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Bundeswehr-Sanitätszentrum Die Havelberger Poliklinik für Soldaten

Im Sanitätszentrum der Bundeswehr in Havelberg kümmern sich knapp 60
Soldaten um die Gesundheit von bis zu 1200 Soldaten. Vergleichbar ist
die Einrichtung mit einem medizinischen Versorgungszentrum oder einer
Poliklinik zur ambulanten Versorgung von Patienten.

Von Andrea Schröder 27.12.2014, 02:16

Havelberg l Ein Motorradfahrer ist mit einem Lkw zusammengestoßen. Er liegt auf der Straße. Ersthelfer eilen zum Unfallort. Der Motorradfahrer ist zwar ansprechbar. Doch in seinem Unterschenkel klafft eine große Wunde. Er bewegt sich nicht. Der Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung liegt nahe. Die Lkw-Fahrerin klagt über große Schmerzen im Bauchraum, hat eine Platzwunde am Kopf. Ein Szenario, wie es jeden Tag passieren kann. Auch bei der Bundeswehr. Um immer gut vorbereitet zu sein, trainieren die Soldaten regelmäßig die Erste Hilfe. Auch die, die dem Sanitätszentrum angehören.

Dort arbeitet nicht nur medizinisches Fachpersonal. Die Soldaten sind Kraftfahrer, Mechatroniker, Kraftfahrzeugtechniker, IT-Spezialisten, Personalbearbeiter und Logistiker, berichtet der Personalführer des Sanitätszentrums Kapitänleutnant Falko Brinner. "Als Rettungsdienstpersonal haben wir Rettungsassistenten, tauchmedizinische Assistenten, Taucherarztgehilfen und Einsatzsanitäter. Im truppenärztlichen Bereich und in der Zahnarztgruppe sind medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte, medizinisch-technische Assistenten zur Funktionsdiagnostik und natürlich Sanitätsoffiziere als Arzt und Zahnarzt beschäftigt." Die Personalstärke liegt bei rund 55 Soldaten. Hinzu kommen vier zivile Mitarbeiterinnen als Arzt- und Zahnarzthelferinnen und drei Auszubildende. Leiter des Sanitätszentrums ist Oberfeldarzt Juri Schwab.

Truppenärztliche Versorgung und ambulante Betreuung der rund 1200 Soldaten gehören zu den Aufgaben. "Außerdem sichern wir den Übungsbetrieb auf verschiedenen Übungsplätzen, unter anderem in Klietz, Glöwen und in Nitzow, und die Tauch- und Gewässerausbildung der Pioniere ab.

Das ist ein Alleinstellungsmerkmal des Standortes. Wir übernehmen außerdem die Sanitätsausbildung und die der Einsatz-Ersthelfer A der Soldaten, nehmen an Auslandseinsätzen teil und sind in den Rettungsdienst am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin und auch zivil eingebunden. Zudem kümmern wir uns um die zivilmilitärische Zusammenarbeit", berichtet der Kapitänleutnant über die Aufgaben des SanZ. Im Jahr 2013 lag der monatliche Durchschnitt der medizinischen Behandlungen bei 760, bei den zahnärztlichen Behandlungen bei 145.

Die 20 Soldaten des Zuges Ausbildung/Übung/Rettung bilden alle Soldaten am Standort aus. Dazu gehören eine Vollausbildung und weitere Module zur Auffrischung, erklärt Falko Brinner. Herz-Lungen-Wiederbelebung und Blutstillung haben Priorität. An Fallbeispielen wie dem oben beschriebenen wird geübt.

Gehen Soldaten in den Auslandseinsatz, werden sie speziell darauf vorbereitet. "Die ersten Minuten sind bei einer Rettung entscheidend, deshalb muss jeder wissen, was zu tun ist, bevor das Rettungsdienstpersonal an Ort und Stelle ist. Das gilt auch für den Eigenschutz", sagt Oberfeldwebel Matthias Besancon. Dafür gibt es ein spezielles Notfallpaket mit Ersthelfermaterial, das sich von dem in Deutschland verwendeten unterscheidet und in der Beintasche mitzuführen ist. "Das ist gutes Material und basiert auf Erfahrungen der Amerikaner und Israelis", erzählt er (siehe Beitrag unten).

Aber auch das Rettungsdienstpersonal des SanZ geht selbst in den Einsatz. Dafür gibt es mobile Rettungsstationen mit Einsatzstaffeln. Diese üben gemeinsam, um im Ernstfall gut vorbereitet zu sein. Im Sommer zum Beispiel hat eine solche Übung in Norwegen stattgefunden, an der auch Havelberger teilgenommen haben.

Wie im zivilen Bereich unterscheiden sich die Zahlen auf dem Papier oftmals von der Praxis. "Wir haben lange Zeit mit Personalknappheit leben müssen", berichtet Oberfeldarzt Juri Schwab. "Zeitweise ist es leider so, dass von fünf Ärzten nur einer da ist." Das hat auch zur Folge, dass es in der jüngeren Vergangenheit kaum die Möglichkeit gab, den Rettungsdienst am Havelberger KMG-Klinikum als Notarzt zu unterstützen. Auslandseinsätze und Elternzeiten sind Gründe für weniger Personal. Aber nicht nur. "Es gibt nicht genug Ärzte und die jüngere Generation wählt lieber Ballungszentren wie Berlin und Potsdam."

"Unser Rückgrat sind die Unteroffiziere und Feldwebel", sagt Falko Brinner. Für das Personal ist als Innendienst- und Personalfeldwebel Hauptfeldwebel Sandra Kosma zuständig. Sie ist seit zehn Jahren in Havelberg tätig. Auch bei den Dienstposten unterscheiden sich die Zahlen in Theorie und Praxis, woraus eine hohe Belastung für jeden einzelnen folgt. "Es ist ein anstrengender und anspruchsvoller Job. Aber wir versuchen immer, das Beste aus der jeweiligen Situation zu machen." Im Jahr 2002 war das Sanitätszentrum mit eigener Verwaltung, Personal und Technik selbstständig geworden. Mit der Neuausrichtung der Bundeswehr wird es die Selbstständigkeit voraussichtlich zum Jahresanfang verlieren und dem Sanitätsunterstützungszentrum Neubrandenburg angegliedert. Wie genau die Struktur aussehen wird, steht noch nicht fest. Die Aufgaben aber werden bleiben. Mit Blick auf die Attraktivitätsoffensive von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wünscht sich Falko Brinner eine gesicherte Struktur und Planbarkeit. Mit mehr eigenständigen Dienststellen wäre es seiner Ansicht nach besser möglich, Personal zu planen.