1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Osterburg
  6. >
  7. Prof. Meinhold: "Wir steigen eine Oktave höher - folgen Sie mir"

Akrobatischer Orgelspieler beeindruckt in Krevese mit Fachwissen und filigraner Musik / Lebensuhr der Gansen-Orgel tickt immer schneller Prof. Meinhold: "Wir steigen eine Oktave höher - folgen Sie mir"

Von Ralf Franke 09.08.2013, 03:10

Krevese l Der Erfurter Universitätsorganist, Prof. Dr. Wieland Meinhold, der den dritten Teil des Kreveser Orgelsommers bestritt, beeindruckte nicht nur mit seinem Spiel, sondern vor dem Konzert eine Handvoll Gäste mit einem Vortrag über die Königin der Instrument im Allgemeinen und die Gansenorgel in der Kreveser Klosterkirche im Besonderen. Was für interessierte Gäste ein ähnlicher Höhepunkt wie die spätere Musik war, als der Wahl-Thüriger seinen Worten Taten folgen ließ.

Das Publikum von morgen

Orgel-Führungen gehören zum regelmäßigen Brot des 52-Jährigen, der seine lebendigen Vorträge ursprünglich für Kinder - "das Publikum von morgen" - ins Leben gerufen hat. Die lange Berufserfahrung hilft dabei, dass es aus dem gebürtigen Hallenser, der in Jena Kirchenmusik studiert hat und fast Orgelbauer geworden wäre, nur so heraussprudelt und dass er mit seinen lebendigen Vorträgen auch Erwachsene zu fesseln versteht.

So auch in Krevese, wo der drahtige Hobby-Turner mit Hang zur Luftakrobatik nebenbei bewies, den passenden Ausgleichsport für das Orgelspiel gefunden zu haben. Zuerst mit einem Schweizer Handstand (das ist die langsame Ausführung für Könner) im Kirchenschiff, kurz danach "eine Oktave höher" auf der Empore, die in der Klosterkirche bei Konzerten allein dem Organisten, eventuell noch einem Registranten vorbehalten ist.

So schnell und virtuos er mit Händen und Füßen über Manual und Pedal gleitet, so flink überbrückt er auf einer etwas zu hohen Sitzbank die Entfernungen, um die Register zu ziehen (oder zu stoßen) und damit die sogenannten Schleifenbretter zu bedienen, die mit ihren Löchern die Luft an knapp 700 Pfeifen verteilen, je nach dem, ob es Organist beziehungsweise Komponist nach hohen oder tiefen, lauten oder leisen, plakativen oder räumlichen, schrillen oder majestätischen oder Klängen mit Gänsehaut-Garantie verlangt. Wobei die Zuhörer und Zuschauer erfahren, dass die Orgel früher eher schlichtes Mittel zum Zweck im Rahmen des Gottesdienstes war und erst später den Weg zu einem Konzertinstument fand.

Die Zahl der Metall- und Holzpfeifen, die Anton Heinrich Gansen 1721 der Orgel genehmigte, ist nicht besonders groß, für die Kirche aber angemessen. Bedeutend für die Musikgeschichte ist vielmehr das authentische barocke Klangbild des Instrumentes.

Zum drittel Mal in der Kirche

Meinhold spielte die Kreveser Orgel zum dritten Mal und führte sie unter dem Motto "Telemann und Frankreich" an ihre klanglichen Grenzen. Im Laufe der Jahre beobachtete er leider auch ihren Verfall. Die kunstvoll mit Gesichtern versehen Prospektpfeifen oxydieren, nebenan stillen Holzwürmer ihren Appetit. Einer Schätzung weicht er aus. Lässt aber durchblicken, dass die Uhr immer schneller tickt.