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Vier Freundinnen erinnern sich an ihre Lehrzeit in den sechziger Jahren im Havelberger Krankenhaus / Teil 2 Tagsüber Pflege der Patienten, abends Tanz

Von Wolfgang Masur 20.09.2014, 01:08

Die Bauarbeiten am Havelberger KMG-Klinikum gehen dem Ende entgegen. Das Vorhaben umfasst die Sanierung und Erweiterung des Hauptbettenhauses sowie die Integration eines Gesundheitszentrums in den alten Komplex. Vergangenheit gerät in Vergessenheit. Die Volksstimme blickt auf die 1960er Jahre zurück.

Havelberg l Die vier Lehrlinge, die 1966 ihre Ausbildung im Kreiskrankenhaus aufgenommen hatten, lebten sich in ihrem Domizil am Platz des Friedens 5 gut ein. "Uschi" Ursula Berger (heute Müller) war die "Ordnungsmutter", die den Fußboden rotbraun bohnerte, während Karla Gothan (heute Köpke) und Hanne Rutz (heute Meier-Stettin) im Bett lagen und sich durch ihre Lieblingslektüre lasen. Helga Schatz (heute Masur) war immer darauf bedacht, dass genügend Proviant vorrätig war und dass sie immer hübsch aussah. Jeden Morgen schrillte der Wecker um 5.30 Uhr. Uschi, die als Erste aus dem Bett sprang und im Dunkeln zum Lichtschalter tappte, flog so manches Mal über Hausschuhe, weil die immer mitten im Weg standen. Und dann waren sie alle wach und stürzten ins Bad. Blaues Kleid, frischer Kragen und die schreckliche Beutelhaube auf den Kopf - so ging es ab zur Station.

Nach Feierabend erwacht der Unternehmungsgeist

"Da wir fast ausschließlich Teildienst hatten, freuten wir uns immer auf die Mittagspause. Von 12 bis 14.30 Uhr wurde Mittagsschlaf gehalten, denn nach Feierabend erwachte unser Unternehmungsgeist", erzählt Ursula Berger. Für die Haustür gab es nur einen Schlüssel und der wurde von der Mitmieterin, Schwester Irmtraud Plath, verwaltet. Bestimmt wohl auch, um das Nachtleben der jungen Damen etwas zu kontrollieren. Das war aber gar nicht nötig, "denn wir waren vernünftig genug, um keine Dummheiten zu machen. Einsperren lassen wollten wir uns aber auch nicht! Da kam es ganz gelegen, dass die Fenster recht niedrig waren. Selbst wir Kleinen konnten mühelos ein- und aussteigen. Ich glaube fast, dass ich selbst häufiger durch das Fenster als durch die Vordertür gegangen bin", erzählt Uschi Müller. "Gleich am ersten Abend gingen wir in die Stadt bummeln. Das ist gleich den Havelberger Jungs aufgefallen und sie liefen hinter uns her. Wir wussten nicht so recht, wie wir sie wieder loswerden sollten. Deshalb liefen wir bis in die Rathenower Straße auf ein offen stehendes Grundstück. Wir wussten nicht, dass es Dr. Eschenhagen gehörte. Wir versteckten uns in der Dunkelheit und sprangen später über den Zaun wieder zurück auf die Straße. Die Verfolger hatten inzwischen aufgegeben. Danach kehrten wir kichernd von unserem ersten Stadtgang nach Hause zurück."

In die Stadt zu gehen, gehörte bald zum täglichen Leben der jungen Schwesternschülerinnen. Und sonnabends ging es zum Tanz. Im Klubhaus tanzte man nach Musik von der Schallplatte und im "Weltfrieden" spielte eine Kapelle. "Wir versäumten nichts und amüsierten uns bestens. Es war wohl eine Laune des Natur, dass Helga und ich uns sehr ähnlich sahen und wir deshalb ständig von vielen Menschen verwechselt wurden", erinnert sich Uschi. "Wir halfen der Sache noch etwas nach mit blondierten Haaren oder mit dem gleichen Kleidungsstück und hatten einen Riesenspaß."

Bei allem Vergnügen kam jedoch zuerst die Arbeit, und die nahmen die vier Lehrlinge sehr ernst. Ausbildungsstätte war der Altbau des Kreiskrankenhauses Havelberg unter der Leitung von Dr. Krätzig. Einige Bereiche waren in einem sehr schlechten Zustand, aber stets sauber und ordentlich.

Frieda Winkler führte strenges Wäsche-Regiment

Der Altbau bestand aus einem Hauptgebäude mit zwei Seitenflügeln und einem Nebengebäude, welches im Erdgeschoss die Ambulanz beherbergte. Im Obergeschoss befand sich die Entbindungsstation mit der legendären Schwester Hanna Krege. Unterm Dach waren die Wohnung der Familie des Heizers Hugo Patschull sowie zwei Mansardenzimmer als Personalunterkunft zu finden. Im Keller führte die strenge Frieda Winkler das Regiment über die Wäsche, zusammen mit Ella Masur und Elisabeth Mangelsdorf.

"Vor Frau Winkler hatten wir immer ein bisschen Manschetten, denn unsere Bettwäsche wurde von ihr gewaschen. Wir liefen mit bloßen Füßen auf unserem gebohnerten Fußboden herum und trugen natürlich die Farbe mit ins Bett, was ihr gar nicht gefiel. Und das machte sie uns lautstark klar. Niemand wollte die abgezogene Bettwäsche wegbringen, jeder rief gleich: "Ich nicht, ich nicht!", schildert Karla Köpke.

Im linken Seitenflügel des Krankenhauses befand sich die Verwaltung, in der Fräulein Anneliese Peschke und Frau Damaschke mit Verwaltungsleiter Gerhard Graupner herrschten. Hier war auch die Küche unter der Leitung von Erna Rosin und Eugenia Janz.

Oben lagen Frischoperierte, unten Pflegebedürftige

Der rechte Seitenflügel war mit Patientenzimmern ausgefüllt und im Mitteltrakt befand sich das "Herz" des Krankenhauses mit dem Operationssaal und dem Chefzimmer. Hier waren auch die beiden Krankenstationen für die chirurgischen und gynäkologischen Behandlungen. Und das war alles einfach in "obere" und "untere Station" eingeteilt. Während oben überwiegend frischoperierte und schwerverletzte Patienten lagen, war die untere Station mit älteren, pflegebedürftigen Patienten belegt. Sie lagen hier zum Beispiel nach einer Behandlung mit Knochenbrüchen. Und auch Männer mit Kathetern waren zu versorgen. In den engen, aber dennoch gemütlichen Zimmern roch es immer unangenehm.

Unten gab es auch ein Kinderzimmer. Dort waren auch meistens nur Traurigkeit und Jammer zu erleben.

Aus dem Dienstzimmer dagegen drang häufig der Duft von frisch gebrühtem Kaffee, Marke "Rondo". Im Winter zog auch ein "Lüftchen" von Grog oder Glühwein durch das Haus. So streng waren die Regeln damals noch nicht, als dass man auf derartige Genüsse nach dem Dienst verzichten musste.

Das für die Schwesternschülerinnen attraktivste Zimmer befand sich im unteren Bereich ganz hinten im Seitenflügel. Da waren die jungen Männer, meistens Soldaten, untergebracht. Sie hatten meist keine großen Leiden, waren immer gut aufgelegt und warfen ein Auge auf die jungen Krankenschwestern.