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Neuwegersleber Station wurde für das Wochenende ausgestattet/Zeichen wurde schon im 19. Jahrhundert genutzt Telegrafensignal fordert auf: "Uhren umstellen"

Von Marlies Müller 29.03.2014, 01:17

Das Zeichen auf der Neuwegersleber Telegrafenstation fordert an diesem Wochenende auf, die Uhren umzustellen. Vor 180 Jahren war das nicht wie heute nur alle sechs Monate notwendig, sondern alle drei Tage.

Neuwegersleben l Damit niemand vergisst, am Sonntag die Uhren umzustellen, wurde hoch oben auf der Telegrafenstation in Neuwegersleben für dieses Wochenende ein ganz besonderes Zeichen eingestellt. Es bedeutet: "Die Uhren sollen gestellt werden." Allerdings ist dieses Zeichen Mitte des 19. Jahrhunderts in der optischen Telegrafie nicht wegen Sommer- und Winterzeit verwendet worden, sondern weil seinerzeit die bei größeren Entfernungen noch vorhandenen Zeitunterschiede ausgeglichen werden und die Telegrafie nicht stören sollten.

Genaueres dazu haben Werner Neum von der Interessengemeinschaft optische Telegrafie Neuwegersleben (Station 18) und Torsten Wambach von der Station 17 in Ziegelsdorf (Jerichower Land) herausgefunden:

Danach gab es damals alle drei Tage die Aufforderung zur Einstellung der Uhrzeit auf allen 62 Telegrafenstation der königlich-preußischen optischen Telegrafenlinie Berlin-Koblenz. Somit auch auf den vier Stationen Hohendodeleben, Am- pfurth, Oschersleben und Neuwegersleben. Und zwar mit dem Zeichen, das dieser Tage auf der Neuwegersleber Station zu sehen ist. Denn was heute selbstverständlich ist, dass alle Uhren in Deutschland die gleiche Zeit anzeigen, war vor 180 Jahren nicht so.

Bis zur Vereinheitlichung der Uhrzeit bestimmte der Lauf der Sonne die Ortszeit. Bei großen Entfernungen waren Zeitunterschiede feststellbar, die durch die geringen Geschwindigkeiten der Transportmittel kaum spürbar waren. "So betrug die Zeitdifferenz in der Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Berlin und Aachen an der preußischen Westgrenze 28,5 Minuten", so Werner Neum und Torsten Wambach.

Für einen reitenden Boten, der für die Strecke drei bis vier Tage brauchte, eine zu vernachlässigende Differenz. Für mittels optischer Telegraphenlinie zu übersendende Depeschen, die für die Strecke Berlin-Koblenz nur 90 Minuten brauchten, war diese Zeitdifferenz dagegen "unakzeptabel groß". Auch für das ab 1835 beginnende Eisenbahnwesen wurde eine vereinheitlichte Uhrzeit in Preußen immer bedeutsamer.

Dies war Anlass, die Uhrzeit von Berlin, als so genannte "Berliner Zeit", für die gesamte Telegrafenlinie festzulegen und alle Uhren an diese Zeit anzupassen.

Zur Ankündigung des aus Berlin kommenden "Zeitzeichens", das für die 588 Kilometer lange Strecke nach Koblenz nur 60 Sekunden benötigte, wurde dreimal das Zeichen "Die Uhren sollen gestellt werden" durch die Linie geschickt. Damit wusste jede Station, dass als nächstes das "Zeitzeichen" kommt und stellte durch permanentes Beobachten der Nachbarstation die unverzügliche Weiterleitung des "Zeitzeichen" sicher. Damit Berlin die ordnungsgemäße Weiterleitung kontrollieren konnte, musste das Zeitzeichen nach Ankunft in Koblenz sofort wieder retour geschickt werden. War das Zeitzeichen nach zwei Minuten zurück, bestand in Berlin die Gewissheit, dass alle 62 Stationen die gleiche Zeit haben und auch ordnungsgemäß arbeiteten.

Wer noch mehr darüber erfahren möchte und sich für die Zeichensprache der optischen Telegraphie interessiert, der sollte sich den Sonntag, 27. April, vormerken. Denn an diesem Tag startet auf der Nummer 18 in Neuwegersleben die neue Saison zur Besichtigung der dortigen Telegrafenstation. Die Öffnungszeit ist von 14 bis 17 Uhr.