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Klötzer Einwohner gingen am 19. November 1989 für ein neues Alltagsleben auf die Straße Protest für Heimat und Freiheit

Von Harald Schulz 15.11.2014, 02:08

Die deutsch-deutsche Wiedervereinigung war im vollem Gange, als am sogenannten Totensonntag am 19. November 1989 ein Protestzug mit bemerkenswerten Forderungen im Schutz des Neuen Forums Kusey-Klötze durch die Stadt zog.

Klötze l Das Bemerkenswerte an diesem Protestzug waren die Forderungen der Teilnehmer. Statt das Ende der DDR zu fordern, wurde auf den Spruchbändern gefordert, dass die SED zukünftig die Rolle einer Opposition einnehmen müsse. Nicht das Ende der DDR wurde auf einem großen Transparent gefordert, vielmehr war dort zu lesen "Neue Leute braucht die DDR".

Einer der Zeitzeugen, die diese Demonstration mehr heimlich fotografierte, war der ehemalige Lehrer Günter Schröder aus Apenburg, der eigentlich an diesem Tag nach Leipzig fahren wollte. Bereits am Sonnabend vor der Demo fuhr die ganze Familie nach Klötze, um diese erste öffentliche Demonstration mitzuerleben. Als erstes erblickte Günter Schröder den Zug von mehreren Hundert Demonstranten. Einwohner aus Klötze und den umliegenden Dörfern waren dem Aufruf des Neuen Forums gefolgt. Die Gründung des Forums war erst kurz vorher, am 14. November, vom Rat des Kreises Klötzes genehmigt worden. Die Protestler hatten sich an der evangelischen Kirche versammelt und marschierten durch die Breite Straße in Richtung des Gebäudes der Staatssicherheit. Gegen diese staatliche Allmacht richtete sich der geballte und dennoch friedlich bekundete Groll der Demonstranten, berichtet Schröder im Gespräch mit der Volksstimme.

Angst vor bewaffneten Stasi-Mitarbeitern

Auf den großen Spruchbändern forderten sie vor allem Veränderungen, so der Apenburger Beobachter. Auch Tage nach Öffnung der Grenze war im Altkreis Klötze noch keine Änderung der Machtstrukturen oder der Wille zu Reformen zu erkennen. Die Demonstranten verlangten aber nach freien Wahlen, nach Reformen und auch nach einer sauberen Umwelt, erinnert sich Schröder.

Am Gebäude der Staatssicherheit stockte der Protestzug. "Alle spürten die sehr gespannte Atmosphäre, denn gewiss standen die Stasi-Leute, vielleicht sogar bereits bewaffnet, hinter den Fenstern und Türen", blickt Schröder noch heute mit einem gewissen Frösteln zurück. "Einige ruckelten an den Gittern des Zaunes. Schließlich entzündeten immer mehr Demonstranten Kerzen und stellten sie als Zeichen des friedlichen Protestes zwischen die Gitterstäbe und auf die Türschwellen der Stasi-Unterkunft", erzählt der Zeitzeuge. "Was mir später berichtet wurde, war, dass die aufgestellten Kerzen schon Stunden später wieder von den Stasi-Mitarbeitern weggeräumt wurden", so Schröder.

Dass an den Tagen kurz nach der Wende auch in Klötze eine friedlichen Revolution gelang, sei auch der Besonnenheit des damaligen Rat des Kreises in Klötze zu verdanken. Dem Vorsitzenden Ulrich Koppe wurde Besonnenheit und Verantwortungsbewusstsein in diesen kritischen Tagen von Zeitzeugen attestiert. Er selbst möchte darüber nicht öffentlich berichten.

Das mit den offiziellen Behörden und der Staatssicherheit nicht zu spaßen war, das haben Pfarrer Bernd Schulz aus Steimke und seine Familie damals am eigenen Leib leidvoll zu spüren bekommen. Der Mitbegründer des Neuen Forums Kusey-Klötze sieht es mittlerweile als notwendig an, dass eine Erneuerung bereits 25 Jahre danach wieder ein großes Thema ist.