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  7. Einstürzender Giebel tötete 1917 drei Klietzer Spritzenleute

Rückblick auf die 90-jährige Geschichte der Klietzer Feuerwehr / Erste Bewährungsprobe für junge Wehr war der Waldbrand im Jahr 1925 Einstürzender Giebel tötete 1917 drei Klietzer Spritzenleute

Von Ingo Freihorst 21.08.2014, 03:10

Klietz l Am Sonnabend feiert die Freiwillige Feuerwehr Klietz ihr 90-jähriges Bestehen. Die Feier beginnt um 12 Uhr mit einem Umzug vom Gerätehaus zum alten Armeesportplatz. Hier gibt es Gulaschsuppe und Gaudiwettkämpfe, abends ist Tanz auf dem Festplatz.

Die Chronik berichtet von einigen Dorfbränden: 1475 nach Brandschatzung durch Dietrich von Quitzow werden 90 Häuser mit 200 Bienenstöcken zerstört; im 30-jährigen Krieg setzen die Kaiserlichen unter Tilly den Klietzern 1626 den roten Hahn aufs Dach; der Gendarm und seine Tochter sterben am 4. Juli 1816 beim großen Dorfbrand; die Schule, 6 Bauern- und 14 Kossätenhöfe sowie 8 Häuslerstellen brennen neun Jahre später ab. Große Feuersbrünste gab es auch 1830, 1834 und 1835.

Mitten im 1. Weltkrieg, am 30. Mai 1917, steht das Dorf erneut in Flammen, 43 Gebäude werden vernichtet - die Schilfdächer boten dem Element willkommene Nahrung. Auf dem jetzigen Museumshof stürzte bei Löscharbeiten der Giebel um und tötete die Spritzenbesatzung: Den 76-jährigen Schmiede- und Spritzenmeister Wilhelm Pfundt, den auf Fronturlaub weilenden 25-jährigen Sergeanten Fritz Scheewe sowie den 17-jährigen Molkereigehilfen Bernhard Kurz. Ihr Gemeinschaftgrab befindet sich auf dem Kirchhof. "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde" steht auf der Tafel.

Damals gab es im Ort noch keine Feuerwehr, weshalb der Dorfschulze zehn Armbinden austeilte. Deren Träger mussten bei Feuer zum Gerätehaus auf dem alten Friedhof eilen, hier stand eine Spritze. Zudem gab es zwei Wasserwagen. Nach einem Einsatz bekam der Nachbar die Armbinde.

Gemeindevorsteher Herrmann Schröder schlug um die Jahreswende 1923/1924 die Bildung einer Feuerwehr vor. Zur Gründungsversammlung am 24. April 1924 fanden sich 24 meist junge Männer ein, sie wählten Schmiedemeister Adolf Fester zum Brandmeister, Stellvertreter wurde Wilhelm Gericke. Gemeinde und Feuersozietät (Versicherung) stellten Geld für Uniformen bereit, alsbald erreichte die Wehr eine beachtliche Stärke. Im Oktober 1924 konnte nach fleißigem Üben die Abnahmeprüfung erfolgen - sie wurde ein voller Erfolg, was mit einem Stiftungsfest gefeiert wurde.

Die erste große Prüfung für die neuen Wehrmänner erfolgte nur kurze Zeit später: Am 23. Juli 1925 - einem heißen Sommertag - ertönt plötzlich die Sturmglocke. Im Osten sehen die Klietzer eine mächtige Rauchwolke in den Himmel ragen - der Wald brennt! Mit Fahrrädern, Pferdewagen und einigen Autos eilt alles mit Spaten und Beilen zur Brandstelle, mit Sand und grünen Zweigen wird die Brandbekämpfung aufgenommen. Doch alles ist umsonst, der starke Wind jagt die Flammen hoch in die Wipfel und sogar über die Chaussee bei Großwudicke.

In einer Breite von bis zu sieben Kilometern fressen sich die tosenden Flammen pro Minute 600 Meter in Richtung Elbe vor, auf Klietz und den Hohengöhrener Damm zu. Der in der Gaststätte "Zur Post" einquartierte Klietzer Einsatzstab - hier gab es das einzige Telefon im Ort - fordert Hilfe von außerhalb an. In kurzer Zeit wird Klietz zum Feuerwehrlager - sogar aus Stendal, Tangermünde, Genthin und Mützel kommen Brandbekämpfer.

Doch die vielen Helfer sind weiterhin machtlos, weshalb der Landrat des Kreises Jerichow II Einheiten der Reichswehr aus Spandau, Lichterfelde, Potsdam, Magdeburg und Stendal zu Hilfe holt. Sie schlagen Waldstreifen und legen Gräben an - vergebens! Die Dammschen flüchten aus den Häusern, auch erste Klietzer. Kurz vorm Erreichen des Ortes dreht zum Glück der Wind, der Brand kommt zum Stehen. 2160 Hektar Wald verbrannten.

Wie überall war der Neustart im Jahr 1945 auch in Klietz sehr schwer. Die Wehr wurde am 18. November neu gebildet, viele Kameraden waren im Krieg gefallen. Hans Bretschneider wurde Wehrleiter, es gab 24 aktive Mitglieder. Noch 1947 meldet der Wehrleiter, dass man weder Öl noch Kraftstoff hat, alle Schläuche sind unbrauchbar, eine Spritze hat die Wehr immer noch nicht.

Untergebracht war die Wehr in einer Garage der damaligen Geophysik am Friedhof, die Kirche diente zum Trocknen der Schläuche. In Eigenregie errichteten die Klietzer ab 1958 ein Gerätehaus mit Schlauchturm, das 1960 bezogen wurde. Es ist inzwischen erweitert und modernisiert. Anfang der 1950-er Jahre bekam die Wehr ihr erstes Löschfahrzeug vom Typ Opel-Blitz, 1960 folgte ein LF8 vom Typ Robur, 1982 kam ein Mannschaftswagen gleichen Typs. Manfred Loer stand der Wehr von 1973 bis 1990 vor.

Schwere Wendezeit

Schwer war auch die Wendezeit: 1993 gibt es wegen des Personalmangels im Rat sogar Überlegungen, eine Pflichtfeuerwehr einzuberufen. Ein Rüstwagen steht seit 1995 in Klietz. Seit 1990 leitet Frank Ulrich die Feuerwehr, 1994 wird eine Jugendwehr gebildet. Sehr gefordert wurde die Wehr im Vorjahr beim Fluteinsatz.