auf Bismarck nicht", erklärte Tullner in einem Gespräch im Irxleber Rathaus.

Tullner sieht in Bismarck vor allem einen Staatsmann, der sich im Laufe seiner Karriere geändert habe, in gewissem Maß eigene reaktionäre Meinungen revidiert habe und als Kind seiner Zeit bedeutsame Veränderungen eingeleitet habe, die bis heute elementarer Bestandteil der Gesellschaft und nicht nur der deutschen Gesellschaft sei. "Er hat Deutschland eine Verfassung gegeben, er hat das damals modernste Wahlrecht weltweit eingeführt und er hat weltweit die erste Sozialgesetzgebung mit Unfall-, später der Kranken- und schließlich der Rentenversicherung eingeführt. In den USA wird die Krankenversicherung erst seit Obama mit viel Widerstand eingeführt. Diese Leistungen sollten beim Bismarckbild nicht unter den Tisch fallen", so Tullner.

Bismarck habe früh erkannt, dass die Verarmung der Massen eine Gefahr für den deutschen Staat darstelle und der Staat dem begegnen müsse. Der Historiker Lothar Gall hat Bismarck aufgrund seiner Bedeutung für die deutsche Staatsentwicklung als den "weißen Revolutionär" bezeichnet. Tullner betont: "Bismarck hat als Realpolitiker das deutsche Kaiserreich im Vergleich zu den damaligen anderen europäischen Staaten zu einem der modernsten Staatsgebilde gemacht mit einer erfolgreichen Wirtschaft und führender Wissenschaft."

Altbundeskanzler Helmut Kohl zitierte Bismarck in den Tagen der Wende mit den Worten: "Da sah ich den Herrgott durch die Weltgeschichte schreiten und sprang zu, seines Mantels Zipfel zu ergreifen." Deutschland wurde geeint, ohne Gewalt und durch schnelles Entscheiden eines Politikers, über den sich bis heute die Geister scheiden. Das war bei Kohl so und war bei Bismarck ähnlich.

"Um die Erinnerung an Bismarck kümmern sich heute Vereine, die weiß Gott nichts mit der Pegida-Bewegung oder anderen Rechtsnationalen zu tun haben", erklärte Mathias Tullner. Die Bismarckwarte ist heute Teil des Wappens der Hohen Börde, mit dem sich alle Ortschaften der Gemeinde identifizieren. Die Bismarck-Erinnerungsstätten sind Tag der Alltagskultur und - wie der Niederndodeleber Wartberg - beliebte Ausflugsziele geworden. Um den Wartberg kümmern sich die "Naturfreunde Wartberg" Sie haben in der Vergangenheit an der Sanierung der Bismarckwarte mitgewirkt, "ohne einen nationalen Hintergrund damit zu verbinden", betont der Vereinsvorsitzende Werner Schier. "Wir stehen der Sache mit Bismarck neutral gegenüber."

Bürgermeisterin Steffi Trittel betont: "Der Bismarckturm ist heute ein Stück Heimat und Bismarck ein Teil unserer Geschichte, an die wir erinnern, die wir richtig einordnen, weder lobpreisen noch verdammen. Bismarck war ein Kind seiner Zeit und hat für unser heutiges Staatswesen viel Positives bewirkt. Das ist das, was vor allem zählt."