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Ein Förderprogramm von Land und Kreis eröffnet Arbeitslosen in Familien neue Perspektiven "Endlich wieder in Lohn und Brot"

Von Sebastian Pötzsch 27.08.2014, 03:26

Das Förderprogramm "Familien stärken - Perspektiven eröffnen" zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze geht im Landkreis Börde in die nächste Runde. Sozialminister Norbert Bischoff überreichte Landrat Hans Walker am Montag in Oschersleben einen Förderbescheid in Höhe von insgesamt rund 502000 Euro.

Oschersleben l Yvonne Kamin aus Seehausen war jahrelang arbeitslos. Weil die Firma, bei der sie in der Lehre war, in Konkurs ging, hat sie auch keine angeschlossene Berufsausbildung. Das machte die Vermittlung in einen festen Arbeitsplatz nahezu unmöglich. "Nebenbei habe ich immer gejobbt, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Doch ein sicherer Arbeitsplatz kam dabei nie heraus", erzählt Yvonne Kamin. Dann kamen ihre zwei Kinder auf die Welt und machten weitere Versuche des Einstiegs in die Arbeitswelt nahezu unmöglich. Umschulungen und Lehrgänge hätten ebenfalls keinen längerfristigen Erfolg gebracht. Bis ihr das Jobcenter den Vorschlag unterbreitete, an einem neuen Projekt des Landkreises teilzunehmen. "Erst war ich ja nicht so begeistert, als ich davon hörte. Erfahrungsgemäß ist hinterher ja nie etwas Handfestes herausgekommen. Da es dieses Mal allerdings mit keinen Pflichten verbunden war, habe ich zugesagt, mir das gern einmal anzuhören", erklärt die einstige Langzeitarbeitslose.

"Mit den Vorschlägen vom Arbeitsamt wurde ich einfach nicht warm."

Firmenchef Uwe Sobierta

Wenig später, wurde sie mit einem sogenannten Familienintegrationscoach des Landkreises bekannt gemacht. Das war Anja Bach. Seit dem Sommer vergangenen Jahres versucht sie, ihrer Klientin neue berufliche Perspektiven zu eröffnen. So kam der Kontakt mit Uwe Sobierta zustande.

Sobierta ist seit dem Jahr 2008 in der IT-Branche selbstständig tätig. Er berät Unternehmen hinsichtlich ihrer Hard- und Softwareanwendungen. "Schnell ist mein Kundenstamm gewachsen, so dass die Arbeit für mich alleine einfach zu viel wurde", erzählt der Firmenchef. So machte er sich auf die Suche nach einem weiteren Mitarbeiter, wurde allerdings enttäuscht. "Mit den Vorschlägen vom Arbeitsamt wurde ich einfach nicht warm. Es hat nichts gepasst", erinnert sich Sobierta. Bis er bei einem seiner vielen Besuche auf dem Arbeitsamt einen Flyer fand, der auf das Förderprogramm "Familien stärken - Perspektiven eröffnen" hinwies. "Na da ruf ich doch einfach mal an, dachte ich so bei mir", erinnert sich Sobierta.

Wenig später wurde ihm von Anja Bach die Langzeit- arbeitslose Yvonne Kamin vorgestellt und ein mehrwöchiges Praktikum vereinbart. "Ich war anfänglich noch sehr skeptisch. Aber ich wurde durch Herrn Sobierta eines Besseren belehrt", freut sich Kamin heute. Und Uwe Sobierta sagt: "Trotz ihrer geringen fachspezifischen Vorkenntnisse war ich von Frau Kamin eigentlich gleich begeistert." So kam ein Arbeitsvertrag zustande. "Seit Februar dieses Jahres stehe ich endlich in Lohn und Brot, das erste Mal in meinem Leben", freut sich Yvonne Kamin. Der Kontrakt ist zwar zunächst befristet, doch hoffen beide, dass es ab dem 1. Januar 2015 weitergeht. Das ist an zumindest eine Voraussetzung geknüpft: "Die Stelle von Frau Kamin muss sich selber tragen. Noch ist sie nicht soweit, dass sie wichtige Arbeiten übernehmen kann, die auch Einnahmen bringen. Doch ich sehe positiv in die Zukunft", erklärt der IT-Fachmann.

Denn bis zum 21. Dezember stammt der Lohn für seine Angestellte aus öffentlichen Mitteln. Ermöglicht wird das durch das Förderprogramm "Familien stärken - Perspektiven eröffnen" des Sozialministeriums des Landes Sachsen-Anhalt und des Landkreises. Das auch "Familienintegrationscoach" genannte Projekt soll jüngere Erwerbsfähige aus Familien dabei unterstützen, neue Perspektiven zu eröffnen. Der Fokus liegt dabei auf den Ein- beziehungsweise Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt.

Rund 75000 Euro hatte das Land dem Bördekreis für das Programm zur Verfügung gestellt, weitere 302000 Euro waren es für dieses Jahr. Nun gab es am Montag per Fördermittelbescheid eine weitere Zusage in Höhe von 125000 Euro für das kommende Jahr - direkt aus den Händen von Sozialminister Norbert Bischoff (SPD). Der war einer Einladung von Landrat Hans Walker (CDU) nach Oschersleben gefolgt, um sich über den Fortlauf der Bemühungen des Landkreises auf diesem Sektor zu informieren. "Ich halte es für richtig, gezielt Leute in Arbeit zu bringen, gerade jetzt, wo Fachkräfte gebraucht werden", sagte der Minister.

Laut den Ausführungen von Coach Anja Bach und ihrer Haldensleber Kollegin Manuela Fricke ist die Klientin Yvonne Kamin aus Seehausen eine von bisher 123 Teilnehmern an dem Förderprogramm im gesamten Landkreis. 56 von ihnen haben wie sie ebenfalls ein Erprobungsarbeitsverhältnis begonnen. Weitere 15 hätten die elf Monate bereits offiziell beendet, wovon acht beim selben Arbeitgeber übernommen worden seien.

"Das hört sich zwar von den Zahlen her zunächst nicht so vielversprechend an, trotzdem ist dies schon ein Erfolg. Denn es sind die schwierigsten Familien, die von den Fachdiensten der Jobcenter bearbeitet werden", betont Manuela Fricke. Minister Bischoff kann dem nur zustimmen. Und ein weiterer Blick in die Statistiken verdeutlicht diese Aussagen. Demnach haben nur 61 Prozent der 123 Teilnehmer einen Berufsschulabschluss, 13 Prozent nicht einmal einen Schul- abschluss. 70 Prozent haben zwar Kinder, leben jedoch alleinerziehend.

"Mit fehlt die Qualifizierung. Das heißt, dass ich noch einiges in meiner Freizeit leisten und viel lernen muss."

Klientin Yvonne Kamin

Hier setzt die Arbeit der Coaches an. Denn mit einer Perspektive auf einen festen Arbeitsplatz ist es nicht getan. Hier muss individuell unterstützt werden, sei es bei der Suche nach einem Kindergarten-Platz oder beispielsweise bei der Kontaktaufnahme mit der Schuldnerberatung. Das schließt eine enge Zusammenarbeit mit sogenannten Netzwerkpartnern wie dem Fachdienst Jugend und den einzelnen Abteilungen der Jobcenter mit ein.

So wie bei Klientin Yvonne Kamin. Sie hofft nun inständig auf eine Weiterführung ihres Arbeitsverhältnisses über den 1. Januar 2015 hinaus und dankt allen Beteiligten für den Aufwand, der bis hierher betrieben wurde. "Ich weiß aber, dass auch ich noch etwas zu bringen habe. Mit fehlt die Qualifizierung. Das heißt, dass ich noch einiges in meiner Freizeit leisten und viel lernen muss", ist sie überzeugt.