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Ortsverein lud zum Besuch der alten Konsumverkaufstelle ein Kuhlhausener Gebäude könnte wohl viele Geschichten erzählen

Von Ingo Freihorst 02.04.2014, 03:23

Zu DDR-Zeiten besaß jedes Dorf im Havelwinkel eine Konsumverkaufstelle. An jene in Kuhlhausen erinnerte jetzt ein Vortrag des Ortsvereins mit anschließender Führung.

Kuhlhausen l Durch einen Windfang betrat der Kunde den Laden, er musste darin die rechte Tür nutzen. Die linke war den Verkäuferinnen vorbehalten, denn der Laden war durch den L-förmigen Verkaufstresen in der Mitte zweigeteilt. Auf diesem stand auch eine Waage. Selbstbedienung war nicht, das erledigten alles die Verkäuferinnen. Wahrscheinlich war die Verlustquote durch Ladendiebstähle damals sehr gering. Abdrücke im Fußboden zeugen noch vom Tresen.

Im einstigen Konsum erklärte die damalige Verkäuferin Ute Wagner, wo die Waren gestanden hatten: in den Regalen am Fenster die Milchprodukte und Gemüse, auf der anderen Seite Fleisch und Wurst. Erst später kamen Getränke hinzu, sie waren zuvor in einem separaten Laden verkauft worden. Sogar eine Bäckerei hatte es damals im Ort gegeben.

Eine ältere Kuhlhausenerin erzählte beim Besuch des Hauses eine Episode aus ihrer Kindheit: Schneider Bernhard Seemann, ein bekannter Scherzbold, hatte sie mit ihrer Freundin auf Platt aufgefordert, für "eenen Groschen Urin inne Tüt zu kaufen". Mit dem Geld gingen die Mädchen in den Laden zu Frau Glimm, diese gab ihnen denn auch eine Tüte - allerdings gefüllt mit Bonbons. Der erste Verkaufsladen hatte sich übrigens neben dem Friedhof befunden, wusste sie zu berichten.

In dem Haus gegenüber der Kirche hatte sich nicht nur der Konsum befunden, es gab daneben eine und darüber zwei Wohnungen. Herbert Dierkes war mit der Kamera durch das seit etwa 20 Jahren leerstehende Haus gepilgert und hatte etliche Fotos geschossen. Kataloge auf dem Dachboden stammten aus den Jahren 1993 bis 1994 - es waren wohl die letzten Zeitzeugen.

Im Foto festgehalten wurden alte Terazzoböden, urige Türschlösser, ein Klo mit Spülkasten darüber, die Wanne mit angrenzendem Badeofen - Dinge, die man heute kaum noch entdecken würde. Im finsteren und muffigen Keller befindet sich sogar noch ein Backofen, daneben ein altertümlicher Herd. Einem Elektriker würden ob der im Flur verlegten Leitungen die Haare zu Berge stehen. Das Haus ist eigentlich eine Museumslandschaft, allerdings ist es nun verkauft, an eine Jederitzerin.

Bärbel Wolfram stand hier vor Ute Wagner hinterm Tresen, letztere zusammen mit Monika Silcher. Beide gingen im November 1990, als letzte hielt die Garzerin Marlies Göhler den Kuhlhausener Konsum offen - allerdings nur noch für wenige Monate. Jetzt müssen die Einheimischen lange fahren, wollen sie in einen Laden. Oder sie nehmen die Angebote der fliegenden Händler war.

Bauer floh in den Westen

Doch war dies nicht die letzte Nutzung der Verkaufstelle: Um 1991 muss es auch gewesen sein, als hier die Baufirma BauKu ihr Büro einrichtete, erinnerte sich Fred Lähns, der dort beschäftigt war. Sein Chef war Eberhard Leue, dessen Frau wiederum Wirtin im Mühlenholz-Gasthaus in Havelberg. Die Baufirma hatte unter anderem das Gasthaus saniert. Seit Mitte der 1990er Jahre etwa steht das Konsumhaus leer.

Auf dem Vierseithof mit dem großen Scheunentor und den Ställen erahnt man die Vorgeschichte der Immobilie, denn die gehört auch dazu. Die alten Kuhlhausener wissen noch, wer hier gewohnt hatte: der Bauer Wilhelm Winter. Dessen Bruder Ewald Winter wurde von der Staatsmacht eingesperrt - wie so viele damals, die nicht in die Genossenschaft wollten. Er musste im Kreidewerk Saßnitz arbeiten, wo er verstarb - ohne Information an seine Hinterbliebenen.

Der dies noch wusste, ist Karl-Heinz Schröder, er wohnt schräg gegenüber. Sein Opa Edmund Handke wollte sich der drohenden Verhaftung und den Repressalien entziehen und floh an Stalins Geburtstag - dem 18. Dezember 1952 - in den Westen. Mit unter den Flüchtlingen war auch der kleine Karl-Heinz. Auch Wilhelm Winter floh, wie viele andere - so blieb ihnen das Schicksal von Ewald Winter erspart.

Karl-Heinz Schröder kann sich noch gut an den Herbst 1952 erinnern, als in der Zeitung gegen sechs Kuhlhausener Bauern gehetzt worden war, darunter auch sein Opa. Mit diesem wurden darin auch Gottfried Jarratsch, Therese Jothan, Wilhelm Winkelmann sowie die beiden Winter-Brüder an den Pranger gestellt.

Gern erinnern sich die alten Kuhlhausener auch an einen anderen Kaufmannsladen im Dorf, den von Herrmann Seeger. Dort gab es unter anderem tolle Textilien zu kaufen, berichtete Joachim Osterburg.