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Staatsanwaltschaft weitet Ermittlungen aus Gardeleger Chefärzte schlugen schon 2009 Alarm

Immer mehr verdichten sich die Hinweise, dass der sogenannte OP-Skandal
am Altmark-Klinikum viel früher begonnen haben könnte. Die
Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen aufgenommen. Ein anonymer Brief
belastet das Klinikum. Es geht um die Zeit vor Juli 2011 - bevor Dr. T.
nach Gardelegen kam.

Von Philip Najdzion 15.02.2014, 01:22

Gardelegen l In dem Schreiben werden nach Volksstimme-Informationen schwere Vorwürfe gegen das Gardeleger Klinikum erhoben. Im Fokus stehen dabei Wirbelsäulen-OPs Ende des vergangenen Jahrzehnts. Der sogenannte Facharztstandart sei bei den Operationen nicht gewahrt worden - so lautet nach Volksstimme-Informationen der zentrale Vorwurf des Schreibens. Damals hatte der Mediziner N. - angestellt als Assistenzarzt - Patienten an der Wirbelsäule operiert (die Volksstimme berichtete).

Normalerweise werden Assistenzärzte bei Operationen von entsprechenden Fachärzten überwacht. Doch einen Facharzt für Neurochirurgie gab es in Gardelegen nicht. Allerdings gebe es Ausnahmen argumentiert die Landesärztekammer. Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen aufgenommen. Die Strafermittler sind jetzt auf der Suche nach dem anonymen Zeugen.

Mittlerweile zeigt sich, dass der Fall auch seinerzeit im Klinikum heftig diskutiert worden ist. Im Sommer 2009 kam es in der Sache offenbar zu Protesten innerhalb der Ärzteschaft. In einem der Volksstimme vorliegenden Dokument berichtet der damalige Geschäftsführer Axel Burghardt dem damaligen Leiter der chirurgischen Klinik, Dr. Bernd Falkenberg, von einem Treffen mit mehreren Chefärzten, darunter befand sich auch der Ärztliche Direktor, Dr. Michael Schoof.

Neue Regeln zu OP-Verfahren

"Diese haben erhebliche Bedenken bezüglich der Wirbelsäulen-OP vorgetragen. Zum einen würden auch umliegende Kliniken die Entwicklung hier beobachten. Es sei bekannt, dass Herr N. keine deutsche Facharztanerkennung habe", wird Burghardt darin zitiert.

Auch in dem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer und Falkenberg war es unter anderem um das Thema gegangen. "Herr Burghardt wird sich um die rechtliche Klärung der Frage Facharztreife kümmern", heißt es. Nachträglich. Denn klar ist nach diesem Schreiben: Die Operationen waren bereits im Gange.

Gerade erst hatte der Geschäftsführer eine Regelung "neue OP-Verfahren" schriftlich fixiert - wohl auf den Druck aus der Ärzteschaft hin. "Dies ist anzuwenden und gilt für sämtliche, jetzt auch kurzfristig erst in weniger Anzahl erbrachter Leistungen. Die für Donnerstag geplante OP in einem neuen Verfahren mit einem längeren Schnitt an der Wirbelsäule fällt unter diese Regelung und wird daher abgesetzt."

Falkenberg sollte N. ab sofort anordnen, nur "etablierte Verfahren anzuwenden". Neue Verfahren müssten erst anhand der Regelung "neue OP-Verfahren" geprüft werden.

Röntgenuntersuchungen nicht dokumentiert

Die OP-Regelung wurde drastisch verschärft: Wenn die Radiologen keine Indikation sehen, durfte N. demnach nicht mehr an der Wirbelsäule operieren. Und das kam häufig vor. In fast jedem zweiten Fall (42,7 Prozent) waren sich der Operateur N. und der Radiologe uneinig. Die Zahlen hatte der Chefarzt der Radiologie, Dr. Michael Bäse, vorgelegt. Sie zeigen, dass wohl vieles im Argen lag. Bei einem Viertel der Fälle war demnach die Röntgenuntersuchung nicht im Arztbrief beziehungsweise dem OP-Bericht dokumentiert. In jedem dritten Fall (35 Prozent) sei im Arztbrief zudem die Aussage der Radiologen verfälscht worden. Desweiteren waren 14 Prozent der Operationen nicht ordnungsgemäß ins System gestellt.

Falkenberg äußert sich nicht mehr zu seiner Zeit in Gardelegen. Axel Burghardt antwortete gestern auf eine Anfrage der Volksstimme: "Ich bitte um Verständnis, dass ich für ein Gespräch während der laufenden Ermittlungen nicht zur Verfügung stehe."