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Lesung am Kanal Von der Wassermühle bis zu Mäusen

Geschichten vom Wasser, ausgeschmückt mit einer Portion Fantasie, hat Ingeborg Heidenreich am Ufer des Mittellandkanals präsentiert.

Von Anett Roisch 30.07.2015, 19:42

Bülstringen l Ingeborg Heidenreich ist nicht nur eine Pastorin im aktiven Ruhestand, sondern auch eine leidenschaftliche Autorin. Mit Geschichten, die sich alle um Bülstringen drehen, unterhält sie am Ufer des Mittellandkanals ihr Publikum.

Es ist die zweite Veranstaltung dieser Art, denn vor zwei Jahren stellte sie bereits in der Wieglitzer Kirche ihre Werke vor. "Ein Gedicht ist erst heute noch entstanden. Die meisten Werke hat meine Frau erst vor kurzem geschrieben. Es ist also eine Uraufführung" verrät Pfarrer Hans Heidenreich.

Zur Einstimmung spielt Ursel Heinhaupt aus Ellersell auf ihrem Akkordeon - natürlich Seemannslieder. Und so ganz nebenbei winken die Gäste den vorbeifahrenden Kapitänen der großen Frachtschiffe zu und rufen: "Huhu..." Oben auf dem Mast beim Bäckerhaus nisten die Störche mit ihren Jungen. Und auf dem Kanal schwimmt ein Schwanenpaar mit vier Jungen heran.

Mühle existiert nicht mehr

In der ersten Geschichte erzählt Inge Heidenreich von einer Nacht in der alten Bülstringer Wassermühle. "Leider existiert sie nicht mehr. Was da passiert ist, werden wir jetzt erfahren", macht Hans Heidenreich neugierig.

Zuvor bedankt sich die Pastorin bei Annette Bachmann, Martin Hermes und Ernst Hillmer, die ihr über die Bülstringer Mühlen Spannendes erzählt hatten, sowie bei den Frauen der Schreibrunde der Stadtbibliothek Haldensleben, die ihr geholfen hatten, die Worte dichterisch zu formulieren. "Nein, in der alten Mühle wollen wir nicht schlafen. Das ist doch viel zu unheimlich. Da klappert es immer - und das mitten in der Nacht. Und dieses Rauschen, das nie aufhört", liest sie vor und erzählt von drei Kindern, die ihren ganzen Mut zusammen nehmen und doch in der Mühle schlafen. In der Mühle hat es zum Abend nicht etwa Mehlsuppe mit Mehlwürmern gegeben, sondern Kartoffeln und Stippe..."

Ingeborg Heidenreich erzählt in ihrer Geschichte den Witz von der Holzwurmmutter. "Da geht es für die kleinen Würmer ab ins Brettchen", sagt sie schmunzelnd und beschreibt, wie Fledermäuse als märchenhafte Engelsmäuse den Weg zum Plumpsklo kreuzen... "Es steht eine Mühle im Schwarzwälder Tal, die klappert so leis vor sich hin", stimmt Ursel Heinhaupt an.

Und weiter geht es mit einer Geschichte vom Mühlbach, an dem die Kinder angelten. "Die Kinder hörten ein lautes Schreien. Briefträgerin Dora war mit dem Fahrrad in die Beek gestürzt. Die Kinder versuchten, die vielen Briefe aus der Beek zu fischen. So hatten die Briefe alle ein Wasserzeichen", sagt sie schmunzelnd.

Reise durch die Vergangenheit

Inspiriert von den Erzählungen der Bülstringer reist die Pastorin mit ihren Zuhörern weiter durch die Vergangenheit. Wie der Törner See zu seinem Namen kam, verrät die Pastorin in der nächsten Geschichte. Annette Bachmann spielt in einer der wahren Begebenheiten die Hauptrolle. "Es war im Jahr 1972, da lernte Anette den Müller kennen. Sie wurde des Müllers Frau und wohnte in der Wassermühle. Damals gab es den Törner See noch gar nicht, aber den Mühlbach. Die Büstringer brachten Roggen, Weizen und Gerste und ließen das Getreide dort mahlen. Später begann man den See auszugraben. 1976 war er fertig. "Die LPG brauchte ihn zur Bewässerung von Rüben und Rosenkohl", erzählt die Pastorin. "Und Tabak", ruft eine Zuhörerin dazwischen. "Aber woher kommt der Name?" "Heute kann ich darüber reden", sagte Annette Bachmann. Zu der Zeit habe es eine Rockgruppe gegeben. "Die sollten wir in der DDR gar nicht hören, weil sie aus dem Westen kam. Aber das machte sie natürlich erst recht interessant", verriet die ehemalige Bewohnerin der Mühle, die jetzt neben dem See wohnt, auf dem Mühlengelände. Diese Band hieß Bachmann - Turner Overdrive. "Wir heißen auch Bachmann. Und so hat man den See einfach Törner See genannt", erinnert sich Annette Bachmann. Die Verantwortlichen konnten nichts dagegen machen, der Name hat sich einfach durchgesetzt.

Tosenden Beifall bekommt die Geschichtenerzählerin. "Ich habe mich mit vielen Dorfbewohnern unterhalten, historische Ereignisse verarbeitet und alles noch etwas ausgeschmückt", beschreibt die Hobbyautorin. Ihr Geschichtenbuch ist dick. Locker könnte sie noch weitere Abende füllen.

Marlis Stephan aus der Schreibrunde ist auch bei der Kanallesung dabei und verfasst am selben Abend dazu ein Gedicht. Im Anschluss gibt es gegrillte Würstchen von der Feuerwehr und Waldmeisterbowle.