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Nach 30 Jahren im Standesamt und mehr als 1000 Hochzeiten Angela Schneider übergibt ihr Amt an Nachfolgerinnen

Von Andrea Schröder 26.05.2011, 06:30

Nach 30 Jahren als Standesbeamtin in Havelberg und mehr als tausend Hochzeiten sagt Angela Schneider nun dem Rathaus adieu. Am 1. Juni beginnt für sie die Ruhephase der Altersteilzeit. Gestern hatte sie ihren letzten Arbeitstag und wurde liebevoll von ihren Kollegen verabschiedet.

Havelberg. Als am Sonnabend das zweite Hochzeitspaar Ja gesagt hatte, gratulierte Angela Schneider und sagte, dass sie damit zum allerletzten Mal das Privileg hatte, als Erste die Frischvermählten zu beglückwünschen. "Das war ein komisches Gefühl. Ich habe dann in der Kapelle aufgeräumt, mich noch mal umgeschaut und tschüs gesagt." Ein erster Abschied von ihrem Beruf, den sie 30 Jahre lang ausgeübt hat.

Seit 1979 arbeitet Angela Schneider in der Stadtverwaltung. Sie wurde damals gefragt, ob sie Vertretung als Standesbeamte machen würde. Sie wollte. Am 11. März dieses Jahres blickte sie auf drei Jahrzehnte in diesem Amt zurück.

An ihre erste Hochzeit kann sie sich noch gut erinnern, und an viele andere, die folgten. 2005 schloss sie die 1000. Ehe. "Dann habe ich aufgehört zu zählen." Es gab einige Kuriositäten in dieser Zeit. Zum Beispiel, als in der Sankt-Annen-Kapelle der CD-Player plötzlich nicht mehr lief und keine Musik da war. Fotografin Annegret Poet, die sie von ihrer Fotografenlehre kennt, fragte, wer ein Lied singen kann. Ein Blumenmädchen meldete sich und sang "Hoppe, hoppe Reiter". "Annegret und ich haben dann den Hochzeitsmarsch gesummt." Vergessen wurden mal die Ringe - "da haben wir gewartet, bis sie geholt wurden" - oder auch der Brautstrauß. Die Hochzeit fand trotzdem statt.

Dass die Braut kurz vor dem Jawort kneift und Nein sagt, gibt\'s wohl eher nur im Film. Angela Schneider hat das nie erlebt. Nur einmal hat sie umsonst auf das Brautpaar gewartet. "Das Paar ist nicht erschienen. Nach drei Wochen hat es mir dann mitgeteilt, dass es sich das anders überlegt hat." Das war noch zu DDR-Zeiten. Seither sagten alle Paare Ja.

Bei den Eheschließungen vor und nach der Wende hat sich nicht viel geändert. Begrüßung, Ansprache, Akt der Eheschließung - der Ablauf ist so geblieben. Der Ausdruck hat sich geändert und es gibt Trauzeugen. "Jetzt, wo das keine Pflicht mehr ist, wollen viele Paare Trauzeugen haben", berichtet Angela Schneider. Bei der Zeremonie der Eheschließung legt sie Wert auf Individualität. "Die Paare sollen keine 0/8/15-Hochzeit bekommen, sondern spüren, dass es ihre ganz persönliche Feier ist." Deshalb ist Angela Schneider auch das Gespräch bei der Anmeldung sehr wichtig. Selbst wenn nichts Persönliches in der Rede enthalten sein soll, münzt sie den Text auf die Paare zu. Sind sie jung und frisch verliebt, schon mal geschieden oder verwitwet - je nach Situation.

Ihr ältester Bräutigam war 96 Jahre alt, die Braut 86. "Sie hätten schon silberne Hochzeit feiern können, so lange waren sie zusammen." Im vergangenen Jahr hat sie erstmals die Lebenspartnerschaft zweier Männer besiegelt. "Das war eine besondere, sehr schöne Sache. Beide waren sehr herzlich zueinander."

Bei den Hochzeitsbräuchen sind das Zersägen eines Baumstammes oder Herausschneiden eines Herzens aus Stoff die Renner. Aber ein Schweißer musste vor dem Standesamt einmal aus einer größeren Kette ein Glied herausschweißen. Oder ein Koch Gemüse auf eine Leine hängen. An zwei Bräute kann sich Angela Schneider erinnern, die während der gesamten Zeremonie geweint haben. Sie konnten kaum Ja sagen. Dennoch: "Beide Ehen halten noch immer." Ein lautes Ja ist wichtig. Ohne Ringe oder Trauzeugen zu heiraten ist möglich, aber das Ja muss sein. Es sei denn, Gehörlose heiraten, dann kommt ein Gebärdendolmetscher zum Einsatz. Gedolmetscht wird auch bei Ausländern, die kein Deutsch sprechen.

Als Standesbeamtin ist man schon etwas aufgeregt, auch nach so vielen Jahren. "Ein gewisses Kribbeln ist immer noch da. Ich habe dann immer tief Luft geholt." Es kam schon mal vor, dass die Stimme fast wegblieb und einmal, dass sie das Gedicht zweimal aufgesagt hat. Aber meist ging alles glatt.

Die meisten Hochzeiten an einem Tag hatte Angela Schneider am 8.8.88. "Fast wären es acht Eheschließungen an dem Tag geworden, aber ein Paar sagte kurz vorher ab." Runde Daten sind immer beliebt für Hochzeiten. In Ausnahmefällen sind dann auch Eheschließungen sonn- und feiertags möglich. So wie am 5.5.2005 - Christi Himmelfahrt. Ansonsten steht das Havelberger Standesamt montags bis sonnabends zu jeder Tageszeit zur Verfügung. Auch für Candlelight-Hochzeiten kurz vor Mitternacht.

Im Durchschnitt gibt es 40 Hochzeiten pro Jahr in der Hansestadt. Juni, Juli, August sind die beliebtesten Monate. Die Sankt-Annen-Kapelle wird häufiger genutzt. Sie sollte 1995, als das Rathaus saniert wurde, nur Übergang sein, kam aber so gut an, dass sie blieb.

Eheschließungen sind aber nur ein Teil der Arbeit eines Standesbeamten. "Sie sind nur die Sahne zum Kuchen", sagt Angela Schneider und berichtet von Beurkundungen, Ehe- und Geburtenbüchern, Namensänderungen, Vaterschaftsanerkennungen und vielem mehr. Sie liebte ihren Beruf, weil sie mit vielen Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen zu tun hatte, ihnen Rat und Hilfe geben konnte. Und die Abwechslung. "Das gute an solch einem kleinen Standesamt ist, dass man alles können muss, andere haben dafür Abteilungen."

Rat und Hilfe hat sie nicht nur ihrer ersten Stellvertreterin Mandy Bäker gegeben, sondern auch ihrer Nachfolgerin Steffi Hülse. Und auch wenn sie künftig Fragen hat, wird sie da sein, versprach die 59-Jährige gestern beim Abschied von den Kollegen aus dem Rathaus. Angst vor Langeweile in der Altersteilzeit hat sie nicht. Mit ihrem Mann will sie viel Rad fahren. Familie und Garten sorgen für genügend Abwechslung.