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  7. Bücherwürmer sind immer willkommen, Holzwürmer nicht mehr

Buchhändlerin Uta Breitmeier hat ihr Haus auf der Havelberger Altstadtinsel grundhaft sanieren lassen Bücherwürmer sind immer willkommen, Holzwürmer nicht mehr

Von Andrea Schröder 28.06.2012, 05:17

Havelberg l Die Holzstücke zerbröckeln fast zu Staub, die Uta Breitmeier aufgehoben hat. Bis vor Kurzem gehörten die vom Holzwurm zerfressenen Balken zur tragenden Wand in dem Wohn- und Geschäftshaus in der Havelberger Marktstraße. Kaum zu glauben, dass die morschen Balken noch gehalten haben.

Schon lange hatte sich die Havelbergerin mit dem Gedanken getragen, das Fachwerkhaus sanieren zu lassen. Doch der große finanzielle und Sanierungsaufwand ließ die Geschäftsfrau zögern. Mit Blick auf die Bundesgartenschau 2015 und die gewiss nicht üppiger werdenden Fördergelder entschied sie sich im vergangenen Jahr dann doch zu diesem Schritt. Sie beantragte Fördergelder aus dem städtebaulichen Denkmalschutz, die auch bewilligt wurden, nahm einen Kredit auf und legte zu Beginn dieses Jahres los. "Bis zur Rente sind es ja noch ein paar Jahre und ich möchte meine Buchhandlung bis dahin führen", begründet sie ihren Schritt, in das Haus, das sie nach der Wende gekauft hatte, zu investieren.

Uta Breitmeier arbeitete zu DDR-Zeiten in der Volksbuchhandlung, die sich gegenüber dem Rathaus an der Ecke zur Marktstraße befand. Dann stand sie plötzlich vor der Frage: arbeitslos oder selbständig sein? Sie wählte die Selbständigkeit. Im vergangenen Jahr beging sie ihr 20-jähriges Jubiläum. Für ihr eigenes Geschäft hatte sie das in der Marktstraße ausgesucht, das einst Zigarrenladen und später die Sportwarenhandlung beherbergte. Decke und Fassade mussten vor dem Einzug saniert werden. Um das Geld nicht umsonst in den Laden zu stecken, entschied sie sich gegen die Miete und kaufte das Haus.

"Nach der Wende boomte der Buchhandel. Die Leute hatten enormen Nachholbedarf. Koch- und Märchenbücher zum Beispiel gab es plötzlich in Hülle und Fülle. Und die Lieblingsinterpreten auf CD", berichtet sie von den Anfangszeiten. Zuvor musste man Schlange stehen, um möglichst eine Lizenz-Schallplatte zu ergattern. Heute ist das Geschäft schwieriger geworden, doch ist Uta Breitmeier überzeugt, dass Fachbuchhandlungen auch in den nächsten Jahren gefragt sind. Und das nicht nur für den Schulbuchbedarf. Die Beratung zu einem guten Buch und zur Fachliteratur wird weiter geschätzt. "Viele Leute wollen in einem Buch blättern. Es ist noch nicht so, dass das E-Book das gedruckte Werk verdrängt."

Anders sieht es bei CDs aus. In Zeiten, in denen viele ihre Lieblingsmusik aus dem Internet herunterladen oder CDs selber brennen, sind die kleinen Silberscheiben nicht mehr so gefragt. Deshalb will Uta Breitmeier nur noch ein kleines Sortiment bereithalten. "Wenn jemand eine CD haben möchte, kann ich sie kurzfristig bestellen."

Dass sie nun wieder an bekannter Stelle ihren Buchhandel eröffnet hat - für das knappe halbe Jahr der Bauarbeiten hatte sie in der Galerie des Kulturprojektes Stadtinsel Domizil gefunden -, freut viele Kunden. "Am Anfang nach dem Umzug habe ich von vielen gehört, dass sie dachten, dass nun auch noch der Buchladen geschlossen ist", weiß sie um die Sorgen des Geschäftslebens auf der historischen Altstadtinsel. Der Laden ist ein wenig kleiner geworden. Ursprünglich waren es mal zwei Häuser, die über eine Treppe verbunden waren. Um in die obere Etage ihres Hauses zu gelangen, musste Uta Breitmeier die Treppe des Nachbarhauses nutzen. Als das ebenfalls saniert wurde, stand ohnehin die Frage nach einer baulichen Änderung, denn immer durch das Fenster ins Büro zu gelangen, war keine Lösung auf Dauer.

Zwei Meter des Geschäfts wurden zugunsten eines Treppenaufgangs weggenommen. Dennoch wirkt es aufgrund der Bauart größer. Die Regale sind bis oben mit Lesestoff gefüllt. Da haben kleine und große Bücherwürmer, die entgegen der Holzwürmer herzlich im Laden willkommen sind, reichlich Auswahl. Das Haus wurde komplett gedämmt, die Wände zum Teil neu errichtet. Fenster, Heizung, Dach und Fußböden sind neu. Bei der Entkernung hatte Uta Breitmeier mit ihrer Familie zum Teil selbst mit Hand angelegt und sich außer über die morschen Balken über diverse Baumaterialien gewundert, die das Haus zusammenhielten. "Da war mal ein bisschen Lehm, da ein bisschen Stroh, da ein bisschen Holz - von allem etwas." Ihr Büro hat sie jetzt mit im Erdgeschoss, denn oben sind eine kleine Ein- und Zweiraumwohnung entstanden, die sie vermietet. Die Zimmer haben Gauben erhalten. Noch ist die Fassade nicht ganz fertig, weil die Bauleute zunächst die Wohnungen fertigstellen wollen. Die Fassade wird wieder mit Stuck gestaltet.

Die Stadtinsel erhält damit ein weiteres, wieder schmuckes Haus und behält einen Fachhandel, der das an manchen Stellen bröckelnde "Kaufhaus Stadtinsel" am Leben erhält.