1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Klötze
  6. >
  7. "Ich habe erste Auskünfte erhalten..."

Ein Jahr nach den ersten Gutachter-Ergebnissen wirft der OP-Skandal noch viele Fragen auf "Ich habe erste Auskünfte erhalten..."

Heute vor einem Jahr tritt das Altmark-Klinikum mit ersten Ergebnissen
eines Gutachtens zum OP-Skandal an die Öffentlichkeit: Von 16
untersuchten Fällen soll Neurochirurg Dr. T. 15 Patienten unnötigerweise
operiert haben, teilten die Klinikum-Verantwortlichen mit. Dr.T. und
Geschäftsführer Matthias Hahn müssen daraufhin gehen.

Von Philip Najdzion und Marc Rath 12.02.2014, 01:14

Gardelegen l Die Mienen der Verantwortlichen schwanken zwischen konsterniert und betroffen an jenem Dienstagabend im Konferenzsaal des Salzwedeler Altmark-Klinikums, als Landrat Michael Ziche als Aufsichtsratsvorsitzender mit angespannter Stimme das Wort ergreift. Kein Wunder. Ziche selbst und die Verantwortlichen im Klinikum waren in den Wochen zuvor stets davon ausgegangen, dass sich die Vorwürfe von unnötigen Operationen und Abrechnungsbetrug widerlegen lassen.

"Vom Zeitpunkt des ersten MDR-Berichtes am 7. November 2012 bis zum Ergebnis des ersten Gutachtens am 7. Februar 2013 gab es von der ärztlichen Leitung des Klinikums, vom Geschäftsführer, vom Betriebsführer, vom medizinischen Controlling und vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen keinerlei Hinweise, dass da was dran ist", erinnert sich Ziche beim Blick zurück.

"Ja, es bedeutet, dass ein Grund für die jeweilige Operation vorlag."

Ex-Geschäftsführer Matthias Hahn

Dass plötzlich das Gegenteil vorlag, ist nicht nur pikant. Es wirft inzwischen Fragen auf, die vor einem Jahr so deutlich nicht erkennbar waren. So liegen der Volksstimme nunmehr schriftliche Äußerungen des damaligen Klinikum-Geschäftsführers vor. Mitte Januar schrieb Matthias Hahn: "Ich habe über Dr. Pananis (Rechtsanwalt der Paul-Gerhardt-Diakonie, Anm. d. Red.) (...) erste Auskünfte erhalten. Ihm wurde fernmündlich mitgeteilt, dass augenscheinlich beim ersten Durchschauen eine Indikation für die OPs vorlag." Auf Nachfrage präzisierte Hahn dies sogar: "Ja, es bedeutet, dass ein Grund für die jeweilige Operation vorlag."

Wie sich dieses mutmaßliche Ergebnis innerhalb eines Monats so fundamental ändern konnte, ist eines der großen Geheimnisse und Merkwürdigkeiten in diesem Verfahren und dürfte vor Gericht noch eine besondere Rolle spielen.

Die Verantwortlichen geben sich jedenfalls einsilbig. Ex-Geschäftsführer Hahn will sich zu seiner Zeit in Gardelegen derzeit nicht äußern. Der Gutachter Prof. Dr. Amir Samii - ein Neurochirurg aus Hannover - antwortet: "Ich kann mich nicht an ein solches Telefonat erinnern." Auf Nachfrage räumt er ein, "natürlich habe ich Telefonate geführt". Diese seien allerdings "in der Regel lediglich auf organisatorische Aspekte beschränkt". An "inhaltliche Aussagen" per Telefon könne er sich "zu dem Fall" nicht erinnern, so der Neurochirurg. Anwalt PanosPananis schickt auch nach einer Erinnerung kein Antwortschreiben.

"Zwischenstände hat es auch meiner Sicht keine gegeben."

Diakonie-Chef Ulrich Metzmacher

"Zwischenstände hat es aus meiner Sicht keine gegeben", sagt Ulrich Metzmacher, Geschäftsführer der Paul-Gerhardt-Diakonie, die die Klinik-Geschäfte führt. Und er fügt hinzu: "Ich weiß es aber nicht. Ich war bei dem mutmaßlichen Telefonat nicht dabei."

Nur eines ist damit klar: Eine der Darstellungen kann nicht stimmen. Dies wirft noch weitere Fragen auf: Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Wer verfolgt da welche Interessen?

Nach Volksstimme-Informationen soll zudem einer der begutachteten Fälle aus einer Zeit stammen, in der Dr. T. noch gar nicht in Gardelegen gearbeitet hat.

Das Thema Gutachten ist ohnehin ein zähes Kapitel. Die Verantwortlichen agierten dabei keinesfalls konsequent. Nach den Schlagzeilen aufgrund des MDR-Berichts sollte zunächst ein ganzer Operations-Monat untersucht werden. Doch die Verantwortlichen warfen die Pläne offenbar schnell über den Haufen. Die Klinikum-Leitung griff vielmehr unter anderem auf Patientenschicksale aus der medialen Berichterstattung zurück. Die ursprünglich angedachte Monatsuntersuchung fiel einfach weg.

Die strafrechtliche Aufarbeitung dauert auch nach mehr als einem Jahr an. Die Staatsanwaltschaft hält sich derzeit bedeckt. Die Liste der 62 Fälle, die den OP-Skandal ausgelöst hatten, ist bei den Ermittlungen nach Volksstimme-Informationen allerdings deutlich geschrumpft. Die Staatsanwaltschaft hat demnach nicht einmal die Hälfte dieser Fälle einem Gutachter übergeben. Mit dessen Ergebnis wird derzeit erst im Sommer gerechnet.