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Sekte verlässt Gutshof nach Misshandlungsvorwürfen / Altmark-Dorf Dolchau ist fassungslos Rätsel um verschwundene Kinder

16.09.2013, 01:30

Dolchau. Die schweren Vorwürfe von Kindesmisshandlungen gegen die umstrittene Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" ziehen Kreise bis nach Sachsen-Anhalt. Im Altmark-Dorf Dolchau sollen zehn Kinder der Sektenmitglieder verschwunden sein.

Die farbenfrohen Herbstblüher an den Treppen leuchten schon von Weitem, an der Dorfstraße von Dolchau. Doch die Rolladen an der Vorderfront der gepflegten Fassade des Gutshauses sind heruntergelassen, die Sonntagszeitung steckt noch im Briefkasten, nach dem Klingeln öffnet niemand. Wo seit Sommer bis zu 30 Menschen wohnten, ist es jetzt wieder auffällig still.

Still verharren am Sonntagnachmittag auch einige Dolchauer an der Dorfstraße. "Das waren so freundliche Leute", sagt einer. "Die wallenden Kleider der Frauen und die Zöpfe der Männer waren meine Sache nicht. Aber endlich war wieder Leben im Dorf", meint sein Nachbar. "Sie haben mich zum Abendbrot eingeladen und waren sehr nett", erzählt ein direkter Anwohner.

Gut drei Jahre stand der ehemalige Gutshof leer - so wie fast die Hälfte der Gebäude des 70 Einwohner großen Ortes bei Kalbe (Altmarkkreis Salzwedel). Im und am Haus wird seit Sommer renoviert - wenngleich an der Klingel noch der Name der verstorbenen einstigen Besitzerin steht.

Die größte Veränderung waren jedoch die vielen Lastwagen, die Module für Solaranlagen abluden. Wie die Volksstimme erfuhr, haben die Männer der Sekte Aufträge in der Region für die Installation von Solaranlagen gehabt.

Die andere Seite von "Zwölf Stämme" erfuhren die Dolchauer in der vorigen Woche im Fernsehen. Ein RTL-Journalist offenbarte Einblicke in das Innenleben der Sekte. Heimlich zeichnete er auf einem Hof in Bayern Prügelszenen mit Babys und Kleinkindern auf. Aus zwei Gemeinschaften holten die Behörden daraufhin 40 Kinder und Jugendliche ab und übergaben sie an Pflegefamilien.

Bis in die Altmark reichten die Maßnahmen indes nicht. "Uns liegen keine Anzeigen vor. Wir haben noch keine Ermittlungen eingeleitet, werden aber am Montag die Lage neu bewerten", sagte am Sonntag ein Polizeisprecher der Volksstimme. Wie "Spiegel online" berichtet, sollen zehn Jungen und Mädchen im Alter von 6 bis 17 Jahren von Dolchau nach Tschechien gebracht worden sein. Im Dorf hat man nur registriert, dass das Haus "sehr schnell" verlassen wurde, berichtet ein fassungsloser Anwohner.