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Neujahrsinterview mit dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land Bernd Witt Herausforderung 2013: "Wir müssen eine gute Lösung für die fünf kleinen Schulen finden"

12.01.2013, 01:27

Nach einem ereignisreichen Jahr mit kulturellen Höhepunkten und baulichen Herausforderungen stellt sich die Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land 2013 neue Ziele. Welche das sind, besprach Anke Schleusner-Reinfeldt mit Verbandsbürgermeister Bernd Witt.

Volksstimme: Beim Blick zurück auf die letzten Monate denken Sie woran besonders gern?

Bernd Witt: 2012 war ja sehr reich an Höhepunkten vielfältiger Art - kulturell und baulich. Etliche Herausforderungen waren zu meistern. Ich denke da zum Beispiel an die Altmarkschau und das Kunstfest in Schönhausen, den Feuerwehr-Kreisausscheid in Klietz, den Umbau der Schule zum Bürgerzentrum, den Radwegbau in Molkenberg, die Veranstaltungen im 800. Geburtstagsjahr der Schönhauser Kirche oder die vielen Feste und sportlichen Veranstaltungen in den Dörfern. Gefreut habe ich mich auch über kleine Erfolge wie den Erhalt der Ampel in Fischbeck wohl auch Dank des leidenschaftlichen Protestes der Dorfbewohner - da zeigt sich, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Schön ist, dass die Veränderung an der Fischbecker Kreuzung scheinbar zur Entschärfung des Unfallschwerpunktes geführt hat.

Volksstimme: Und was hatte Ihnen Kopfschmerzen bereitet?

Bernd Witt: Kopfschmerzen? Kann ich so nicht sagen. Die Arbeit wurde auf breite Schultern verteilt. Letztlich war doch jede Aktion irgendwie von Erfolg gekrönt, auch wenn wir uns für die Altmarkschau natürlich mehr Besucher erhofft hätten.

Volksstimme: Das Thema Naturschutzgebiet Elbaue Jerichow wird auch 2013 sicher Nerven kosten. Glauben Sie, dass das Land seine Pläne unbeeindruckt der Proteste durchzieht oder auf die von den Menschen im Elbe-Havel-Land geforderten Kompromisse eingeht?

Bernd Witt: Natürlich hoffe ich, dass das Land von den starren Richtlinien abweicht, unsere Forderungen berücksichtigt und man eine gütliche Einigung, mit der alle leben können, findet. Die Bildung des Naturschutzgebietes nach dem vorliegenden Entwurf, für den ich nicht im geringsten Verständnis habe, wäre ein Rückschritt für unsere Region. Die Mehrheit der Menschen im Elbe-Havel-Land und auch westlich der Elbe haben so sehr gegen den Bau eines Steinkohlekraftwerkes unter anderem wegen des Schutzes unserer Natur gekämpft. Nun schlägt alles ins Gegenteil um und wir sollen diese Natur nicht einmal mehr nutzen und genießen können - das geht nicht!

Volksstimme: Wie lassen sich denn Naturschutz und Tourismus, den der Verband ja mit der Einstellung der Managerin Jenny Freier weiter ankurbeln will, unter einen Hut bringen?

Bernd Witt: So, wie es momentan ist, sehr gut. Wir wollen den sanften Tourismus fördern, die Natur ist doch eines der wenigen Pfunde, mit denen wir werben können. Mit der Managerin wollen wir die bisherigen Angebote ausbauen, bündeln und besser koordinieren, neue Ideen sind gefragt. Das alles geht aber nur, wenn wir durch Vorschriften nicht extrem eingeschränkt werden.

Volksstimme: Welche touristischen Projekte werden als erstes in Angriff genommen?

Bernd Witt: Das werden die für die nächsten Wochen geplanten Zusammenkünfte mit allen Beteiligten ergeben. Langfristig bereiten wir uns natürlich auf die Buga und Bismarcks 200. Geburtstag 2015 vor. Aber es gibt auch viele kleine Dinge, die wir in Angriff nehmen. Als erstes ist das der Elberadeltag im Mai in Sandau.

"Kindergärten und Feuerwehren - es gibt genügend Baustellen."

Volksstimme: 150000 Euro Investitionsumlage zahlen die sechs Mitgliedsgemeinden auch dieses Jahr. Für welche Vorhaben werden sie eingesetzt?

Bernd Witt: Ob es wie in den zurückliegenden beiden Jahren auch 2013 tatsächlich 150000 Euro sind, wird erst die Haushaltsdebatte ergeben. Auch, wofür das Geld genutzt wird. Gebraucht wird es an so vielen Stellen. Ich denke da an den zu kleinen Schollener Kindergarten, das Feuchtigkeitsproblem im Schönhauser Kindergarten oder die überalterte Technik bei den Feuerwehren. Die Prioritätenliste für Investitionen ist lang. Wir könnten zehnmal so viel Geld zur Verfügung haben - es würde für alles Nötige immer noch nicht reichen.

Volksstimme: Die Landesregierung will die Schullandschaft in Sachsen-Anhalt verändern und kleine Schulen schließen. Welche Chancen sehen Sie für die fünf Grundschulen im Elbe-Havel-Land?

Bernd Witt: Da müssen wir, ob es uns gefällt oder nicht, realistisch bleiben. Im Jahr 2029 haben wir laut Prognose im Elbe-Havel-Land nur noch 120 Schüler - die reichen nicht für fünf Schulen. Vielleicht haben wir in 15 Jahren nur noch zwei Schulen. Aber welche das sind und wo sie sich befinden, müssen wir beraten und eine Lösung finden, mit der alle leben können. Viele Faktoren sind zu berücksichtigen, unter anderem der bauliche Zustand der Objekte, die Betriebskosten und Kosten für die Unterhaltung und auch die Fahrzeit, die die Schüler mit den Bussen zurücklegen müssen. Nicht vergessen darf man auch die Pläne für die private Schule in Kamern, was die Schülerzahl noch einmal mindern könnte. Entscheidend ist erst einmal, dass das Land ganz konkrete Vorgaben macht. Natürlich wäre mir es auch am liebsten, alle Einrichtungen zu erhalten. Aber da werden das Land und auch der Landkreis, der an einer Schulentwicklungsplanung ab 2014 arbeitet, nicht mitspielen. Das wird keine leichte Aufgabe.

Volksstimme: Apropos Personal. Die Verwaltung versucht, Personalkosten zu sparen. Auf der letzten Verbandsratssitzung 2012 hatte Arnold Bausemer die Kosten für den inzwischen ausgeschiedenen Bauamtsmitarbeiter Norbert Tanne angesprochen, dessen Lohn bis zum Eintritt in die Rente im Herbst gezahlt wurde und auch Anwaltskosten anstehen. Was können Sie dazu sagen?

"Wir haben schon etliche Stellen im Verwaltungsamt eingespart."

Bernd Witt: Zur Personalsituation so viel, dass wir im vergangenen Jahr wieder gespart haben. Schließlich muss sich auch die Verwaltung dem Demografiewandel in gewisser Weise anpassen. Die Stellen der seit der Gründung der Verbandsgemeinde in Ruhestand ausgeschiedenen Mitarbeiter Hans-Jürgen Kober, Roswita Specht, Regina Wischer und Petra Hagen wurden nicht ersetzt, auch für die demnächst ausscheidende Doris Tanne gibt es keine Nachfolge. Durch Umverteilung von Arbeit war es möglich, die Personalreduzierung auszugleichen. Zu Norbert Tanne kann ich nur so viel sagen, dass der letzte Schlussstrich noch nicht gezogen ist. Als Beamter hat er seit seiner Erkrankung vor über zwei Jahren bis zur Akzeptierung seiner Pensionierung im Herbst laut Gesetz nun mal die vollen Bezüge zu bekommen. Und dass wir dabei Anwaltkosten zu zahlen haben, ist ja logisch.

Volksstimme: Die Verwaltung stellt erstmals einen doppischen Haushalt auf? Welchen Sinn hat er?

Bernd Witt: Es wäre müßig, über Sinn und Unsinn zu sprechen. Wir müssen uns an das Landesgesetz halten und die Doppik umsetzen, zum Glück aber erst ab 2014. Wir sind mit den Bestandsaufnahmen soweit durch, jetzt erfolgen die Bewertungen, die Inventarisierung des Vermögens der Gemeinden und der Verbandsgemeinde und die Vorbereitung des doppischen Haushaltes für das kommende Jahr. Gut ist es, dass man eine umfassende Bestandsaufnahme des kommunalen Eigentums hat. Was man allerdings mit der Bewertung anfängt, ist auch fraglich. Das Schönhauser Bürgerzentrum beispielsweise könnte jetzt nach der Zwei-Millionen-Euro-Sanierung auch mit zwei Millionen Euro bewertet werden. Wenn man es aber verkaufen müsste, würde man es für diese Summe wohl niemals loswerden. Auch die Bewertung von Bäumen oder der alten Feuerwehrautos ist doch rein subjektiv.

Volksstimme: Lediglich Schönhausen und Wust-Fischbeck konnten bislang einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen, Sandau, Kamern, Klietz und Schollene sind pleite. Ändert sich daran dieses Jahr etwas?

Bernd Witt: Leider nicht, denn die Finanzsituation in den vier Gemeinden wird nicht besser. Zum Glück sieht es in Schönhausen und Wust-Fischbeck nicht ganz so dramatisch aus, aber auch hier kann längst nicht mehr aus dem Vollen geschöpft werden.

Volksstimme: Das Finanzausgleichgesetz verspricht doch etwas mehr Geld vom Land?

Bernd Witt: Ja, angekündigt worden sind für unsere sechs Gemeinden und die Verbandsgemeinde rund 700000 Euro. Das schafft zumindest etwas Erleichterung. Aber im Gegenzug ist eine erneute Erhöhung der Kreisumlage angekündigt worden. Wie viel von den Mehrzuweisungen übrig bleibt, ist abzuwarten. Für große Sprünge wird es nicht reichen.

Volksstimme: Was sollte die Landes- beziehungsweise Bundesregierung tun, um die Situation zu verbessern?

Bernd Witt: Mehr Geld ausschütten. Wir müssen doch auch den Gürtel enger schnellen - warum machen das das Land und der Bund nicht? Das Landesverwaltungsamt ist sehr aufgebläht, der Bund und das Land zahlen höhere Diäten an die Abgeordneten und die Großprojekte Flughafen oder Stuttgart 21. Und an der Basis wissen die Gemeinden nicht mehr, wie sie klarkommen und handlungsfähig bleiben sollen. Das Geld reicht ja teilweise nicht mal mehr für die Pflichtaufgaben. Wir wollen keinen Luxus, einfach nur vernünftige Bedingungen. Es kann eigentlich nicht sein, dass die Feuerwehr mit einem Fahrzeug von 1960 zum Einsatz rollt. Oder wieso ist z.B. die Gemeinde Schönhausen für die ICE-Brücke an der Straße zum Damm verantwortlich? Allein die Brückenprüfungen verschlingen Unsummen, an umfangreichere Reparaturen, wie sie schon jetzt angeregt werden, ist nicht zu denken.

"Am Montag beginnen acht neue Ein-Euro-Jobber ihre Arbeit."

Volksstimme: Wie könnte man aus der finanzielle Misere herauskommen?

Bernd Witt: Wohl nur, wenn wir mehr Steuereinnahmen erzielen. Aber das sind Träume, wir backen auch in Zukunft kleine Brötchen. Trotzdem bin ich stets optimistisch und kämpfe und werbe für unsere Region. Wir müssen uns auf unsere Stärken konzentrieren, die unsere Region mit ihrer Vielfalt bieten, wie beispielsweise den sanften Aktivtourismus. Vielleicht bringt der Bau der A14 kleine Impulse mit sich, Platz hätten wir in unseren Gemeinden entlang der Bundesstraßen genug.

Volksstimme: Derzeit gibt es nur wenige Stellen auf dem zweiten Arbeitsmarkt im Elbe-Havel-Land. Sind neue Maßnahmen geplant?

Bernd Witt: Es gab schon Gespräche mit dem Jobcenter. Ab Montag nehmen die ersten acht Personen in einer AGH-Maßnahme ihre Arbeit auf. Im Vorjahr war die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Arbeitsförderung und dem Jobcenter sehr gut und wir konnten für das Elbe-Havel-Land das Bestmögliche erreichen. Auf jeden Fall brauchen wir wieder Ein-Euro-Jobber in allen Bereichen und Orten, um die Betreuung von Jugendlichen, Senioren und Touristen zu gewährleisten und zumindest einen Teil der vielen Arbeit im grünen Bereich zu erledigen. Leider kürzt der Bund die Mittel wohl auch dieses Jahr wieder - wir müssen abwarten.

Volksstimme: Die Verbandsgemeinde besteht nun seit drei Jahren. Kann man inzwischen von einem Zusammenwachsen sprechen?

Bernd Witt: Die Orte haben ihre Eigenständigkeit behalten, das ist gut so. Von den gegenseitigen Besuchen von Festen in den Nachbargemeinden könnte noch reger Gebrauch gemacht werden, mancherorts klappt das schon recht gut. Eine bessere Absprache wäre dabei dienlich. Damit meine ich beispielsweise die Weihnachtsmärkte, die 2012 ja fast alle leider am ersten Adventssonnabend stattgefunden haben - das war schade. Die Verwaltung hat einvernehmlich mit den Gemeinden zusammengearbeitet. Natürlich gibt es auch Dinge, bei denen man intensiver diskutieren muss, auch im Verbandsrat. Das ist auch gut so und sehr oft auch hilfreich. Meist raufen wir uns zusammen, und es geht ja auch nur miteinander. An dieser Stelle auch einmal Dankeschön an den Rat, die sechs Mitgliedsgemeinden und auch an alle Mitarbeiter. Ich wünsche mir sehr, dass wir auch bei den in den nächsten Monaten anstehenden Aufgaben, wie zum Beispiel bei der Diskussion um Investitionen oder die zukünftigen Schulstandorte, sachlich bleiben und immer eine glückliche Hand bei den Entscheidungen haben.