1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Professor führt durch die Zeit

Geschichtswerkstatt in Wegenstedt Professor führt durch die Zeit

08.06.2015, 01:31

Wegenstedt (aro) l Etliche Heimatinteressierte hatten sich in der Geschichtswerkstatt eingefunden und verfolgten interessiert die Ausführungen von Professor Siegfried Wollgast aus Dresden zum Thema "Gelehrte auf dem Lande vom 15. bis zum 19. Jahrhundert".

Der Vortrag diente zur Bereicherung der Austellung "Gelehrte, Forscher und Entdecker in den Dörfern zwischen Calvörde und Klein Oschersleben". Die Ausstellung entstand nach einer Idee und nach sehr zeitaufwendigen Recherchen und Vorarbeiten der Pastorin Irene Heinecke und ihres Mannes, Dr. Berthold Heinecke. Es gab durchaus auch auf dem Lande damals "Gelehrte", auch wenn ihre Zahl zunächst äußerst gering war. Als Gelehrte galten Menschen mit einem Universitätsabschluss an einer der vier Fakultäten: der Theologischen, Juristischen, Medizinischen und Philosophischen Fakultät.

Dorfpastoren waren im Nachteil

"In diesen Jahrhunderten waren allein Absolventen der Theologischen Fakultät - Pfarrer, Pastoren - auf dem Lande tätig. Gegenüber ihren Kollegen in der Stadt hatten sie Nachteile in Beziehung auf Karriere, Ausbildungs- oder Weiterbildungsmöglichkeiten und so weiter. Bei vielen nicht fachlichen Dingen waren sie im Dorf gefragt, bis hin zu medizinischen wie auch juristischen Problemen. Sie standen zwischen Patronatsherr und Gemeinde. Die Patronatsherren, häufig Gutsbesitzer, hatten oft auch studiert, zumeist Jurisprudenz", berichtete Wollgast.

Statt der studierten Ärzte kamen - nach den Ausführungen des Professors - Wundärzte ins Dorf. Die studierten Mediziner betrieben die innere Medizin. Die Wundärzte - also Landärzte - hatten nicht studiert, sie betrieben die Chirurgie (Schneideärzte), hatten ihren Anfang bei Barbieren oder Badern genommen. Sie wirkten auch als Bruch- und Steinschneider, Starstecher, Zahnreißer und so weiter. Die Landbevölkerung wäre auch aus Geldgründen eher mit ihnen zufrieden als mit studierten Ärzten. Diese "Landärzte" hätten große Leistungen vollbracht, bekannt ist noch heute Johann Andreas Eisenbart (1661-1727).

Schulpflicht eingeführt

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Schulpflicht in Deutschland eingeführt. Lange kamen die Lehrer aus dem Handwerker- auch aus dem Soldatenstand. Erst im 18. Jahrhundert wurde allmählich Lehrer ein eigenständiger Beruf. "Damit erhielt er auch eine eigenständige Ausbildung. Er war aber dabei noch keineswegs hoch geachtet, vielfach war sein Gehalt sehr niedrig. Er musste auch Feldarbeiten machen, Küster beziehungsweise Organist sein", erzählte Wollgast und nannte als Beispiel das Volkslied "vom armen Dorfschulmeisterlein".

Es habe aber auch viele Studierte gegeben, die mit dem Leben auf dem Lande nicht zufrieden waren und in die Stadt gingen. "Auch der Namensgeber der Geschichtswerkstatt Samuel Walther ging als Rektor eines Gymnasiums nach Magdeburg. Die Beziehung zur Heimat - sein Vater war Pastor in Wegenstedt - hielt Walther aber stets aufrecht", ergänzte Ewald Koch, der zum Freundeskreis der Werkstatt gehört. Walthers Werk "Magdeburger Merkwürdigkeiten" ist noch heute Quelle für Einblicke in den Zustand der Landschaft des Drömlings vor der Entwässerung.

Die Ausstellung ist bis zum 2. August sonntags von 14 bis 16 Uhr zu sehen. Professor Dr. Reimar von Alvensleben wird am Freitag, 3. Juli, um 19 Uhr einen Vortrag über "Joachim I. von Alvensleben (1514-1588) und seine Bibliothek" halten.