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Kirchentag in Werben Kein Patentrezept für glückliche Momente

Von Birgit Tyllack 16.06.2014, 01:39

Werben l "Ständig das Gerede über Glück!" Als Dr. Margrit Vogler, Fachärztin in Magdeburg für Psychiatrie und Psychotherapie, sich auf ihren Vortrag "Bin ich meines Glückes Schmied?" für den Ökumenischen Kirchentag am Sonntag in Werben vorbereitete, stieß sie auf unterschiedliche Reaktionen. Von "Toll!" bis "Ich kann es nicht mehr hören!" war alles dabei.

Glücklich sein zu müssen, kann Druck verursachen

Das Thema polarisiert. Besonders, weil viele den Druck verspüren, glücklich - oftmals gleichgesetzt mit gut gelaunt - sein zu müssen. "Was ist, wenn Menschen berechtigterweise unglücklich sind?" Für Vogler gehören die unglücklichen Momente genauso zum Leben wie die glücklichen. Und immer glücklich sein, kann niemand. "Währte das Glück ewiglich, wäre das Leben schal und die Menschen träge und gefräßig!"

Ist eine Situation nicht verbesserungswürdig, braucht der Mensch sich nicht anzustrengen. Hinzukommt, dass die Gewohnheit der Feind des Besonderen ist. Irgendwann würden Endorphine, diese Glückshormone, nicht mehr ausgeschüttet werden, gewisse Schaltkreise im Gehirn nicht "anspringen" - das Glück wäre schnell vorbei. Die schattigen Seiten lassen uns die lichten Momente wertschätzen. Und überhaupt! Was ist Glück? Gibt es eine Definition? Vogler startet zunächst eine kleine empirische Befragung. Man soll herausfinden, was den Sitznachbarn glücklich macht. "Mich machen solche Aufgaben jedenfalls nicht glücklich," flüstert eine Dame vernehmlich. Zustimmendes Kopfnicken rundherum.

Aber dann kommen erstaunlich viele Menschen doch miteinander ins Gespräch und unterhalten sich derart angeregt, dass die Vortragende nur ungern unterbricht. Sie zitiert Eckhard von Hirschhausen, der zwischen folgenden Glücksarten unterscheidet: Glück des Zufalls (erfreulich, weil unverhofft), Glück des Genusses (die schmelzende Schokolade bewusst genießen), Glück der Selbstüberwindung (hat man den Gipfel trotz Wadenschmerzen erreicht, ist die Aussicht umso schöner), Glück in der Gemeinschaft (der Mensch ist ein Beziehungswesen) und Glück durch erhabene Momente (spirituelle Momente, Schönheit der Natur).

Ratschlag: "Nehmen Sie Herausforderungen an"

Gibt es ein Rezept fürs Glücklichsein? Margrit Vogler steht Patentrezepten kritisch gegenüber, kann jedoch Hilfestellung leisten. Um offen für Glück zu sein, müssen zunächst einmal die eigenen Grundbedürfnisse gestillt sein. Übermüdete Menschen sind nicht glücklich! Die Schulung der Sinneswahrnehmungen lässt uns intensiver genießen. Beziehungen sollten nicht überstrapaziert werden. Und ein ganz wichtiger Ratschlag: "Nehmen Sie Herausforderungen an! Engagieren Sie sich!" Denn wer aktiv ist, weist über sich selbst hinaus. Für Margrit Vogler sorgt im Beruf und in ihrem Engagement für die evangelische Kirche ein Gedanke stets für eine glückliche Grundstimmung: "Ich bin von Gott geschaffen, mit all meinen Möglichkeiten und Grenzen!"

Übrigens: Glück ist manchmal in Kleinigkeiten zu finden! Die vielen Menschen, die es am Sonntagmorgen zunächst nicht mehr geschafft hatten, im kleinen Zimmer im Küsterhaus einen Platz zu ergattern (nur ungefähr 30 von weit über 100 konnten sich hineinzwängen) , waren sehr glücklich, als der Vortrag schließlich in der Johanniskirche stattfand. Das Interesse am Glück scheint ungebrochen.