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Gespräch mit Bürgermeister Jürgen Masch: Ärger über Entscheidungen der Landesregierung, Freude auf Heimatfest Finanzielle Situation in Klietz bleibt düster

08.02.2012, 04:25

Klietz ist neben Kamern und Sandau eine Gemeinde im Elbe-Havel-Land, die im vergangenen Jahr keinen ausgeglichenen Haushalt aufstellen konnte. Über die finanzielle Situation und die Pläne für 2012 sprach Anke Schleusner-Reinfeldt mit Bürgermeister Jürgen Masch.

Volksstimme: Das vergangene Jahr war finanziell recht düster. Die Gemeinde konnte keinen ausgeglichenen Haushalt aufstellen, musste für die Konsolidierung Steuern erhöhen und weitere freiwillige Dinge streichen. Ist für dieses Jahr Licht am Horizont zu sehen?

Jürgen Masch: Nein, im Gegenteil! Die Zuweisungen wurden weiter gekürzt. Zwar gibt es etwas mehr Investpauschale, aber das gleicht die Kürzungen nicht aus. Das bedeutet, dass wir weiter strikt sparen müssen. Positiv ist, dass die Kreisumlage dieses Jahr etwas geringer ausfällt, dafür müssen wir aber mehr an die Verbandsgemeinde zahlen.

Volksstimme: Welche Dinge im investiven Bereich kann sich die Gemeinde dieses Jahr leisten?

Jürgen Masch: Viel ist es nicht. Das Dach der Schule muss repariert werden. Daran beteiligt sich zwar der Kreis, weil sich hier ja auch die Förderschule befindet. Aber bei uns bleiben dennoch rund 25000 Euro hängen. Dieses Geld war allerdings schon letztes Jahr im Haushalt eingeplant. Aufbringen müssen wir jetzt den Eigenanteil am Ausbau des Rad- und Wirtschaftsweges von Klietz nach Neuermark. Und für mehr Investitionen ist schon kein Geld mehr da.

Volksstimme: Und wenn etwas Unvorhersehbares dazwischen kommt?

Jürgen Masch: Den Fall haben wir jetzt schon. In den gemeindeeigenen Wohnungen auf dem Gutshof in Neuermark-Lübars, die erst vor ein paar Jahren von der damals noch eigenständigen Gemeinde saniert und gedämmt worden sind, schimmeln die Wände. Das ist für die Mieter nicht zumutbar, hier muss dringend etwas gemacht werden. Jetzt haben wir erst einmal einen Experten beauftragt, der prüft, woran es liegt. Dann müssen wir handeln.

Volksstimme: Also wird es vorerst auch nichts mit dem nächsten Bauabschnitt an der Turnhalle?

Jürgen Masch: Nein, daran ist im Moment gar nicht zu denken. Wenn wir den zweiten Bereich der Sanitäranlagen in Angriff nehmen, dann muss auch gleich der Anbau erfolgen. Alles zusammen ist doppelt so teuer wie der erste Abschnitt. Momentan sind auch keine Fördermittel in Aussicht gestellt. Wenn nicht von irgendwoher ein Geldregen kommt...

Volksstimme: Wo sehen Sie noch Einsparpotenziale oder Einnahmequellen?

Jürgen Masch: Nirgends. Es ist alles schon so eng gestrickt. Und ich sehe auch nicht ein, dass wir an unserem wenigen Personal, das war haben, noch weiter sparen sollen. Einer der beiden Gemeindearbeiter geht in einigen Tagen in den Ruhestand, die Stelle muss wieder neu besetzt werden. Denn einer allein kann die Arbeit nicht bewältigen, viele Dinge kann man einfach auch nur zu zweit machen. Das Land stellt immer neue Leute an, die hinterm Schreibtisch sitzen. Und wir hier in den Gemeinden wissen nicht mehr, wie wir klarkommen sollen. Und Einnahmequellen? Es wäre ja schön, wenn wir die 256 000 Euro Außenstände für die Heizkosten vom Besitzer der drei Neubaublöcke bekommen würden, die er uns seit ein paar Jahren schuldet. Aber das Geld können wir abschreiben, er ist in Insolvenz.

Volksstimme: Wieviel Geld kann für das Heimatfest, das ja 2011 auch dem Rotstift zum Opfer gefallen ist, ausgegeben werden?

Jürgen Masch: Für alle Feste in der Gemeinde haben wir 5000 Euro im Haushalt, den wir noch beschließen müssen, eingeplant. Das Heimatfest wird wie immer am dritten Sonnabend im Juni, also am 16. Juni, gefeiert.

Volksstimme: Gibt es schon Pläne?

Jürgen Masch: Daran wird noch gefeilt. Das Fischerstechen findet vormittags unter der Regie des Feuerwehr-Fördervereins statt. Er hatte das ja schon im letzten Jahr als Nachfolger für die Bundeswehr organisiert, was auch sehr gut geklappt hat. Nachmittags gibt es wieder ein Programm auf dem Festplatz. Mitwirken wird in altbewährter Form die Grundschule. Und auch das Magdeburger Polizeiorchester haben wir schon vertraglich gebunden. Auch die Klietzer Bläser werden zusammen mit Bläsern aus Bensheim auf der Bühne stehen. Es gibt also ein abwechslungsreiches musikalisches Programm. Und unsere Vereine wirken auch wieder mit. Abends spielen die Village Boys zum Tanz auf.

Volksstimme: Wird in Neuermark-Lübars auch gefeiert?

Jürgen Masch: Ja, am 2. Juni. Die Feuerwehr und der Heimatverein haben die Planung übernommen.

Volksstimme: Steht der Termin für das Scharlibber Dorffest schon fest?

Jürgen Masch: Wie immer am letzten Wochenende im Mai. In Scharlibbe gibt es dieses Jahr noch einen zweiten Grund für ein Fest am letzten Sonnabend im Juni. Denn da feiert die Feuerwehr ihren 80. Geburtstag mit Gaudi-Wettkämpfen und Tanz.

Volksstimme: Das Schullandheim hatte 2010 erstmals ein kleines Plus erwirtschaftet. 2011 sind die Besucherzahlen wieder zurückgegangenen...

Jürgen Masch: Ja, aber die Tendenz für dieses Jahr ist schon wieder steigend. Wir waren bei der Entscheidung für die Einrichtung so eines Hauses nie davon ausgegangen, großartig Einnahmen damit zu haben. Das Schullandheim hat eine große Bedeutung für unsere Region. Viele Klassen und Vereine sind Stammgäste, weil es ihnen so gut gefällt. Die Idee mit dem Seilgarten finde ich gut, mal sehen, ob wir dafür irgendwie das Geld auftreiben können.

Volksstimme: Als im Herbst der Erhalt des Bundeswehrstandortes Klietz verkündet wurde, ist Ihnen sicher ein Stein vom Herzen gefallen?

Jürgen Masch: Das kann man wohl so sagen! Die Bundeswehr ist als Wirtschaftsfaktor enorm wichtig für uns und bietet Arbeitsplätze. Dieses Jahr gibt es wieder eine zivilmilitärische Maßnahme. Die Rathenower Straße wird vom Kreisverkehr bis zur Abfahrt Platzrandstraße mit Asphalt befestigt. Darüber freuen sich die Anlieger sehr, da das Kopfsteinpflaster recht laut ist, zumal sich nicht alle Kraftfahrer an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten. Am Donnerstag findet ja wieder der gemeinsame Neujahrsempfang von Gemeinde, Bundeswehr und Bundesforst statt.

Volksstimme: Gibt es inzwischen einen Interessenten für das Ärztehaus?

Jürgen Masch: Nein, nach wie vor leider nicht.

Volksstimme: Warum verkauft die Gemeinde es nicht für den symbolischen einen Euro? Denn besser wird die Bausubstanz nicht und wenn hier wie gewünscht Betreutes Wohnen eingerichtet wird, gibt es neue Steuern zahlende Einwohner, von denen auch Handwerk und Gewerbe profitieren.

Jürgen Masch: Das ist so eine Sache! Wir brauchen jeden Euro für unsere Haushaltsausgaben und haben nichts zu verschenken. Mit den derzeit veranschlagten 150000 Euro kann man sicher noch runtergehen, das ist Verhandlungssache. Wir haben das Gebäude jetzt einem Makler übergeben, der hoffentlich bald Erfolg hat.

Volksstimme: Aus dem Kindergarten, der ja jetzt der Verbandsgemeinde untersteht, hatte Klietz zu finanziell rosigen Zeiten ein Schmuckstück und Vorzeigeobjekt gemacht. Das Haus ist mit derzeit 91 Kindern auch ganz gut ausgelastet. Was halten Sie von der Rückkehr zur Ganztagsbetreuung für alle Kinder, die die Landesregierung im nächsten Jahr anstrebt?

Jürgen Masch: Es ist auf jeden Fall eine positive Entscheidung, dass keine Unterschiede mehr gemacht werden. Schlimm genug, dass die Kinderarmut immer mehr zunimmt. Ich hoffe, dass die Landesregierung das dafür benötigte Geld nicht noch bei uns Kommunen abzwackt.

Volksstimme: Wie macht sich die Kürzung der Ein-Euro-Jobs bemerkbar?

Jürgen Masch: Wir brauchen diese Unterstützung unbedingt. Aber am besten wäre es, wenn wir Geld hätten, um Saisonkräfte einzustellen. Denn was nützt uns ein gelernter Maurer, der als Ein-Euro-Jobber nur im Grünen Bereich eingesetzt werden darf? Er würde an anderer Stelle viel mehr nützen. Schlimm, dass uns vorgeschrieben wird, was sie machen dürfen und was nicht.

Volksstimme: Über welche Entscheidung der Landesregierung haben Sie sich 2011 am meisten geärgert?

Jürgen Masch: Spontan fällt mir die Ungleichbehandlung bei den Gebühren für die Unterhaltung der Gewässer ein. Diejenigen Grundstücksbesitzer, die an Gewässern zweiter Ordnung liegen, werden kräftig zur Kasse gebeten, die an Elbe, Havel oder Seen als Gewässer erster Ordnung nicht mehr. Das ist ungerecht, denn auch diese werden durch Steuergelder unterhalten. Die Eingabe beim Landwirtschaftsminister hat bisher nichts gebracht. Überhaupt muss sich die Landesregierung fragen, warum 177 von 219 Kommunen im Land pleite sind. Da läuft doch etwas verkehrt! Das Land hat Schulden gemacht und die Kommunen müssen mit der Streichung von Zuweisungen dafür bluten.

Volksstimme: Gab es auch etwas, das Sie begrüßen?

Jürgen Masch: Da fällt mir nur das neue Kinderbetreuungsgesetz ein. Aber erst einmal abwarten, wann und inwieweit es umgesetzt wird. Da hält das Land sicher noch einige paar Überraschungen für uns bereit. Und positiv waren die bisher meistens nicht.