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Hochwasser im Landkreis: Alarmstufe IV ab Donnerstag / Deichwachen werden noch gesucht / Bundeswehr hilft im Norden Scheitel bleibt unter der Marke von 2006

Von Egmar Gebert und Birgit Schulze 19.01.2011, 04:24

Gestern überstiegen die Elbepegel bei Tangermünde und auch bei Wittenberge die Höhen der Hochwasseralarmstufe III. Der Landkreis geht davon aus, dass in der Nacht zu morgen, spätestens Donnerstag früh die Alarmstufe IV ausgerufen wird. Der Hochwasserscheitel wird zum Wochenende mit um die 7,15 Meter erwartet. Damit würde er unter den Höchstwerten von 2006 bleiben.

Stendal. Die Lage sei ernst, aber beherrschbar, fasste Reinhard Kürschner gestern Mittag die Hochwassersituation im Landkreis Stendal zusammen. Eine Einschätzung des Flussbereichsleiters Genthin des Landesbetriebes für Hochwasserschutz, der für die rechtsseitigen Deiche an Elbe und Havel im Bereich des Landkreises zuständig ist, die sowohl sein für die linksseitigen Hochwasserschutzdeiche zuständiger Kollege Hans-Jörg Steingraf als auch der stellvertretende Landrat Carsten Wulfänger hundertprozentig unterschreiben. Sie analysierten gestern das Hochwassergeschehen.

Betreten der Deiche nicht mehr erlaubt

Gegen Mittag erreichte der Hochwasserpegel jene 6,60 Meter, bei denen die Alarmstufe III ausgerufen wird. Damit ist das Betreten der Deiche für jedermann untersagt. Diese zweithöchste Warnstufe gilt inzwischen auch am Pegel Wittenberg, so dass entlang der hochwasserführenden, eingedeichten Flüsse im gesamten Landkreis Deichwachen eingesetzt sind.

"Sie kontrollieren die Anlagen ständig und informieren bei jeglicher Veränderung die zuständigen Deichfachberater des LHW, die dann über jede weitere Maßnahme entscheiden", erläuterte Flussbereichsleiter Steingraf die Aufgaben einer Deichwache. Warum? Carsten Wulfänger dazu: "In manchen Orten werden noch Deichwachen gesucht. Interessenten sollten sich bitte bei ihren Bürgermeistern oder in den zuständigen Verwaltungen melden."

Der Hochwasserscheitel hatte gestern bereits das tschechische Usti nad Labem (an der Elbe) erreicht. Dort sinken die Pegel wieder. "Die Welle wandert jetzt elbabwärts. Ein Ende des Hochwassers ist absehbar, es wird uns hier aber noch gut eine Woche beschäftigen", so Wulfänger. Nach den gestrigen Prognosen soll der Scheitelpunkt des Hochwassers Tangermünde am kommenden Sonnabend erreichen. Denkbar wäre dann ein Pegelstand um die 7,15 Meter. "Das wäre etwas niedriger als 2006 und gut ein halber Meter weniger als 2002", ordnet Hans-Jörg Steingraf diese Vorhersage ein.

Für den morgigen Donnerstag ist absehbar, dass die Elbe bei Tangermünde auf 7,10 Meter anschwellen wird.

Das heißt, dass spätestens ab Donnerstag, eventuell auch schon ab der kommenden Nacht, die Hochwasseralarmstufe IV gilt. "Das bedeutet nicht automatisch, dass der Katastrophenfall ausgerufen wird, sondern, dass Maßnahmen zur Hochwasserabwehr wie die Erhöhung von Deichen oder das Abdichten von Sickerstellen nötig werden können", sagt Carsten Wulfänger. Allerdings ist die Situation in den einzelnen Abschnitten unterschiedlich.

Abschlussbauwerk bleibt weiterhin offen

So habe zwar auch Havelberg ein Problem mit dem recht hohen Stand der Havel, befinde sich derzeit aber noch "im grünen Bereich", schätzte Reinhard Kürschner ein. Ein Öffnen des Einlasswehres Neuwerben der Wehrgruppe Quitzöbel, zu der drei Wehranlagen gehören, sei derzeit nicht wahrscheinlich. Eine Baustelle gebe es in diesem Bereich am Polderdeich bei Vehlgast, der jetzt verstärkt wird. Problematisch sei die Lage dort jedoch nicht.

Ganz anders stellte sich die Lage gestern am Aland dar. In diesen kleinen Fluss entwässert sich ein 1947 Quadratkilometer großes Gebiet zwischen Uchtspringe und Gardelegen. Nur etwa zwei Drittel des Wassers, das der Aland derzeit transportiert, wird er in die Elbe los, der Rest, etwa 13 Kubikmeter pro Sekunde, stauten gestern in den Aland zurück. "So lange die Elbe auch nur einen Kubikmeter Wasser aus dem Aland aufnimmt, wird das Abschlussbauwerk offen bleiben", versicherte Hans-Jörg Steingraf, dessen Prognose dennoch alles andere als beruhigend klag.

Die Deiche des Alands seien auf eine Höhe von 20,77 Meter über Normalnull gebaut. Die Bemessungsgrenze für das Hochwasser – sie liegt einen Meter unterhalb der Deichkrone – sei dort noch nie erreicht worden, was er für dieses Hochwasser aber nicht ausschließen könne. Gestern stand das Wasser des Alands 1,60 Meter unter der Deichkrone. Die Hochwasserentwicklung in der Elbe wird darüber entscheiden, wie hoch das Wasser im Aland geht. Aus diesem Grund laufen die Arbeiten an der Aland-Deichbaustelle zwischen Wanzer und Pollitz (die Volksstimme berichtete gestern) mit Hochdruck und sollen heute abgeschlossen werden.

Aland ist das größte Sorgenkind

Ein weiterer neuralgischer Punkt ist der etwa 1,7 Kilometer lange Polderdeich nördlich von Wanzer. Er wird seit gestern auch mit Unterstützung von 60 Bundeswehrsoldaten mit Sandsäcken um 30 Zentimeter erhöht. Damit soll der Wrechow-Polder vor der Überflutung geschützt werden. Laut Steingraf müssen sich die Bewohner am Aland und im Bereich des nördlichen Zehrengrabens weiterhin darauf einstellen, dass die Situation hier problematisch werden könnte.

Tangerniederung läuft seit gestern voll

In den frühen Morgenstunden lief der Polderdeich Tangermünde (Onkel-Toms-Hütte-Deich) in Richtung Tangerniederung über. Elbewasser strömt in dieses Gebiet und wird die Polderflächen der Tangerniederung nach den bisherigen Voraussagen an Elversdorf vorbei bis hinter Demker und den dortigen Bahndamm der Bahnstrecke Magdeburg–Stendal überfluten. Auch die Verbindungs- wege von Elversdorf und Demker nach Köckte werden unter Wasser gesetzt und nicht mehr passierbar sein.

Damit gleiches nicht auch mit der Gemeindestraße passiert, die beide Orte miteinander verbindet, wird entlang dieser Straße seit gestern ein Damm gebaut. Mittels Folie und Sand soll dem Wasser auf etwa einem Kilometer Länge der Weg verbarrikadiert werden. Sowohl dort als auch in Demker selbst, das 2002 seine Erfahrungen mit dem Wasser gemacht hat, waren gestern Feuerwehrleute und freiwillige Helfer im Einsatz. Vor allem ältere Leute aus dem Ort kamen mit dem Fahrrad und Schaufel, um zu helfen. Auch Gerd Henze, der seit über 40 Jahren den Pegel am Tanger abliest, war vor Ort. Er kennt das Hochwasser in der Tangerniederung gut. Der rüstige Rentner sagt: "Das Wasser sucht sich immer seinen Weg." In Demker wurden 1600 Sandsäcke befüllt, die zum operativen Einsatz auch für die Einwohner bereitstehen.

Und auch im Wildpark Weißewarte, der 2002 wegen des Wassers kurzfristig evakuiert werden musste, wurden gestern Sandsäcke befüllt. Kurzfristig waren Feuerwehrleute, Gemeindemitarbeiter aus Bittkau, Bellingen und Uchtdorf sowie Mitarbeiter des Bauhofes in Tangerhütte hinzugezogen worden, die seit dem Morgen 1000 Säcke mit 50 Tonnen Sand füllten. Damit sollen im hinteren Teil des Wildparkes ein Wall errichtet und Durchlässe verschlossen werden. Die Tiere in den hinteren Gehegen, wo sich das Wasser zuerst sammelt, werden nach vorn geholt "und wenn‘s ganz dicke kommt, müssen wir wieder evakuieren", sagt Annette Friedebold, leitende Wildparkangestellte, die den Helfern sehr dankbar ist.

Bürgertelefon (0 39 31) 60 80 00

Ab sofort hat der Landkreis ein Bürgertelefon eingerichtet, an das sich die Einwohner des Landkreises mit ihren Fragen rund um das Hochwasser und bei Problemen mit selbem wenden können. Mitarbeiter der Kreisverwaltung sind vorerst an jedem Tag von 8 bis 16 Uhr unter der Nummer (0 39 31) 60 80 00 erreichbar.