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Interview mit Bernd Poloski über wichtige Ereignisse 2011 und einen Ausblick auf 2012 Bürgermeister: "Dem Ehrenamt kommt eine immer größere Bedeutung zu"

30.12.2011, 04:19

Das Jahr 2011 neigt sich dem Ende entgegen. Über Ereignisse in den vergangenen Monaten und einen Ausblick auf das neue Jahr unterhielt sich Andrea Schröder mit Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski.

Volksstimme: Die besten Nachrichten für Havelberg kamen zum Jahresende: Der Bundeswehrstandort bleibt erhalten und das Land zahlt 5,98 Millionen Euro für den Umbau des Krankenhauses. Was zählt für Sie außerdem zu den guten Nachrichten?

Bernd Poloski: Dazu gehören für mich die in Aussicht gestellten Fördergelder, mit denen Investitionen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft umgesetzt werden können. Das ist für uns manchmal schon selbstverständlich geworden. Aber wir sollten uns das immer mal wieder ins Bewusstsein holen. Außerdem die drei Einladungen zu Richtfesten, die ich in diesem Jahr erhalten habe für das neue Schulgebäude, das Pflegeheim am Camps und das Art-Hotel. Das sind drei völlig unterschiedliche Partner, die Investitionen vornehmen. Sie sind für uns vor dem Hintergrund der Schaffung weiterer Arbeitsplätze von großer Bedeutung und wichtig für Bildung, im Sozialbereich und für die touristische Entwicklung.

"Eine weitere gute Nachricht war die Entscheidung für Hochwasserschutzmaßnahmen."

Eine weitere gute Nachricht war die Entscheidung des Landes und des Landesbetriebes für Hochwasserschutz zur weiteren Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen auf der Stadtinsel. Die Planungen sind im vollen Gange, so dass ich damit rechne, dass die ersten Baumaßnahmen im kommenden Jahr beginnen.

Zudem haben mich die täglichen Wetterberichte der vergangenen Wochen gefreut. Fehlender Schnee war zwar für die Kinder nicht gut, aber für unsere Baumaßnahmen.

Volksstimme: Gab es auch weniger gute Nachrichten?

Bernd Poloski: Die gab es natürlich auch. Zum Beispiel zum weiteren Rückgang der Einwohnerzahlen, auch wenn das keinen mehr überrascht. Dass der Bund angekündigt hat, für die kommenden Jahre eine Kürzung bei der Städtebauförderung und der Bereitstellung der Gelder für den überörtlichen Straßenverkehr vorzunehmen, zähle ich auch dazu.

Volksstimme: Einer Ihrer drei Wünsche vor einem Jahr war die Novellierung des Finanzausgleichgesetzes (FAG). Was hat sich auf diesem Gebiet getan und was muss sich ändern, damit Havelberg wieder aus eigener Kraft einen ausgeglichenen Haushalt schaffen kann?

Bernd Poloski: Die Finanzzuweisungen des Landes werden 2012 etwa das Niveau von 2011 haben. Das heißt, die beabsichtigten doch erheblichen Kürzungen, insbesondere bei der Investitionspauschale, werden so im nächsten Jahr nicht auf uns zukommen. Was im neuen FAG, das 2013 in Kraft treten soll, an Mitteln zur Verfügung steht, bleibt abzuwarten. Ich hoffe, dass dann tatsächlich die von uns über Jahre eingeforderte funktions- und aufgabenbezogene Finanzausstattung Grundlage des kommunalen Finanzausgleichs sein wird und wir das bekommen, was wir als Grundzentrum mit Funktionen eines Mittelzentrums benötigen.

Volksstimme: Brachten höhere Steuern, gekürzte Kulturgelder für die Ortschaften und der Verkauf der Wohnbau an die Stadtwerke den gewünschten Erfolg für die Haushaltskasse?

Bernd Poloski: Ja, sicher. Jede zusätzliche Einnahme und Einsparung trägt zur Verbesserung des Ergebnisses bei. Das zeigt sich beim voraussichtlichen Jahresabschluss für 2011. Allerdings kompensieren diese Maßnahmen allein noch lange nicht den laufenden Sollfehlbetrag, der bei etwa 1,4 Millionen Euro liegt. Deshalb werden auch die nächsten Jahre von der Haushaltskonsolidierung geprägt sein.

Volksstimme: Sind weitere Steuererhöhungen und Kürzungen geplant?

Bernd Poloski: Diskutiert werden muss über alles. Die Entscheidung darüber trifft einzig und allein der Stadtrat. Dem kann und will ich auch nicht vorgreifen.

Volksstimme: Stichwort Stadtwerke: Die Biogasanlage ist immer noch nicht am Netz. Welche Folgen hat das für das städtische Unternehmen und für die Stadt insgesamt?

Bernd Poloski: Ich will dazu deutlich machen, dass dieser Bau begonnen wurde mit einer erteilten Baugenehmigung. Dann wurde ein Baustopp ausgesprochen, der die Inbetriebnahme der Biogasanlage zunächst um ein halbes Jahr verzögert hat. Letztlich gibt es einen Ertragsausfall. Bauabläufe konnten nicht eingehalten werden, Aufträge über Leistungen und Lieferungen mussten storniert werden. Das alles hat zur Folge, dass bisher zweifellos erheblicher Schaden entstanden ist.

Den Stadtwerken ist hier kein schuldhaftes Verhalten anzulasten, so dass sich die Frage stellt, wer für den Schaden aufkommt. Hier müssen wir den Abschluss des Gerichtsverfahrens abwarten.

Volksstimme: Ein Resultat immer knapper werdender Mittel ist, dass die Stadt Patenschaften für Pflegeobjekte vergeben hat. Wie sind die Erfahrungen damit?

Bernd Poloski: Sehr positiv. Insofern bin ich allen bisherigen Paten sehr dankbar für die Pflege der Objekte. Unser Ziel ist es, weitere solcher Patenschaften zu vereinbaren.

Volksstimme: Dem Ehrenamt kommt immer größere Bedeutung zu. Etabliert hat sich mittlerweile der vor einem Jahr gegründete Kulturverein Stadtinsel. Viele Schaufenster leerer Geschäfte sind gestaltet. In der Langen Straße 10 ist die Buchstation eingerichtet. Ist eine Belebung der Altstadt dadurch spürbar und wie kann die Stadt das Vorhaben unterstützen?

Bernd Poloski: Auf jeden Fall hat die Arbeit des Vereins mit seinen Aktionen vor allem auch optisch Eindruck hinterlassen. Dahinter steckt zweifellos viel Arbeit und Zeit und ich bin sehr froh darüber, dass durch die Initiative von Herrn Richter die Vereinsarbeit durch Havelberger Bürger selbst geleistet wird. Die Stadt kann aufgrund der Haushaltssituation nur begrenzt helfen. Wir unterstützen gegenwärtig, dass die Buchstation bis auf Weiteres in der Langen Straße 10 bleiben kann. Ich halte sie dort für richtig platziert.

Volksstimme: Mit dem PUG-Markt schloss das letzte Lebensmittelgeschäft auf der Stadtinsel. Welche Voraussetzungen sind aus Ihrer Sicht notwendig, überhaupt einen Lebensmittelmarkt dort etablieren zu können?

Bernd Poloski: Die wichtigste Voraussetzung für die Ansiedlung eines Marktes ist die Verfügbarkeit über die nötigen Flächen. Diese stehen uns aber bisher leider nicht zur Verfügung. Dazu bedarf es weiterer Bemühungen und Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern, die sich allerdings bisher als schwierig erwiesen haben.

Erst einmal freue ich mich aber darüber, dass der Insel-Tipp mit einer Sortimentserweiterung reagiert hat, und vielleicht ist dies auch noch anderen Geschäften entsprechend ihrer Ausrichtung möglich. Unabhängig davon ist ein Verbrauchermarkt auf der Stadtinsel das formulierte Ziel im Stadtentwicklungskonzept.

Volksstimme: Wie geht es mit dem in diesem Jahr beschlossenen Stadtentwicklungskonzept weiter?

Bernd Poloski: Durch den Beschluss des Stadtrates ist es Grundlage für die künftigen Jahresplanungen und Prioritätensetzungen. Das Konzept bekennt sich insbesondere zur Stärkung der Altstadt, ohne jedoch die anderen Stadtteile zu vernachlässigen. Insofern wird sich der Einsatz der zur Verfügung stehenden Fördermittel vorrangig auf diesen Altbaubestand konzentrieren. Denn hier haben wir trotz großer Anstrengungen in den vergangenen 20 Jahren immer noch Nachholbedarf, mehr als in den anderen Stadtgebieten. Ich denke da nicht nur an die Stadtinsel, sondern auch an das Domviertel und die darunter liegenden Straßenbereiche. Das sind die Schwerpunkte.

Volksstimme: Seit knapp einem Jahr gibt es die Bürgerarbeit. Welche Erfahrungen wurden gemacht und konnten alle Wünsche von Trägern erfüllt werden?

"Mit dem Modellprojekt Bürgerarbeit haben wir weitestgehend nur gute Erfahrungen gemacht."

Bernd Poloski: Mit dem Modellprojekt Bürgerarbeit haben wir weitestgehend nur gute Erfahrungen gemacht. Etwa 180 Personen sind darin eingebunden und leisten einen ganz wichtigen gesamtgesellschaftlichen Beitrag insbesondere im sozialen und kulturellen Bereich, gleichermaßen aber auch für den Umwelt- und Naturschutz. So konnten wir tatsächlich die Bedürfnisse der meisten Träger der Maßnahmen erfüllen. Das Projekt läuft ja bekanntlich sinnvoller Weise über einen Zeitraum von drei Jahren, so dass auch die, die im Projekt arbeiten, im Regelfall hochmotiviert sind.

Volksstimme: Für die Bundesgartenschau 2015 stehen, so wie in diesem auch, im nächsten Jahr bauliche Maßnahmen im größeren Umfang im Domgebiet an. Was ist außer der Schaffung der Infrastruktur 2012 zu tun?

Bernd Poloski: Vor allen Dingen gilt es jetzt, nach der Buga in Koblenz, die Werbetrommel zu rühren. Denn die nächsten nach der Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg sind wir. Von Bedeutung ist also, dass wir zielstrebig das beschlossene Marketingkonzept umsetzen. Darüber hinaus müssen wir die bestehenden Grundsatzplanungen vertiefen und detaillierter auf die zu gestaltenden Flächen eingehen. Zudem gilt es, die Partner in der Wirtschaft, vor allem des gastgebenden Gewerbes, die Vereine und die Einwohner noch mehr zu aktivieren und weitere Initiativen anzustoßen.

Volksstimme: Auch in diesem Jahr hat die Stadtverwaltung wieder Mitarbeiter verabschiedet, die in den Ruhestand gehen. Die Personaldecke wird immer dünner. Ist die Stadt noch in der Lage, alle Aufgaben zu bewältigen oder müssten trotz Sparzwang und Konsolidierungskonzept neue Mitarbeiter eingestellt werden?

Bernd Poloski: Die Stadtverwaltung muss die Aufgaben bewältigen, dazu ist sie gezwungen, trotz geringerer Personalstärke. Neue Mitarbeiter können wir einfach nicht einstellen. Um so wichtiger ist das ehrenamtliche Engagement in allen Bereichen.

Volksstimme: Als eine Frage der Identität sehen verschiedene Kommunen ihr altes Autokennzeichen. Würden Sie "HV" gern wieder zurückbekommen?

Bernd Poloski: Sehr gern. Ich habe gegenüber dem zuständigen Ministerium und dem Städte- und Gemeindebund, der das für uns auf den Weg bringt, klar zum Ausdruck gebracht, dass wir daran großes Interesse haben. Damit sind wir nicht allein. Von 32 angeschriebenen ehemaligen Kreisstädten haben sich 22 für die Wiedereinführung der alten Kennzeichen ausgesprochen. Außer Havelberg zum Beispiel auch Osterburg und Burg. Sechs wollen das jetzige Kennzeichen behalten, der Rest hat sich nicht geäußert. Meiner Kenntnis nach, soll jeder Bürger dann die Wahl haben, ob er SDL oder HV als Kennzeichen haben möchte. Das halte ich für vernünftig.

"Bei allem ideellen Einsatz, ganz ohne Geld wird es auch künftig nicht gehen."

Volksstimme: Da mit der Fördergeldzusage fürs Krankenhaus einer Ihrer Wünsche in diesem Jahr in Erfüllung gegangen ist: Was ist der wichtigste von drei Wünschen für 2012 und was sind die anderen beiden?

Bernd Poloski: Ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern Gesundheit und persönliches Wohlergehen und dass sie sich auch weiterhin für ihre Stadt und Ortschaften engagieren, egal, in welchem Bereich. Zweitens wünsche ich mir, dass wir in der Diskussion zum neuen FAG gemeinsam mit allen Beteiligten eine für alle grundsätzlich akzeptable Lösung finden. Denn bei allem ideellen Einsatz: Ganz ohne Geld wird es auch künftig nicht gehen. Der dritte Wunsch liegt in der Natur der Sache: Dass wir in Vorbereitung der Bundesgartenschau die geplanten Baumaßnahmen trotz aller finanzieller Zwänge wie vorgesehen umsetzen können.